© Fotos by Beat Ernst, Monika Jäggi und DRG
"Kleine Oasen und Treffpunkte": Garten-Guerilla-Aktion in Basel
Die Basler Garten-Guerilla kommt nachts, ihre Waffen sind Salat-Setzlinge
Die Aktivisten von "BSetzlinge" kommen heimlich und verwandeln biedere Grünflecken in Gemüsegärten
Von Monika Jäggi
Nun hat – neben Zürich, London und New York – auch Basel seine Guerilla-Gärtner. Sie verwandeln triste Orte der Stadt in Gemüsegärten und hoffen auf Nachahmungstäter. Noch hat die amtliche Stadtgärtnerei grosse Mühe mit dem Vorgehen – der Baudirektor eher Sympathie.
Die Garten-Guerilla kommt unerkannt in der Nacht, zu Fuss oder auf dem Fahrrad und bringt Setzlinge, Spaten, Schaufeln, Giesskannen, Muskelkraft und Tatendrang mit. Im Visier der Spaten sind eine Rasenfläche im St. Johanns-Quartier und triste, mit Gräsern bepflanzte Betonbehälter auf der Claramatte.
In verschiedene Gruppen aufgeteilt, machen sich 30 Personen mit ihren Gartenwerkzeugen auf zu einer nächtlichen Pflanzaktion in verschiedenen Basler Quartieren. Alles muss schnell gehen. Die Gärtner wollen kein Aufsehen erregen oder einen Polizeieinsatz auslösen.
Besonders auf der gut sichtbaren Rasenfläche im St. Johann, die an drei Seiten von Wohnhäusern umgeben ist, und sich gegen Hauptstrasse und "11"er-Tram hin öffnet, wird konzentriert gearbeitet: Den Gartenplan auf der Fläche abstecken, dann Rasenstücke ausstechen und die Erde aufgraben, Setzlinge pflanzen, vorgespurte Wege, die durch den Garten führen, mit Steinchen auslegen, selbstbeschriebene Tafeln mit der Bezeichnung der Setzlinge einstecken, eine Giesskanne hinstellen – fertig ist die "BSetzling"-Aktion (Insider-Jargon).
Wider den Vandalismus
Die vorbeifahrende Polizeipatroullie unterbricht das Gärtnern nicht, obwohl sich – unübersehbar – viele Pflanzende auf dem Grünfleck zu schaffen machen. Anwohner schauen vom Fenster aus zu und andere stellen sich mit der Weinflasche gleich selber dazu. Erleichterte Gesichter dann um 1 Uhr morgens und das Ende eines friedlichen Pflanz-Happenings: Mais, Zuchetti, Kürbisse, Radiesli, Tomaten und Gurken gibt es demnächst in diesem Gemüsegarten.
Auch im Claramatte-Park, eher bekannt für nächtliche Tätlichkeiten als für gemeinsames Jäten, gibt es keine Störung. Die Park-Ecke mit den Betonbehältern ist nicht auf den ersten Blick einsehbar. Niemand stört die Gruppe beim Neubepflanzen der grauen Einfassungen (Bild links vorher und nachher): Unkraut wird durch Salat-, Mangold-, Tomatensetzlinge und andere Pflänzchen ersetzt.
Alkoholisierte, die sich in der Ecke aufhalten, warnen vor Vandalismus und raten von der Pflanzete ab: "Hier wird alles gestohlen oder zerstört." Und nun ergibt sich so etwas wie ein Dialog zwischen den eher ungleichen Parknutzern. "Warum schaut ihr nicht selber dazu?", werden die Männer von den Guerilleras und Guerilleros aufgefordert, "wir lassen euch die Giesskanne hier".
Ganz anders lief die dieselbe Aktion in Winterthur ab, wo eine Polizeipatroullie – von Passanten oder von Anwohnern alarmiert – die nachtaktiven Gärtner stoppte, kontrollierte und den sofortigen Abbruch der Aktion verlangte. Tatort war ein vier Quadratmeter grosser, öffentlicher Rasenfleck im Stadtzentrum. Immerhin: Das Gärtchen steht noch immer.
Subtiles Mittel des politischen Protests
Beim Guerilla Gardening handelt es sich um eine weitere Facette der urbanen Landwirtschaft. Es ist das heimliche Bepflanzen ungenutzter oder verwahrloster Flächen wie private Gründstücke, aber auch öffentliches Grün zum Beispiel Strassenränder und Verkehrsinseln, Bahnborde, Parkanlagen, Baumeinfassungen oder Pflanzkübel.
Das Guerilla Gardening geht auf die Bewegung der "Green Guerillas" zurück, die in den siebziger Jahren in New York gegründet wurde. Heute ist die damalige Aktivisten- und Künstlergruppe eine etablierte Nichtregierungs-Organisation (NGO). Guerilla Gardening war ein subtiles Mittel des politischen Protests im öffentlichen Raum: Mit dem Bepflanzen von urbanem Niemandsland und dem Verteilen von Samenbomben wollten die Aktivisten ein Zeichen des zivilen Ungehorsams gegen Städte aus Beton, Stahl und Glas setzen.
Dank kontinuierlicher Einzelaktionen im öffentlichen Raum entwickelte sich daraus eine Bewegung, aus der auch die Gemeinschaftsgarten-Bewegung in New York hervorging. Mittlerweile verbindet Guerilla Gardening mit dem Protest auch den Nutzen einer Ernte und der Verschönerung trister Innenstädte durch Begrünung brachliegender Flächen.
Die Bürgeraktion "BSetzlinge"
Diese Ziele verfolgt auch die Basler Aktion "BSetzling". Wer sind die nachtaktiven Stadtgärtner und was wollen sie erreichen? Initiiert hat die Aktion eine 24-jährige Jurastudentin aus Winterthur, die in Basel studiert. Sie bleibt ohne Namen, "weil es nicht um Personen geht, sondern um die Sache", erklärt sie. Die Idee entstand vor ein paar Monaten im kleinsten Freundeskreis. "Uns faszinierte das Wortspiel Setzling/BSetzling. Wir wollten es nicht bei einem Wortspiel belassen, sondern die Idee praktisch umsetzen und so die Stadt mit einem 'Garten für Alle' überraschen und kleine Oasen und Treffpunkte schaffen."
Der Aktion ging eine intensive Vorbereitungszeit voraus: Freiwillige wurden im Freundeskreis und durch soziale Netzwerke rekrutiert, Pflanzensetzlinge mussten angezogen werden, die Werkzeuge organisiert, Tafeln beschriftet und die Flächen ausgewählt werden. Die Auswahl erfolgte gezielt: Die Fläche musste in einem Wohnquartier liegen und öffentlich zugänglich sein, ein Brunnen musste in der Nähe stehen, die Erde durfte nicht zu hart sein und das Grün musste vor Hunden geschützt werden können. Eine Gärtnerei spendete Setzlinge und plötzlich gab es genug Freiwillige – Studierende der Ökonomie, Soziologie, Medizin, Design, Biologie oder der sozialen Arbeit.
Mit Eigeninitiative gegen urbanes Ödland
Beim Guerilla-Gärtnern ist niemand direkt verantwortlich für die Pflanzungen. Die Initiantin hofft dennoch, dass Anwohner und Passanten die Gärtchen in Eigeninitiative pflegen. Schliesslich gäbe es später auch etwas zu ernten. Ist das Bedürfnis da, wird die Aktion weiterlaufen, ist die Studentin überzeugt. "Wir wollen aber nichts forcieren." Bisher waren die Reaktionen der Anwohner positiv. Ein Garten-Guerillero erzählt, dass er beim St. Johanns-Garten mit mehreren Passanten gesprochen habe: "Alle waren begeistert, dass junge Leute einen Gemüsegarten anlegen und haben gesagt, dass sie gerne wieder vorbeischauen, auch zum Giessen und Ernten."
Die eingesteckten Informationsschilder werden dazu wohl trotzdem nicht ausreichen. "Wir werden die Pflanzplätze zu Beginn noch betreuen, aber die Leute auf eine Mitarbeit ansprechen," sagt die Guerillera. Auch werden Informationsflyer in die Haushaltungen der angrenzenden Wohnhäuser verteilt. Die Initiantin wünscht sich, dass es nicht bei diesen einzelnen Projekten bleibt, sondern dass Stadtmenschen die Idee aufgreifen und selber weitere Grünflächen aufbrechen.
Stadtgärtner gar nicht "amused"
Wie steht die staatliche Stadtgärtnerei, die besagte Grünflächen unterhält, zur Guerilla Garten Aktion? Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei, findet die Aktion vom Pfingstwochenende nicht in Ordnung: "Die handstreichartige Aneigung von öffentlichem Raum ist nicht korrekt und widerspricht meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Die Aktion hat so etwas Subversives, Inoffizielles und daher auch Unsympathisches", erklärte er gegenüber OnlineReports. "Partikularinteressen zulasten der Öffentlichkeit so durchzusetzen, erachte ich als höchst problematisch." Dies sei nicht der richtige Weg und möglicherweise nicht besonders nachhaltig.
Trueb weist darauf hin, dass Baslerinnen und Basler seit Jahren eine Baumpatenschaft annehmen und damit auch Verantwortung für das öffentliche Grün übernehmen können. Im öffentlichen Grün Nahrungsmittel zu erzeugen, sei eine gute Sache. Es sei aber jederzeit möglich, dies in einem oder mehreren Freizeitgärten gemeinschaftlich zu machen.
Stadtgärtner will erst das Gespräch
Die Gärtchen stehen noch, die Polizei hat – anders als in Winterthur – die Gartenaktion laufen lassen. Wie wird die Stadtgärtnerei mit zukünftigen Guerilla-Garten-Aktionen umgehen? "Guerillas sind Kämpfer, sie führen Krieg und nehmen Opfer und Verderben in Kauf, für mich eine militante Vorstellung", erklärt der oberste Stadtgärtner Emanuel Trueb seine Sicht. Andernorts würde sehr rasch reagiert. "In unserem Fall suchen wir zuerst das Gespräch mit den Initianten. Wir müssen uns unterhalten darüber, ob der Standort für den Anbau von Lebensmitteln geeignet ist. Eventuell muss zuerst eine Bodenprobe genommen werden. Vielleicht gibt es das Allmendgesetz zu beachten, es gibt Verantwortlichkeiten zu klären, und es braucht eine minimale Logistik für die Entsorung und Versorgung."
Schliesslich bleibe die die Fragen nach den Kosten und nach der Verantwortung, da die Veranstaltung anonym abgelaufen sei. "Bis heute hat sich für uns eine wertvolle Zusammenarbeit mit den Leuten vom Landhof und dem Verein 'Urban Argriculture Basel' ergeben. Anonymität gibt es für mich nicht", stellt er klar.
Ob Stadtgärtner Trueb die volle Rückendeckung seines obersten Chefs hat, ist indes nicht sicher: Bau- und Umweltschutzdirektor Hans-Peter Wessels (SP) gehört einer Facebook-Gruppe "Gartenguerilla Basel" an, die ähnliche Ziele verfolgt. Ziel dieser "völlig harmlosen" Gruppe sei "die leicht subversive urbane Begrünung von Basel", gegen die in diesem Rahmen nichts einzuwenden sei, sagte Wessels vor genau zwei Jahren zu OnlineReports.
11. Juni 2012
Weiterführende Links:
Strafbar oder legal?
mj. Der Unterschied zwischen Gemeinschaftsgärten und einer Guerilla Gardening-Aktion sind Verbindlichkeit und Verantwortung. Gemeinschaftsgärten sind offiziell angelegte und geführte Gärten. Flächen dagegen, die während einer Guerilla-Aktion bepflanzt wurden, sind politisch motiviert und lassen sich nicht in die Stadt- und Zonenplanung einbinden. Sie entstehen spontan, ohne Auftrag und finanzielle Unterstützung und setzen auf witzige Art und Weise Natur-Akzente in Stadtlandschaften.
Erfolgt die Bepflanzung ohne Zustimmung des Eigentümer (privat oder öffentlich), stellt Guerilla Gardening in vielen Fällen eine Straftat dar und kann als Sachbeschädigung verfolgt werden. Trotzdem ist diese illegale Art des Gärtnerns vielen finanzschwachen Stadtverwaltungen sehr willkommen, da ihnen das Geld für den Unterhalt städtischer Grünflächen fehlt.
Guerilla-Gärtner mit Gesicht
mj. Während sich in Basel erstmals eine spontane Guerilla-Gärtner-Truppe bildete, hat das Guerilla Gardening (so die internationale Bezeichnung) in Zürich ein Gesicht und einen international bekannten Namen: Maurice Maggi, Landschaftsgärtner und seit 25 Jahren inoffizieller Malvenpflanzer der Stadt Zürich.
Ein anderer international bekannter Vertreter des Guerilla-Gärtnerns ist der Brite Richard Reynolds. Ausgelöst durch seine medienwirksamen Aktivitäten hat Guerilla Gardening in Städten weltweit Fuss gefasst. Seit mehreren Jahren begrünt Reynolds ohne Auftrag und finanzielle Unterstützung die Stadt London.
"Guerilla-Gärtner schon im 17. Jahrhundert"
Ein sehr informativer Artikel. Übrigens kann die Geschichte der "Guerilla Gärtner"-Bewegungen weiter in die Vergangenheit zurückverfolgt werden als 1979. So gründete Gerard Winstanley im Jahre 1649 die "Diggers" (Buddler) eine Bewegung, die die Besitzstände in England einebnen wollte, indem sie in "Guerrila Aktionen" öffentliches Land landwirtschaftlich zu bebauen begann, um die Besitzlosen zu ernähren. Die Diggers lebten in bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1651 in Kommunen.
"England wird kein freies Land sein, solange die Armen kein Land besitzen werden und kein Recht haben werden, das gemeinschaftliche Land zu bearbeiten." (Gerard Winstaney)
Alexander Radzyner, London
"Kartoffelpflanzen im öffentlichen Raum"
Dieser Aktion zur Legalität zu verhelfen dürfte unserer kreativen Regierung ein Leichtes sein, war doch das Kartoffelpflanzen im öffentlichen Raum während des Zeiten Weltkrieges eine im "Plan Wahlen" festgehaltene BürgerInnenpflicht.
Beatrice Alder, Basel