© Fotos by Christof Wamister, OnlineReports.ch
"Behindertengerechtigkeit fordert Tribut": Neue Teichanlage
Wiedereröffnung der Merian Gärten, wenn die Pfingstrosen blühen
Umbau des Botanischen Gartens Vorder Brüglingen: Natur und Gartenkultur sind jetzt klar getrennt
Von Christof Wamister
Seit mehr als einem Jahr sind die Merian Gärten im Bereich Vorder Brüglingen für das Publikum nicht zugänglich. Die Erneuerung und Neugestaltung, die zu reden gab, ist in vollem Gange. Aber die neuen Konturen zeichnen sich bereits ab: weniger romantisch im Kernbereich, geprägt von einem funktionellen Gestaltungswillen.
"Der botanische Garten Vorder Brüglingen wird umgepflügt": So titelte OnlineReports vor etwas mehr als einem Jahr. Vor der Präsentation des Projektes "Neugestaltung der Merian Gärten in Vorderbrüglingen" berichteten in der Folge auch andere Medien und liessen kritische Stimmen zu Worte kommen.
Hans-Peter Ryhiner, der frühere Direktor der legendären Gartenschau "Grün 80", zeigte sich in der "BZ Basel" entsetzt, dass gemäss der ersten Planskizze der ganze Kanal oder Teich mit seiner Sichtachse auf die Merian-Villa verschwinden sollte. Soweit kam es dann nicht.
Vor dem geschlossenen Tor
Doch seit Ende September des letzten Jahres wird in Vorder Brüglingen gearbeitet, und das in einem Ausmass, dass der ganze nördliche Bereich der Merian Gärten aus Sicherheitsgründen für das Publikum geschlossen werden musste. Trotz Information stehen immer wieder Parkfreunde vor dem geschlossenen Tor des Eingangs auf der St. Jakob-Seite und müssen auf den zum Brüglingerhof führenden, etwas monotonen Asphaltweg ausweichen, um in die Gartenanlagen von Unter Brüglingen zu gelangen.
Die Merian Gärten sind eben ausserordentlich beliebt, und die Christoph Merian Stiftung (CMS) leistet damit einen wichtigen Dienst an der Öffentlichkeit, was von einer öffentlich-rechtlichen Stiftung natürlich auch erwartet wird. Für "Naturförderung", das heisst die Merian Gärten, gibt die CMS gegen vier Millionen Franken pro Jahr aus, das Projekt Vorder Brüglingen ist mit 6,7 Millionen Franken budgetiert.
Marode Wasserleitungen
Bei etwas mehr als der Halbzeit sind einzelne Gartenabschnitte praktisch fertigestellt, anderes befindet sich noch im Rohzustand oder in den Fundamenten. Davon konnte sich OnlineReports anlässlich eines Rundgangs mit Bettina Hamel, Leiterin der Merian Gärten und Katharina Schmidt, Projektleiterin Entwicklung bei der CMS, überzeugen. Bettina Hamel nennt einige Schwerpunkte des Erneuerungskonzepts: "Sortenvielfalt, Biodiversität, Wasser und Infrastruktur."
Die Totalsanierung mit Schliessung war nur schon wegen des maroden und bis zu 80 Jahre alten Bewässerungssystems notwendig. Zum Zeitpunkt unseres Besuches musste auch noch ein Schaden an der Hauptleitung zum Hofgut Brüglingen behoben werden, wenn auch ausserhalb des Projektperimeters. Für das zukünftige Bewässerungssystems soll möglichst wenig Trinkwasser, sondern Regen- und Zisternenwasser verwendet werden.
Bereits fertiggestellt respektive renoviert ist der Kinderspielplatz mit Kletterburg gleich neben der Berri-Scheune. Er ist als einzige Attraktion auf einem gesonderten Weg bereits erreich- und benützbar.
Wege zu den Pflanzenstandorten
Die Wege werden nicht neu gelegt, aber das Wegsystem soll plausibler werden, "so dass die Besucher intuitiv alle Hauptattraktionen finden", wie es Bettina Hamel formuliert. Ein Signalisations- und Informationssystem wird ergänzend eingesetzt. Im Nordabschnitt findet man neben diesen Wegen bereits neu fertig gestellte Pflanzenstandorte: die oval angelegten Beete für die Pfingstrosen (kleines Bild), Beete für die Schneeglöckchen und Spaliere aus Metall für Clematis und andere Kletterpflanzen.
Am südwestlichen Hang wird das neue Konzept der Trennung von Gartenraum und Naturraum besonderes deutlich. Die Zier- und Trockenpflanzen sind ausgeräumt und werden in der Ebene neu angepflanzt. Darauf verlegtes Schnittgut aus der Reinacher Heide soll durch seine Samen Pflanzenarten aus der Region wachsen lassen. Ein Biotop mit einem kleinen Weiher verstärkt den naturnahen Eindruck. Dieser wurde aus dem Zierpflanzenbereich umgesiedelt und vergrössert.
Herzstück wird weniger romantisch
Nun zum populären Herzstück der Gartenanlage, dem Kanal. Im Wettbewerb wurde aus vier Projektstudien ausgerechnet jene (Fontana Landschaftsarchitekten) ausgewählt, das den Kanal eliminierte. CMS-Direktor Beat von Wartburg erklärte am Rande der Projektpräsentation im vergangenen Jahr, dass das für ihn nie in Frage gekommen sei. Bettina Hamel erläutert: "Wir haben uns für das Projekt Fontana entschieden, weil deren Grundidee von der räumlichen Trennung von Natur und Gartenkultur, kombiniert mit einem schlüssigen Wegnetz und der geschickten Positionierung der Sammlungen uns am meisten überzeugt hat."
Auch angesichts des noch unfertigen Zustandes ist jetzt schon sichtbar, dass die Kanal- oder Teichanlage ihren früheren romantisch-altmodischen Charakter nicht mehr wiedererlangen wird. Verschwunden sind der Götterbaum und die Bogenbrücke über das Kanälchen. Sie ist einer rollstuhlgängigen Balkenbrücke gewichen.
Die Anforderungen an die Behindertengerechtigkeit fordern auch in Vorder Brüglingen ihren Tribut. Der breitere Teil des Zierkanals wird nicht mehr von Kopfsteinpflaster, sondern von hellen Steinplatten eingefasst.
Bestehen bleibt das Kopfsteinpflaster zwischen den Hofgebäuden. Es werden aber Wegstreifen mit einzementierten Wackensteinen erstellt, damit sich jedermann stabil bewegen kann. Erst in Ansätzen erkennbar ist der Kernbereich zwischen der Neuen Scheune mit Restaurant und den Glashäusern. Hier ist gemäss Plan auch ein grosser Standort für Kübelpflanzen vorgesehen.
Völlig umgestaltetes Zentrum
Der Irrgarten ist verschwunden, und es entsteht ein neuer Holzpavillon für den Gartenbetrieb. Die Glashäuser erhalten bruchsichere Dächer. Die Besucher sollen einen Einblick in die Arbeit der Gärtnerinnen und Gärtner erhalten und dürfen auch nach bestimmten Spielregeln die Gewächshäuser betreten.
Der Nutzpflanzengarten in Vorder Brüglingen wurde aufgehoben. Seit 2012 können alte Schweizer Kultursorten im vom Verein Pro Specie Rara mitgestalteten Garten in Unterbrüglingen besichtigt werden. "Exoten wie Kaffee oder Kakao überlassen wird dem botanischen Garten der Universität", sagt Bettina Hamel.
Ausblick nach Süden
Die Neue Scheune, von der nur noch die Aussenhülle historische Substanz ist, wird nach den Plänen des Architekturbüros Miller & Maranta umgebaut, mit einem komplett sanierten Festsaal und einer Aussichtsterrasse mit Treppe in Richtung Süden. Ein markantes optisches Signal sind die Sitzterrassen aus hellem Beton am Rande des Fuchsienhangs, die das Herz der Anlage gegen die Hanglage zu abschliessen.
Es gibt noch viel zu tun in Vorder Brüglingen, bis dieser Teil der Merian Gärten im Mai oder Juni 2022 wieder für das Publikum offen steht – dann, wenn die Pfingstrosen blühen. Die Naturfreunde werden vermutlich noch etwas Baustellen-Atmosphäre mitbekommen, denn Restaurant und grosser Saal in der Neuen Scheune werden ihren Betrieb gemäss Fahrplan erst im Oktober desselben Jahres aufnehmen.
10. November 2021
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