Werbung


© Foto und Video by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Von Krisen-Regionen abhängig": Deutscher Energie-Botschafter Fischer

Joschka Fischer: "Jetzt müssen wir ökologisch Gas geben"

Der grüne Botschafter zog am EBL-Event in Liestal 1'000 Zuhörende in seinen Bann


Von Peter Knechtli


Der einstige grüne Vorzeige-Politiker und deutsche Vizekanzler Joschka Fischer zog in Liestal über 1'000 Zuhörende in seinen Bann: Am diesjährigen EBL-Event heute Mittwochabend in Liestal erntete er kräftigen Applaus für seine Aussage, die Wende hin zu einer ökologischen und dezentralen Energieversorgung jetzt entschlossen einzuleiten.


Waren das unterschiedliche Bilder: Damals, als er als erster grüner Politiker Umweltminister des Bundeslandes Hessen in Turnschuhen zur Vereidigung antrat, und als "grüner Phantast" verschrieen wurde - und heute, da stand er krawattiert in feinem Gewand als Publikums-Magnet in der Liestaler Dreifachturnhalle vor tausend Zuhöhrenden auch stark bürgerlicher Prägung, die ihm Zwischen-Applaus und einen langen Schluss-Beifall spendeten.

"Zweckgebundene Stromlücken"

An der vorgängigen Medienkonferenz wirkte der 59-jährige Realo noch etwas abgekämpft und inhaltlich so diplomatisch, wie er es als ehemaliger deutscher Aussenminister gelernt hatte. Auf die Frage von OnlineReports, mit welcher Botschaft er nach Liestal gekommen sei, antwortete er höflich, er wolle sich hüten, der Schweiz und auch der Region Basel dreinzureden. Doch rasch gab er sich als nach wie vor klarer Atomenergie-Gegner zu erkennen, sprach bissig von "zweckgebundenen Stromlücken", an die er nie geglaubt habe, und sagte der Nutzung von erneuerbarer Energie ein goldenes Zeitalter voraus: "Wir werden es mit Quantensprüngen zu tun haben." Auch aus den USA dürfte nach den Wahlen ein energiepolitisch anderer Wind pfeifen und verstärkter Innovations-Wettbewerb aufkommen.

Auch anschliessend in der Turnhalle, wohin der Anlass wegen des immensen Interesses kurzfristig verlegt werden musste, hütete sich Fischer davor, die Schweiz zu belehren - und tat es ununterbrochen. Als weltgewandter Politiker, der nach Abschluss seiner Regierungstätigkeit ein Jahr in den USA verbrachte, richtete er den Blick auf die geostrategische Problem- und Interessenlage. So werde es zu einer "dramatischen Belastung der Erdatmosphäre" kommen, wenn 2,5 Milliarden Chinesen und Inder ihre "völlig legitimen" Wachstums-Interessen umsetzten. China brauche beispielsweise zehn Prozent jährliches Wachstum, "um den Transformationsprozess einigermassen unter Kontrolle zu halten".

Starke Abhängigkeit von Krisen-Regionen

Fischer hatte auch die SVP-Angehörigen bald im Sack, als er sachte daran erinnerte, dass die Schweiz energiepolitisch mit Europa bereits stark vernetzt sei. Auf die Schweiz habe es einen Einfluss, wie stark Europa gegenüber Ländern wie Russland auftreten könne. Fischer liess auch die Gefahr erkennen, dass die fossile europäische Energieversorgung über weite Strecken von krisengeplagten Regionen abhängig sei. Noch sei offen, ob US-Präsident Bush noch vor Ende seiner Präsidialzeit einen Angriff gegen den Iran befehle, was unmittelbar zu weiter dramatisch steigenden Ölpreisen führte.

Schon aus diesem Grund müsse eine kohärente europäische Energiepolitik definiert und umgesetzt werden. "Wir müssen jetzt ökologisch Gas geben", forderte Fischer und gab zu bedenken, dass von Europa jetzt eine Grundwelle der Technologie-Innovation ausgehen müsse, bevor uns die Amerikaner den Rang abliefen: Wenn die USA einmal die Chance gewittert hätten, dass  sich ökologische Marktwirtschaft und ökonomische Rentabilität vertrügen, dann strebe ihre Industrie mit der ihr eigenen Gründlichkeit die Schrittmacher-Funktion des ökologischen Wandels an. Privatmann Fischer gab auch preis, dass die Öffnung des Energiemarktes einzelnen Kosumierenden - wie neulich ihm selbst - die Möglichkeit gebe, einen umweltfreundliche Energieanbieter zu wählen und beispielsweise Atomstrom-Promotoren nicht zu berücksichtigen.

Atom-Debatte ist Vergangenheit

Für Fischer ist klar, dass Atomkraft mit ihrem schlechten Wirkungsgrad und der ungelösten Entsorgung nicht die Lösung sein kann: "Die Atom-Debatte wird eine Debatte der Vergangenheit sein." Vielmehr sprach er der nachhaltigen dezentralen Energieproduktion das Wort, stellte erfreut fest, dass "grüne Positionen heute Mainstream sind" und beschwor eine "echte Revolution", die von der gewerblich-industriellen Entwicklung nachhaltiger Energie-Technologien ausgehe. Im Bereich der Windkraft erlebe Deutschland einen Gründungs-Boom, "den wir Grünen nicht für möglich gehalten hätten".

Joschka Fischer räumte aber ein, dass sich die Politik viel zu stark mit blossen Deklamationen und Versprechungen zufrieden gebe, statt den Innovationsschub selbst tatkräftig zu unterstützen - etwa in Form gesetzlich geregelter langfristiger Einspeisevergütungen.

Einspeisevergütung: Vorbild Spanien

Dieses Modell schilderte der massgeblich am spanischen Gross-Solarkraftwerk in Almeria beteiligte deutsche Forscher Christoph Richter. Spanien bietet seit 2004 eine gesetzlich geregelte, auf 25 Jahr garantierte Einspeisevergütung von 26 Cents pro Kilowattstunde. Die Solarenergie befindete sich, so Richter, "am Anfang eines weltweiten Booms". Sehr wünschenswert sei die Erschliessung des Potenzials in der Sahara und der Aufbau eine Hochspannungs-Gleichstromnetzes für die weiträumige Versorgung mit Solarenergie.

Urs Steiner, dem Geschäftsführer der Elektra Baselland (EBL), war dieses Jahr mit dem Engagement Fischers eine ausgesprochen attraktive Event-Ausgabe geglückt. Zumindest der Applaus und die gute Laune des Publikums liess auf die mehrheitliche Meinung schliessen, dass die Politik mit der ökologischen Wende endlich ernst machen soll.

Sondersitzung des Landrates

Dazu hat der Baselbieter Landrat ausgerechnet morgen Donnerstag Gelegenheit: Anberaumt ist eine Energie-Sondersitzung. Es wird sich also sehr bald zeigen, ob Umwelt-Botschafter Fischer den politischen Akteuren eine Motivations-Spritze verpassen konnte, oder ob sie es bei sattsam bekannten schönen Worten bewenden lassen.

Regierungspräsidentin Sabine Pegoraro verkündete in ihrem Grusswort nochmals, dass es die Regierung ablehne, den Atomschutzartikel aus der Baselbieter Verfassung zu kippen (starker Applaus). Dies bedeute aber nicht, "dass wir generell gegen die Kernenergie sind" (Appläuslein). Der neuen Bau- und Umweltschutzdirektor Jörg Krähenbühl outete sich nach der Veranstaltung als "Fan von Joschka Fischer", der sicherlich auch "ein Showman" sei, aber etwas zu sagen habe. Krähenbühl: "Ich habe schon sein erstes Buch gelesen. Ich werde auch sein neues Buch lesen."

31. Oktober 2007

Weiterführende Links:



 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)

Was Sie auch noch interessieren könnte

152 Tage und weiterhin
voller Tatendrang

29. November 2023

Jan Amsler und Alessandra Paone geben Einblick in ihre erste Zeit bei OnlineReports.


Weko büsst Deponie Höli
mit einer Million Franken

29. August 2023

Kungelei: Liestaler Deponie-Betreiberin 
verletzt das Kartellgesetz.


Reaktionen

Duell um den Ständerat:
Sven Inäbnit gegen Maya Graf

9. August 2023

Sie will die Pro-Kopf-Prämien abschaffen,
er auf keinen Fall. Das grosse Streitgespräch.


Reaktionen

Baselbieter GLP attackiert
rot-grüne Vertretung in Bern

5. August 2023

Nach erfolgreichen Landratswahlen wollen die Grünliberalen auch einen Nationalratssitz.


Tiefgefrorene Tiere.
Und schmachtende Menschen

22. Juli 2023

Das Museum.BL hat Probleme mit
Schädlingen und dem Sommer-Klima.


Paone und Amsler greifen
für Sie in die Tasten

1. Juli 2023

OnlineReports bleibt, was es ist.
Nur mehr davon.


25 Jahre OnlineReports:
Peter Knechtli sagt Adieu

30. Juni 2023

pkn., der Gründer des Pionier-Newsportals,
übergibt jetzt die Verantwortung.


Reaktionen

Baum-Politik stösst auf
wenig Begeisterung

26. April 2023

Am Beispiel "Viertelkreis": Nach dem Bau von
Verkehrsanlagen folgt der Streit um Bäume.


Reaktionen

Der Russen-Überfall und der
Gelterkinder Schrotthändler

2. Januar 2023

Wegen des Kriegs: Die Preise für das
Alteisen von Markus Graf sind im Keller.


Waldenburgerbahn: "Modernste
Meterspurbahn Europas"

1. Dezember 2022

Am 11. Dezember geht die voll
digitalisierte neue Bahn in Betrieb.


Reaktionen

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der Hochhaus hätte höher werden können."

bz
Bildlegende
vom 5. Dezember 2023
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

(er, ihn)

RückSpiegel


20 Minuten und ein Podcast der Zeit nehmen den Artikel von OnlineReports über das Hupe-Verbot für das Kinderkarussell auf dem Münsterplatz auf.

Die bz zieht den OnlineReports-Artikel über die frühere Grellinger Kirchen-Kassiererin nach, die ihre Verurteilung vor Bundesgericht anficht.

Die Basler Zeitung und Happy Radio greifen die OnlineReports-Recherche zur Girema Bau AG auf.  

 

bz und Happy Radio zitieren den OnlineReports-Bericht über den Liestaler Buchladen Rapunzel, der schliesst.

Die bz bezieht sich in einem Artikel über den Asyl-Streit in den beiden Basel auf einen Leserbrief auf OnlineReports.

In einem Artikel über den Richtungsstreit innerhalb der Baselbieter SVP zitiert die Basler Zeitung aus OnlineReports.

Die bz vermeldet mit Verweis auf OnlineReports den Abgang des Gelterkinder Gemeinderats Pascal Catin.  

Die Basler Zeitung nimmt in einem Artikel über die Baselbieter FDP-Landrätin und Nationalratskandidatin Saskia Schenker Bezug auf OnlineReports. 

In einem Artikel über die polarisierende Jungpolitikerin Sarah Regez (SVP BL) bezieht sich die Basler Zeitung auf OnlineReports.

persoenlich.com vermeldet mit Verweis auf OnlineReports den Wechsel der Basler Journalistin Andrea Fopp von Bajour zur NZZ.

Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Sonja Kuhn, ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.
 

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).

Am 1. Juni 2024 übernimmt Veronika Röthlisberger die Leitung der Gebäudeversicherung Basel-Stadt von Peter Blumer, der danach pensioniert wird.

Hanspeter Wäspi (57, Rheinfelden) ist neuer Geschäftsleiter von Procap Nordwestschweiz.

Die Leitung der Abteilung Finanzen und Controlling im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt obliegt ab 1. Dezember Thomas Schneider, der die Nachfolge des Bald-Pensionierten Daniel Hardmeier antritt.

Stefan Binkert wird neuer Rektor des Wirtschaftsgymnasiums und der Wirtschaftsmittelschule Basel; er folgt in dieser Funktion auf Patrick Langloh, der ab 1. Januar 2024 die Leitung des Bereichs Mittelschulen und Berufsbildung im Erziehungsdepartement übernimmt.