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"Man könnte auch die zweite Linie schliessen": Ciba-Geigy-Werkleiter Randegger

Ein Beseitigungs-Notstand mit durchaus erfreulicher Note

Zu wenig Müll, zu wenig Abwässer, zu wenig Schlamm: Der Rückbau der Chemieindustrie hinterlässt in der Region Basel anschauliche Spuren


Von Peter Knechtli


Der Rückbau der Basler Chemiekonzerne wird jetzt auch sichtbar: Sondermüll- und Schlammöfen, aber auch Kläranlagen kämpfen gegen Auslastungs-Notstand. Zur Debatte steht sogar die Schliessung ganzer Entsorgungsbetriebe. Durch die teuren Ueberkapazitäten ist ein Markt um Müll entbrannt.


In Blue Jeans und offenem Hemd begrüsste er Ende Juni vor dem Tor eines Stahlbetriebs gegen tausend Gäste zur rauschenden "Werkhallen-Party": Als Spitzenkandidat der Basler FdP-Nationalratsliste mobilisierte Polit-Newcomer Johannes Randegger mit Jazz und Grill wirkungsvoll Wählerstimmen.

Als Chef des Basler Ciba-Werkes akquiriert Randegger in letzter Zeit auch auf anderem Gebiet: Er verhandelt in Basel, Bern und Stuttgart mit Managern und Ministerien um Müll. Sein Problem: Die teure Infrastruktur zur Entsorung von Sonderabfällen und Industrieabwässern sind miserabel ausgelastet.

Müll-Markt im Entstehen

Was sich noch vor wenigen Jahren niemand vorzustellen wagte, wird Tatsache: Der Rückbau der Basler Chemie zu einem Spezialitätenstandort hat so gravierende Auswirkungen auf die Entsorgungs-Anlagen, dass ein eigentlicher Müll-Markt im Entstehen begriffen ist.

Das brisanteste Beispiel ist der neue "regionale Sondermüllofen", der - wegen mechanischen Defekten am Verschluss mit leichter Verspätung - im September kommerziell in Betrieb gehen soll.

Das jährlich 16'000 Tonnen fressende Prunkstück zeitgenössischer Giftverbrennung, von Ciba geplant und betrieben, ist erst gut zur Hälfte ausgelastet. Die Lieferantenpartner aus den übrigen Chemiekonzernen und den beiden Basler Halbkantonen haben allergrösste Mühe, ihre zugesicherten Kontingente herbeizuschaffen. Kapazitäten für mindestens 6'000 Tonnen sind noch zu vergeben.

Hilfe aus Baden-Württemberg

Erste Hilfe verspricht sich Ciba vom benachbarten Bundesland Baden-Württemberg. Eine zum Rahmenvertrag "über die Lieferung von Sonderabfällen zur thermischen Behandlung" erhobene Absichtserklärung liegt zwar vor. Doch wieviel Abfall aus dem Ausland zum Entsorgungspreis zwischen 2'000 und 4'000 Franken pro Tonne nach Basel geliefert wird, "wissen wir dieses Jahr noch nicht", sagt Ciba-Sprecher Patrick Kaiser.

Nicht nur für Sondermüll, auch für industrielle Abwässer und Schlamm sind in den letzten 15 Jahren Entsorgungsanlagen aufgebaut worden, die damals zwar als nötig und angemessen schienen, sich heute aber teure Investitionsruinen erweisen.

Freie Kapazitäten

Die 1982 eröffnete Chemiekläranlage Ciba/Roche in Kleinbasel - die grösste ihrer Art in der Region - bietet heute freie Kapazitäten in Höhe von gegen zwei Millionen Kubikmetern Abwässer. "Das ist rund ein Drittel der bereitstehenden Leistung", weiss Heinz Frömelt, Leiter der gemischtwirtschaftlichen Betreiberin "Pro Rheno".

Solch kostenfressende Ueberangebote sollen nicht länger ungenutzt bleiben. Konnten sich die Entsorger früher des Mülls kaum erwehren, gehen sie neuerdings dafür auf Einkaufstour. "Wir bieten diese Kapazität zu konkurrenzfähigen Bedingungen an", frohlockt Frömelt, der vor allem Industriebetriebe der näheren Umgebung - auch aus der badischen Nachbarschaft - als potentielle Neukunden angeln möchte.

Als interessantester Partner erscheint ihm die linksufrige Konkurrenz Sandoz, die ihre Abwässer gleich jenseits der Landesgrenze in der firmeneigenen Reinigungsanstalt der elsässischen Gemeinde Hüningen entgiftet. Dabei möchten sich die Abwasserplaner den Bau der Nordtangente nutzbar machen: Ein ohnehin projektierter Leitungstunnel unter dem Rhein könnte zusätzlich die Sandoz-Fracht mitführen und ins gemeinsame Klärwerk von Ciba und Roche einleiten.

Aus Abwasserflut wurde Rinnsal

Aus ersten Gesprächen mit Sandoz gewannen Frömelt und Ciba-Chef Randegger den Eindruck, "unser Angebot sei aufmerksam zur Kenntnis genommen worden". Tatsächlich scheint Sandoz an der Offerte der Kollegialfirmen nicht uninteressiert zu sein, wie Firmensprecher Dagobert Cahannes bestätigte: "Wir bieten Hand zu einer regionalen Lösung, wenn sie finanziell und sicherheitstechnisch Sinn macht."

Der Grund ist einleuchtend: Auch der zweitgrösste Basler Chemiekonzern hat ein erfreuliches Klärproblem. Die einstige Abwasserflut der vor erst 15 Jahren eröffneten Sandoz-Kläranlage scheint zum Rinnsal zu werden. Bereits ruht eine der drei Reinigungsstrassen. "Theoretisch könnte man sogar auch die zweite Linie schliessen", sagt Sprecher Cahannes. Ciba-Entsorger Randegger wagt noch einen Schritt weiter zu denken: Würden diese Restwassermengen künftig in seiner Anlage jenseits des Rheins gereinigt, "dann könnte die ganze Sandoz-ARA stillgelegt werden".

Zwei Entwicklungen haben die Müll-Lawine aus den Chemiefabriken zum Schmelzen gebracht. Zum einen machen sich unter den Pharmafirmen die Produktionsverlagerungen ins Ausland ebenso bemerkbar wie Umstrukturierungen ganzer Konzernbereiche, beispielsweise der Verkauf des Sandoz-Chemikaliengeschäfts. Die Auswirkungen spüren alle Entsorgungsanlagen der Region. Als Ciba die Farbenproduktion aus Schweizerhalle abzog, reduzierte sich ihre Abwassermenge in der Chemie-ARA von Pratteln BL schlagartig um ein Drittel.

Auch Verbrennungsanlagen haben Ueberkapazitäten

Zum andern tragen aber auch die firmeninternen Sparanstrengungen Früchte: Die Betriebsleiter werden nicht nur an den gemeinsam erarbeiteten Zielvorgaben gemessen, die ökologisch relevanten Abfälle werden ihnen auch in Rechnung gestellt. Branchenvertraute schätzen, dass die Einsparungen je zur Hälfte auf Umstellung oder Auslagerung der Produktion und auf reale Sparerfolge zurückzuführen sind.

Der Auslastungs-Notstand am Ende der Produktionskette wirkt sich mit Domino-Effekt aus: Als Folge stark verringerter Abwassermengen leidet auch das halbe Dutzend Klärschlamm-Verbrennungsanlagen in der Region unter teuren Ueberkapazitäten - bis 40 Prozent. Basler Klärspezialisten gehen davon aus, dass durch eine regionale Koordination des Entsorgungswesens auch Schlamm-Oefen stillgelegt werden könnten.

Klärschlamm auf den Feldern

Wie die gähnenden Löcher beseitigt werden könnten, wollte Pro Rheno zusammen mit dem Baselbieter Amt für industrielle Betriebe in einer grenzüberschreitenden Umfrage unter allen Schlammproduzenten am Oberrhein erfahren. Das Ergebnis der Erhebung ist ernüchternd: Vor allem die kleinen Klärbetriebe zeigen keinerlei Lust, ihre vergifteten Schlämme zum Tonnenpreis von 1'000 Franken zu verbrennen. Sie ziehen es vor, die fragwürdigen Rückstände zu 200 Franken pro Tonne über die Felder zu versprühen.

Für Sachbearbeiter Christoph Bitterli von der Bau- und Umweltschutzdirektion besteht jedoch kein Grund zur Besorgnis, denn das Ende der unkontrollierten Feld-Entsorgung sei in Sicht: Laut eidgenössischer Stoffverordnung dürfen in der Landwirtschaft ab 1997 nur noch hygienisierte Schlämme ausgebracht werden.

Ein Lichtblick Johannes Randegger: Spätestens dann dürfen die unterbelegten Oefen mit neuer Kundschaft rechnen.

27. Juni 1995


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