Werbung

© Foto by Marc Gusewski, OnlineReports.ch
"Ich will Resultate": Nachhaltigkeits-Strategen Steiner, Wackernagel

Umwelt-Pionier über den Öko-Kollaps und Baselbieter Bauern

Der Erfinder des "ökologischen Fussabdrucks", der Basler Mathis Wackernagel, liess seinen Fuss in Liestal nieder


Von Marc Gusewski


Mit dem "ökologischen Fussabdruck" hat der Basler Mathis Wackernagel eine weltweit bekannte Norm für ökologisches Verhalten geschaffen. Gestern Freitag unternahm er, aus Kalifornien kommend, einen Abstecher zur Elektra Baselland nach Liestal. Mit seinem Konzept will Wackernagel den ökologischen Kollaps verhindern.


"In meinen Ferien auf Baselbieter Bauernhöfen lernte ich ökologisch zu denken", sagt Mathis Wackernagel. Der gebürtige Basler gilt als Erfinder des Begriffs des "ökologischen Fussabdrucks". Gestern Freitag weilte er zu Besuch in Liestal, wo er Vorgespräche zu einer öffentlichen Veranstaltung am 17. November führte. "Umweltschutz ist keine Frage des Sich-Leisten-Könnens, sondern es geht um die Vermeidung des Öko-Kollapses", sagt Wackernagel.

Ein Botschafter der Nachhaltigkeit

Für den Umweltschutz sensibilisiert wurde der studierte ETH-Maschinenbau-Ingenieur durch den 1988 publizierten Brundtland-Report der UNO, der den Begriff der "Nachhaltigkeit" prägte. Wackernagel blieb im kanadischen Vancouver dauerhaft hängen, wo er zunächst ein Auslandssemester für ein Zusatzstudium in Regionalplanung belegte. Basierend auf seiner dort verfassten Doktorarbeit publizierte er im Jahr 1996 mit William E. Rees "Our Ecological Footprint", das ein Jahr später auf Deutsch als "Unser ökologischer Fussabdruck" erschien. Nach seinen Studien nahm Wackernagel Lehraufträge an Universitäten in Mexiko und dann in Kalifornien an, wo er vor sechs Jahren, in Oakland sein "Global Footprint Network"-Institut gründete.

Das Institut beschäftigt heute rund 30 Personen und wird von privaten Stiftungen finanziert, aber auch durch Forschungsbeiträge öffentlicher Institutionen, von Umweltorganisationen (wie etwa den WWF) und durch Aufträge aus der Wirtschaft, beispielsweise durch eine aktuelle Zusammenarbeit mit dem "World Business Council for Sustainable Development" (WBSCD). Bei allem, was er tut, legt es Wackernagel auf die "konkrete Umsetzung" an. Deshalb zog es ihn nach Kalifornien, wo vieles "unkomplizierter" realisiert werden könne als in der Schweiz. Eine Karriere als Umweltwissenschafter im universitären Zirkus lehnte Wackernagel ab: "Da muss man ständig publizieren und sich um seine akademische Laufbahn kümmern, ich will Resultate." Für seine Arbeiten wurde Wackernagel denn auch mehrfach von privaten und öffentlichen Institutionen ausgezeichnet.

Schweiz zehrt Naturkapital auf

Toll fände es Wackernagel, wenn sich die Schweiz zu einer Pioniertat aufraffen könnte und neben den gewohnten statistischen Berichten und Daten auch den "ökologischen Fussabdruck" ausweisen würde. Wackernagel: "Der Bundesrat soll auch ins Schwitzen kommen, wenn die Umwelt-Tragfähigkeit der Schweiz ein bedenkliches Mass angenommen hat. Das ist so wichtig wie über steigende Arbeitslosenzahlen zu schwitzen."

Wackernagels Konzept des "Fussabdrucks" geht über eine reine Umwelt- und Energiebuchhaltung hinaus – es setzt den Umweltverbrauch, den ein Individuum, eine Institution, ein Unternehmen, eine Stadt oder eine Volkswirtschaft verursacht, in Beziehung zur ökologischen Tragfähigkeit der Erde. Damit meint Wackernagel die Grundtatsache, dass zum Überleben etwa eines Menschen auf diesem Planeten nur eine bestimmte Menge an Land, Wasser, Luft, Natur zur Verfügung steht. Der heutige "ökologische Fussabdruck" der Schweiz weist etwa zweieinhalb Planeten aus. Das heisst: Die Schweiz verbraucht deutlich mehr, als ihr natürlicherweise an Ressourcen zur Verfügung steht. Das Land zehrt also Naturkapital auf, weil es mehr Ressourcen verbraucht als natürlicherweise nachwachsen.

Heute fit für die Welt von morgen

Aber was ist, wenn das Naturkapital aufgebraucht ist? Schliesslich leben die meisten Industrienationen weit über das hinaus, was nachwächst. Hier sieht Wackernagel ein fundamentales Missverständnis in der Politik und in der Öffentlichkeit über die Aufgabe von Umwelt- und Klimaschutz: "Angesichts der Wirtschaftskrise wird wieder darüber geredet, ob wir uns Klimaschutz überhaupt leisten können. Aber wer bedenkt, was passiert, wenn der Öko-Kollaps eintritt? Was spricht dagegen, schon heute fit für die Welt von morgen zu sein und seine Gesellschaft auf eine nachhaltige Balance mit der Umwelt gebracht zu haben?"

Wackernagel zieht im Gespräch gern einen Vergleich mit Bauern, um seine Botschaft zu verdeutlichen: "Ich bin in meinen Ferien oft auf Baselbieter Bauernhöfen gewesen. Ein Bauer kann nur das Land bestellen, das ihm gehört. Also muss er dazu Sorge tragen, dass es seine Kinder bestellen können und es pfleglich behandeln – mit Raubbau wäre es bald um Haus und Hof geschehen." Anzeichen für den Öko-Kollaps kann Wackernagel in einigen Bereichen erkennen. Nur gerade die Industrienationen verzeichnen in den letzten Jahren noch einen wachsenden Umweltverbrauch im Sinne des "ökologischen Fussabdrucks" - dagegen müssen rund 1,2 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern seit Jahren mit schwindenden Umweltressourcen als Folge ihrer Armut leben. Ihnen fehlt schlicht das Geld, um sich die überlebensnotwendigen Umweltgüter woanders einzukaufen.

Ein Ende des Notstands ist nicht in Sicht, denn hier sieht Wackernagel wiederum viele Missverständnisse am Werk: "Nehmen sie das früher einst an Umwelt reiche Ecuador – heute ist es ein ökologischer Schuldner, wie ein Industriestaat, der sich seine Naturgüter importieren muss. Seine Schätze sind aufgezehrt und geplündert – wo soll das hin führen?" Wackernagel zitiert öfter den Professor Jared Diamond von der Universität Kalifornien und seine Bestseller-Arbeit  "Kollaps", in der der Untergang von Nationen wie der Maya oder der Osterinsel-Völker durch blinden Raubbau nachgewiesen wird.

Politik könnte helfen, wenn sie wollte

Der Politik traut Wackernagel dennoch Handlungsfähigkeit zu. Schon in den Bereichen der Infrastrukturen und Bildungspolitik treffen die Politiker heute Entscheidungen, die weit in die nächsten Jahrzehnte hineinreichen: Der Öko-Stratege denkt an die Berufsqualifikation der Kinder von heute, die übermorgen durch ihre Qualifikationen unser Schicksal bestimmen, an Brücken, die für Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte gebaut sind. Wackernagel: "Dort geht es ja auch."

Damit kontert er den häufig gehörten Vorwurf, Politiker würden nur in kurzen Wahlperioden denken. Wackernagel sieht eher fehlenden Willen am Werk und ein Verkennen der Situation: "Viele wissen nicht, dass endlich gehandelt werden muss." Anzustreben sei vor allem im Energiebereich ist die Umsteuerung auf eine nachhaltige, umweltfreundliche Erzeugung mit möglichst kleinem ökologischen Fussabdruck.

Wackernagel Hauptredner am Herbst-Forum

"Sehr interessant" findet Urs Steiner, Direktor der Elektra Baselland (EBL), diesen Gedanken. Vielleicht wird die EBL dereinst in ihrem Jahresbericht über ihren Fussabdruck Bericht erstatten, so wie heute über ihren wirtschaftlichen Erfolg. Zuerst aber wird die EBL Wackernagel am 17. November einem grösseren Publikum an einer öffentlichen Veranstaltung vorstellen, gab Steiner preis: Die Energieversorgerin verpflichtete den Umwelt-Pionier für ihre Vortragsreihe "EBL Vision 2020", in der etwa schon der frühere deutsche Aussenminister Joschka Fischer oder der Umwelt-Vordenker und "Faktor 4"-Begründer Ernst Ulrich von Weizsäcker referierten.

1. August 2009

Weiterführende Links:


 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/echo.gif

"Wir stecken in einer Denkkrise"

Beziehung ist das, was zwischen allem Lebendigen geschieht, weil es das ist, was alles mit allem verbindet und sich letztlich im Verbrauch der kollabierenden Umwelt manifestiert.

 

Damit verbunden ist eine Umkehr des Denkens in der Nachhaltigkeitsfrage: Empathie und Beziehungsfähigkeit kommt vor Konkurrenz und technisch-wissenschaftlicher Raffinesse!

 

Die viel genannte Krise beschränkt sich nicht nur auf das Finanz- und Bankwesen, sie umfasst das Sozial-, das Bildungs-, das Gesundheitswesen, die Umwelt - um nur die wichtigsten politischen Themen aufzuzählen. Wir stecken in einer Denkkrise, aus welcher erst die integrale Sichtweise herausführen kann.


Bruno Rossi, Gelterkinden




"Ein toller, zukunftsweisender Artikel"

Im Gegensatz zu strohdummen, "einseitigen" in der Presse erschienenen Inseraten ist dies ein toller, zukunftsweisender Artikel zum 1. August. Danke!


Marie-Thérèse Jeker- Indermühle, CVP-Frauen, Basel



Was Sie auch noch interessieren könnte

Weko büsst Deponie Höli
mit einer Million Franken

29. August 2023

Kungelei: Liestaler Deponie-Betreiberin 
verletzt das Kartellgesetz.


Reaktionen

Duell um den Ständerat:
Sven Inäbnit gegen Maya Graf

9. August 2023

Sie will die Pro-Kopf-Prämien abschaffen,
er auf keinen Fall. Das grosse Streitgespräch.


Reaktionen

Baselbieter GLP attackiert
rot-grüne Vertretung in Bern

5. August 2023

Nach erfolgreichen Landratswahlen wollen die Grünliberalen auch einen Nationalratssitz.


Tiefgefrorene Tiere.
Und schmachtende Menschen

22. Juli 2023

Das Museum.BL hat Probleme mit
Schädlingen und dem Sommer-Klima.


Paone und Amsler greifen
für Sie in die Tasten

1. Juli 2023

OnlineReports bleibt, was es ist.
Nur mehr davon.


25 Jahre OnlineReports:
Peter Knechtli sagt Adieu

30. Juni 2023

pkn., der Gründer des Pionier-Newsportals,
übergibt jetzt die Verantwortung.


Reaktionen

Baum-Politik stösst auf
wenig Begeisterung

26. April 2023

Am Beispiel "Viertelkreis": Nach dem Bau von
Verkehrsanlagen folgt der Streit um Bäume.


Reaktionen

Der Russen-Überfall und der
Gelterkinder Schrotthändler

2. Januar 2023

Wegen des Kriegs: Die Preise für das
Alteisen von Markus Graf sind im Keller.


Waldenburgerbahn: "Modernste
Meterspurbahn Europas"

1. Dezember 2022

Am 11. Dezember geht die voll
digitalisierte neue Bahn in Betrieb.


Reaktionen

"Die Regierung igelt sich
in vielen Themen ein"

19. September 2022

Wirtschaftskammer-Direktor Christoph
Buser
über Energiepolitik und Mangellage.


Reaktionen

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Das Gebiet Rütschete ist tatsächlich ein bekannter Rutsch- oder Kriechhang."

Stellungnahme in der Volksstimme
vom 26. September 2023
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Überraschung!

RückSpiegel


In einem Artikel über die polarisierende Jungpolitikerin Sarah Regez (SVP BL) bezieht sich die Basler Zeitung auf OnlineReports.

persoenlich.com vermeldet mit Verweis auf OnlineReports den Wechsel der Basler Journalistin Andrea Fopp von Bajour zur NZZ.

Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Die bz greift den Bericht von OnlineReports über den Eklat am Baselbieter Kantonsgericht mit dem sofortigem Rücktritt eines Vizepräsidenten auf.

Die bz zitiert in ihrem Nachruf auf Hans Rudolf Gysin aus dem OnlineReports-Porträt "Die Hans Rudolf Gysin-Story: Auf der Spur eines Phänomens".

Zahlreiche Medien haben die Nachricht über den Tod von Hans Rudolf Gysin aufgenommen: Basler Zeitung, bz und weitere Titel von CH Media, Prime News, Volksstimme, Bajour, Baseljetzt, SRF-Regionaljournal Basel, Happy Radio, nau.ch.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).

Am 1. Juni 2024 übernimmt Veronika Röthlisberger die Leitung der Gebäudeversicherung Basel-Stadt von Peter Blumer, der danach pensioniert wird.

Hanspeter Wäspi (57, Rheinfelden) ist neuer Geschäftsleiter von Procap Nordwestschweiz.

Die Leitung der Abteilung Finanzen und Controlling im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt obliegt ab 1. Dezember Thomas Schneider, der die Nachfolge des Bald-Pensionierten Daniel Hardmeier antritt.

Stefan Binkert wird neuer Rektor des Wirtschaftsgymnasiums und der Wirtschaftsmittelschule Basel; er folgt in dieser Funktion auf Patrick Langloh, der ab 1. Januar 2024 die Leitung des Bereichs Mittelschulen und Berufsbildung im Erziehungsdepartement übernimmt.