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© Fotos by Intercooperation
"Safari ins grüne Herz Afrikas": Gefällter Sapelli-Baumriese in Kongo-Brazzaville

Schweizer wollen die Kongowälder mit neuem Vorstoss retten

Mit Dialog und Inpflichtnahme internationaler Holzkonzerne soll im Urwald die Gerechtigkeit Einzug halten


Von Ruedi Suter


Das Tempo, mit dem internationale Holzkonzerne unter dem Schutz der Regierungen die Urwälder fällen, soll im Kongobecken mit der Umsetzung einer von der Schweiz entwickelten Initiative gebremst werden. Das Fernziel: Die Waldvölker sollen zum ersten Mal über die Ausbeutung ihres Lebensraums durch Fremde mitbestimmen können. Zeitnot, Korruption und fehlender politischer Wille erschweren die Umsetzung massiv.


Von Gerechtigkeit keine Spur: Bislang konnten sich die Holzfirmen mit Schützenhilfe der Staaten an den Urwäldern bedienen, ohne die indigenen Waldvölker zu fragen, geschweige denn zu entschädigen oder einen gleichwertigen Ersatz für die Zerstörung ihres Lebensraums sicherstellen zu müssen. Rechtlich war das auch nie ein Problem: Die Wälder gehören dem Staat. Dieser verkauft die Fäll-Lizenzen an ausländische Firmen – und die Waldnomaden haben die Abholzungen und Kahlschläge klaglos zu akzeptieren.

Im Kongobecken – nach dem Amazonas das zweitgrösste Regenwaldgebiet der Erde – sind die Leidtragenden in erster Linie die Ureinwohner. Die Pygmäen verlieren ihre Jagdgebiete, ihre Sammelgründe, ihre Kultur, ihre Existenz. Von den riesigen Profiten, welche die internationalen Holzkonzerne einstreichen, erhalten sie bestenfalls lächerliche Abfindungen. Hingegen werden ihre letzten Waldgebiete von Siedlern, Geschäftsleuten und Wilderern überrannt, besetzt, genutzt und geplündert. Vorgänge, die in den Industrienationen weitgehend verdrängt werden.

Verweigerte Mitsprache und Beteiligung

Aber auch für die nicht indigene Bevölkerung im Kongobecken sind die «grünen Lungen» Lebensraum sowie die Quelle lebenswichtiger Produkte und eines Grossteils ihres Einkommens. Gleichzeitig stellen die Tropenwälder einen bedeutenden wirtschaftlichen Wert dar, der von den Holzkonzernen seit Dekaden im Namen der Konsumierenden vorab in Europa für sich in Anspruch genommen wird. Die indigenen oder früher einst zugezogenen lokalen Bevölkerungen empfinden die Firmen, die für Einheimische vergleichsweise wenige Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, zumeist als rücksichtslose Invasoren, die den Wald mit seinen Tieren und Pflanzen ohne ihr Einverständnis nutzen.

Die Holzindustrie ihrerseits pocht auf ihre Nutzungskonzessionen, die ihr von den jeweiligen Regierungen in den fernen Hauptstädten zu Billigstpreisen über die Köpfe der Betroffenen hinweg verramscht wurden. Die Holz-Barone, welche auf der Landkarte die Kongobeckenwälder längst schon unter sich aufgeteilt haben, fühlen sich deshalb voll im Recht. Sie verweigern den Waldbevölkerungen Mitsprache oder Beteiligung.

Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe als Ziel

Nun aber soll ihnen Rechtsgefühl und Anstand beigebracht werden – mit Dialog und einem neuartigen Konzept, das zurzeit in der UNO heftig diskutiert wird. Sein Name: "Free, Prior and Informed Consent" (FPIC). So heisst eine Vereinbarung, die bereits in der Erklärung zu den Rechten der indigenen Völker und in der Indigenenkonvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 169) verankert wurde. Angepeilt wird die Entschärfung der Zielkonflikte zwischen den Eingeborenen einerseits und der Holzindustrie andererseits durch eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe. "Der zielorientierte Ansatz des Free, Prior and Informed Consent ist ein erfolgversprechendes Konzept, um die Interessenskonflikte zwischen den beteiligten Akteuren zu überwinden", geben sich seine Befürworter zuversichtlich.

Um das Vorhaben auch Wirklichkeit werden zu lassen, haben sich verschiedene Schweizer Einrichtungen zu einer Kooperation entschlossen: Die Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Schweizerische Stiftung für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (Intercooperation), welche durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) finanziert wird, und die von Kunstsammler Ernst Beyeler initiierte Basler Stiftung Kunst für den Tropenwald. Sie haben Ethnologen beauftragt, fünf Holzfirmen in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), der Republik Kongo und Gabun zu besuchen und die Interessenskonflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und den Holzfirmen zu analysieren.

Firmen müssen Vertrauen schaffen

Das Resultat der wissenschaftlichen Safari ins grüne Herz Afrikas ist eine Studie, die erstmals konkrete Lösungsansätze aufzeigt, wie die Konflikte zwischen wirtschaftlichen Akteuren, der Waldbevölkerung und dem Staat angegangen werden können – und wie den dort lebenden Menschen endlich ein Selbstbestimmungsrecht gesichert werden kann. Die Umsetzung der Empfehlungen der Studie werde einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Waldbewirtschaftung leisten, die sicherstellt, dass die Interessen der Waldbevölkerung bei der Nutzung einbezogen werden, erklären die Schweizer Initianten zuversichtlich.

GfbV-Geschäftsführer Christoph Wiedmer präzisierte gegenüber OnlineReports.ch die Erwartungen an den FPIC so: "Die Firmen anerkennen und respektieren, dass sie in einem Gebiet aktiv werden wollen, wo seit langem Menschen leben, welche die Waldnutzung unter sich geregelt haben. Die Firmen machen ein Angebot an die Bevölkerung, was sie nutzen wollen und welche Gegenleistung sie bieten. Sie stützen sich also nicht mehr nur auf die Bewilligung der Behörden." Jetzt müsse die Firma das Vertrauen zur Bevölkerung aufbauen und einen fortwährenden Prozess des Verhandelns entwickeln. Dazu gehöre zum Beispiel, dass von der Firma ein Team von Sozialexperten angestellt werde, "das die richtigen Sprachen spricht und das vorurteilsfrei und ohne rassistische Grundhaltung" sowohl mit den sesshaften Bantu-Dorfbewohnern – meist Kleinbauern – als auch mit den Pygmäen verhandle. Wiedmer: "Dies kann durch den Aufbau eines Lokalradios verbessert werden, aber auch durch regelmässige Besuche in allen Siedlungen, die im Konzessionsgebiet liegen."

Zwingender Schutz heiliger Gebiete

Die Hauptziele der Verhandlungen, so Wiedmer weiter, seien die Minimierung der Schäden am Wald, die Garantie der weiteren traditionellen Waldnutzung der Lokalbevölkerung und ganz besonders – die Gegenleistung der Firma. Da müssten Fragen wie diese befriedigend beantwortet werden: Wie viele Arbeitsplätze werden für die Lokalbevölkerung geschaffen, wieviel Geld pro Kubikmeter Exportholz wird in einen Fonds eingegeben, welche Projekte der Lokalbevölkerung werden damit finanziert? Oft verlange die Lokalbevölkerung den Bau von Schulen, Krankenstationen und die Erstellung von Infrastrukturen, inklusive Strassen und Brücken - was im Prinzip die Aufgaben des Staates sind.

 

"Meist aber werden auch Massnahmen gegen die negativen Auswirkungen der Holzaktivitäten verlangt", so Wiedmer weiter, zum Beispiele gegen die Wilderei durch schwer bewaffnete Wochenendjäger aus den Städten, die dank der Erschliessung des Waldes durch die Forststrassen plötzlich überall jagen können. Dies wiederum verstosst  gegen die traditionellen Gesetze der Lokalbevölkerung.

 

Schliesslich werde die Firma verpflichtet, ein sogenanntes Social Mapping durchzuführen. Dazu bilde sie Vertreter der Lokalvölker aus, mit Computern und der Satellitennavigation GPS umzugehen und ihr ganzes Einzugsgebiet zu dokumentieren. "Selbst analphabetische Pygmäen lernen dank der Bildersprache des Computers schnell, all ihre Nutz-, Wert- und heiligen Bäume und Zonen aufzuzeichnen", erläutert der GfbV-Geschäftsführer. Diese Resultate würden auf die Karten der Holzfirma übertragen und zusätzlich vor der Nutzung im Wald markiert. Die Firma müsse dann diese Bäume stehen lassen oder beispielsweise heilige Gebiete mit Ahnengräbern in Frieden lassen.

Wiedmer fasst zusammen: "Das neue Vertrauensverhältnis, das aufgebaut werden soll, muss letztlich in politische Prozesse münden. Durch den Beweis, dass fortschrittliche Firmen, so hoffen wir, durchaus in der Lage sind, eine friedliche Nutzung des Waldes zum Vorteil aller Betroffener zu organisieren, soll der Widerstand der Regierung und gewisser Verbände gebrochen werden, der lokalen und insbesondere der indigenen Bevölkerung die grundlegenden Menschenrechte in Form neuer Gesetze oder angepasster Gesetzgebungen zu garantieren." Dies sei allerdings, räumt Wiedmer ein, "ein langfristiges Ziel".

Alles durchdringende Korruption

Tatsächlich läuft den Betroffenen und den Urwaldrettern nicht nur die Zeit davon, sie sind auch mit widerwärtigen Arbeitsbedingungen konfrontiert. Dies zeigt der WWF, der seit langem schon im Kongobecken engagiert ist, in Kameruns Hauptstadt Yaounde sein Afrika-Hauptquartier unterhält und in Ostkamerun Wildhüter bezahlt, von denen einige gemäss OnlineReports-Recherchen vor Ort mit den Wilderern gemeinsame Sache machen. Die allgegenwärtige Korruption in Kamerun soll nun ebenfalls das von den Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung USAID mitunterstützte WWF-Hauptquartier infiziert haben.

Aus gut unterrichteter Quelle wurde OnlineReports.ch die vorläufige Suspendierung des für Kamerun zuständigen Direktors und weiterer vier Experten und Projektleiter mitgeteilt. Nebst anderem seien im Südwesten WWF-Gelder für den Schmuggel von Öl nach Kongo-Brazzaville verwendet worden. Um den Skandal aufzuklären, sei Georg Schwede, Projekt-Direktor des WWF International, mehrmals nach Kamerun geflogen. Nach mehrmonatigem Krisenmanagement, so die Informanten weiter, seien jetzt alle Verdächtigten wieder eingestellt, teils aber mit neuen Aufgaben betreut worden.

WWF will nichts von Korruptionsaffäre wissen

Es sei in keiner Weise zutreffend, von Korruption zu sprechen, versicherte Phil Dickie, Pressesprecher WWF International in Gland, gegenüber OnlineReports.ch. Eine Untersuchung sei zwar vorgenommen worden, doch habe diese "nichts Substantielles" ergeben. Dickie verwies dagegen auf die grossen und erfolgreichen Anstrengungen, die der WWF bereits im Zusammenhang mit der Rettung der Wälder im Kongobecken unternommen habe. Dennoch wurde der Organisation mit dem Panda-Logo in den letzten Jahren von ausgewiesenen Kennern der Region wiederholt vorgeworfen, bei konkreten und belegbaren Korruptionsfällen zu mauern oder bei der Aufklärung jede Zusammenarbeit zu verweigern - aus Angst auch, von der Regierung hinausgeworfen zu werden.

Wie auch immer: Die von den Behörden und Holzkonzernen praktizierte Korruption bleibt das grösste Problem in den Staaten des Kongobeckens. Kommt hinzu, dass die Verwirklichung des Konzepts "Free, Prior and Informed Consent" bei den bislang rücksichtslos Afrikas Wälder fällenden und zum Grossteil brutal auf Zeit spielenden Holzfirmen sehr viel Überzeugungskraft, sehr viel Energie und sehr viel Zeit braucht. Zeit, die kaum mehr zur Verfügung steht. Doch einfach zuzuschauen, wie die letzten artenreichen Urwälder des Kongobeckens nun zusätzlich auch von asiatischen Firmen flach gelegt werden, wäre nicht weniger verbrecherisch.

 

Bleibt einmal mehr die liebe Hoffnung: Durch eine rasche Umsetzung des neuen FPIC-Konzepts, verstärkt durch geläuterte und entschlossene Regierungen, die mit grosszügigen Finanzhilfen der reichen Staaten diese für die Menschheit überlebenswichtige Waldregion retten helfen. Die beste Lösung aber, die letzten noch intakten Urwälder überhaupt in Ruhe zu lassen, gilt seit längerem schon als "naiv" oder "unrealistisch".

 

Der ausführliche englische Bericht kann auf www.gfbv.ch und auf www.tropicalforests.ch heruntergeladen werden oder als Publikation bei der Gesellschaft für bedrohte Völker und der Stiftung Intercooperation (www.intercooperation.ch) bestellt werden.

 

Kommentar vom 6. November 2006 über Güte-Siegel und Tropenwald

 

 

18. Januar 2009

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