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"Gartenkulturelles Erbe in Europa": Kanal mit Bogenbrücke
Vorderbrüglingen: Der Botanische Garten wird umgepflügt
Der Umgestaltung des Natur-Idylls müssen vertraute Pflanzenstandorte und Bäume weichen
Von Christof Wamister
Die Christoph Merian Stiftung (CMS) will den Botanischen Garten in Vorderbrüglingen völlig umgestalten und mit einem Restaurant mehr Events und Einnahmen produzieren. Über die Auswirkungen solcher Pläne auf die botanischen Sammlungen sind Gartenfreunde nicht erfreut.
Die Merian Gärten am Rande der Brüglinger Ebene auf Bann der Gemeinde Münchenstein sind ein wunderschöner Ort und ein sicherer Wert, für alle, die gerne in Parks promenieren, Pflanzen bewundern oder eine festliche Veranstaltung durchführen wollen.
Mit Preis ausgezeichnet
Seit 1968 gibt es dort auch einen Botanischen Garten, der im Kontext der Landesgartenausstellung "Grün 80" ausgebaut und durch weitere Pflanzensammlungen bereichert wurde. Im vergangenen Jahr wurde die der Christoph Merian Stiftung gehörende Anlage mit einem Europäischen Gartenpreis ausgezeichnet, dies in der Kategorie "Gartenkulturelles Erbe in Europa".
Die botanischen Sammlungen befinden sich zum grossen Teil im Bereich Vorderbrüglingen, also näher bei St. Jakob. In Vorderbrüglingen stehen auch das Pächterhaus und eine monumentale Scheune, Bauten des grossen Basler Klassizisten Melchior Berri, sowie ein weiteres Ökonomiegebäude, in dem bis vor zwei Jahren die Kutschensammlung des Historischen Museums untergebracht war.
Mehr Veranstaltungen
Die CMS möchten nun dieses dominante, aber derzeit leer stehende Gebäude zu einem Restaurant umbauen, das den Gartenteil Vorderbrüglingen attraktiver machen soll, in dem auch in diesem Haus und seinem Umfeld Anlässe oder neudeutsch Events durchgeführt werden können. Damit sollen auch neue Einnahmen generiert werden, die zum teuren Parkunterhalt beitragen könnten.
Schon vor drei Jahren, 2017, wurde das Resultat eines Wettbewerbs ("Fontana Landschaftsarchitekten") für die komplette Neugestaltung von Vorderbrüglingen präsentiert. Das Konzept enthält unter anderem eine klare Trennung zwischen Kulturräumen, Naturräumen und Gartenbereich.
Die Strasse vom Eingang St. Jakob zu den Ökonomiegebäuden wird dem Anlieferverkehr vorbehalten bleiben, während die zu Fuss gehenden Besucher auf einem gewundenen Weg zum Zentrum geleitet werden. Bis jetzt waren diese Funktionen nicht getrennt.
Starke Eingriffe in die botanische Anlage
So weit, so gut. Doch aus der Sicht der CMS und der Planer ist der Botanische Garten in die Jahre gekommen. Er sei "ein Sammelsurium von historischen Bestandteilen und Überresten der Grün 80 und hat sich seit 1980er-Jahren kaum weiterentwickelt", heisst es im Jahresbericht 2017. Er soll völlig umgestaltet und neu angelegt werden. Und daran haben sich Konflikte entzündet, die bis jetzt allerdings kaum sichtbar waren.
Die botanische Sammlung besteht aus verschiedenen Pflanzengruppen wie Iris, Clematis (unter anderem Schlingpflanzen), Schneeglöckchen, Fuchsien, Efeu und Pfingstrosen. Gemäss Konzept sollen sie einen besseren Auftritt und mehr Sichtbarkeit erhalten. Die Gärtner zweifeln nun an gewissen vorgeschlagenen neuen Standorten und bezeichnen sie am Beispiel der Fuchsien als partiell ungeeignet. Sie seien aber bei den Planungen nicht immer wirklich angehört worden.
Gärten fallen weg
Der strikten Trennung zwischen Natur und Gartenkultur entlang des Hangweges sollen auch ganze Anlagen wie der Steingarten, der Irishang und ein Teil des "Silberhangs" (mit seinen silbrig glänzenden mediterranen Pflanzen) zum Opfer fallen.
Um eine grössere zusammenhängenden Fläche um das Ökonomiegebäude zu schaffen, werden der Bauerngarten, das Bestimmungslabyrinth, der historische Arzneipflanzengarten, der Fasergarten, der Nutzpflanzengarten, sowie die Wechselflorrabatten (Sommer- und Herbstflor) beim Eingang St. Jakob und das Rondell vor dem grossen Villa-Platz wegfallen.
Fotosujet für Hochzeitspaare
Auch einige Bäume, so der Götterbaum bei der Bogenbrücke (vgl. Aufmacherbild) stehen nach bisherigem Stand der Dinge auf der Streichliste. Die Brücke über den Kanal, der optisch direkt auf die Villa Merian zuführt und bei Hochzeitspaaren als Fotosujet beliebt ist, wird durch eine behindertengerechte Konstruktion ersetzt.
Insgesamt soll die Fläche des botanischen Gartens mit den Sammlungen nicht reduziert werden, aber optisch und gestalterisch wird er zu Gunsten von Rasen und Wiesen zurückgedrängt, fürchten die Kritiker.
Die grundlegende Umgestaltung von im eigentlichen Sinne des Wortes gewachsenen Strukturen wird sicher nicht ohne Verluste abgehen. Die Versetzung von lange an einem Ort eingewurzelte Pflanzen ist ein anspruchsvolles Geschäft.
Kopfsteinpflaster bleibt
Gemäss dem neuesten Stand der Planung wird das historische Kopfsteinpflaster zwischen den Gebäuden beibehalten, aber analog den Beispielen in der Basler Altstadt (Münsterplatz) behindertenfreundlicher gestaltet. Ursprünglich wollte man für den ganzen Bereich einen Mergelboden, der sich aber bei sehr trockenen oder nassen Verhältnissen als Umgebung für ein Lokal als unbrauchbar erweisen hätte.
Kenner der Verhältnisse und der Gartenkultur haben Bedenken angemeldet, wenn auch nur sehr zurückhaltend. Der schweizerische Verein der Staudenfreunde bezeichnet die Umbaupläne als diffus und hofft, dass da nicht ein "Eventgarten für das schnelle Geld" gebaut werde.
Von ihrer Sprecherin Lilan Wernli war zu erfahren, dass man ein kritisches Schreiben vorbereitet, aber nicht abgeschickt habe. Die Staudenfreunde sind trotz des etwas altmodisch tönenden Namens eine in der Szene bedeutende Organisation, die sich mit den mehrjährigen Pflanzen (Stauden) und ihrer Pflege befasst.
Gartenfreunde hatten keinen Einfluss
Zurückhaltend kritisch äussert sich auch Markus Bodmer, Präsident des Vereins Freunde des Botanischen Garten in Brüglingen. Die bisherigen Pläne seien "nicht optimal" und man habe im Verein den Eindruck, dass da auf Hauen und Stechen modernisiert werden soll. Der Freundesverein wurde in den sechziger Jahren im Zusammenhang mit den nicht realisierten Plänen, den botanischen Garten der Universität ganz nach Brüglingen zu verlegen, gegründet. Auf die Pläne für die Umgestaltung habe er keinen Einfluss gehabt, sagt Bodmer. Das liege nicht in den Kompetenzen des Vereins.
Die CMS will Mitte September über die definitive Form der Neugestaltung orientieren. Die Baubewilligung liegt vor und mit den Arbeiten soll im Oktober begonnen werden, war von der CMS zu erfahren. Die Kosten des Vorhabens belaufen sich auf 6.7 Millionen Franken. Die Baukredite wurden in diesem Jahr von den Gremien der Bürgergemeinde Basel, der Aufsichtsbehörde über die CMS, genehmigt.
27. August 2020