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"Labiles Pflänzchen": Kleinbasler Gemeinschaftsgarten Landhof
Landhof-Garten: Von der Experimentier-Phase zum Dauerzustand
Der Kleinbasler Gemeinschaftsgarten befindet sich – trotz Rückschlägen – im Aufbruch / Mehr Aktive gesucht
Von Monika Jäggi
Der Basler Gemeinschaftsgarten Landhof war ursprünglich nur als zweijährige Zwischennutzung gedacht. Doch nun startet er mit einem neuen Jahresprogramm in seine vierte Saison. Das Pionier-Projekt urbaner Landwirtschaft, das sich zu einem permanenten Garten- und Begegnungsort entwickelte, durchlebte in dieser Zeit auch schwierigere Phasen.
Der Medienhype ist allgegenwärtig: Über Stadtbienen, Gemeinschaftsgärten und Gemüsefarmen auf dem Dach wird geschrieben, was der Griffel hergibt. Die urbane Landwirtschaft bietet dankbare Foto- und Filmsujets – bunt, farbig und oft dramatisch.
Die grosse Publizität und die Realität bezüglich Umsetzung und Nachhaltigkeit der urbanen Gartenprojekte klaffen jedoch noch oft auseinander: Was die urbane Landwirtschaft charakterisiert, ist ihr temporärer Charakter. Meist nur als Zwischennutzung auf Baubrachen geduldet, müssen die Projekte nach einigen Jahren wieder weichen. Damit verschwinden auch erworbene Pflanzen-Kenntnisse und neue soziale Beziehungen unter den Bewirtschaftenden.
Urbane Landwirtschaft als Nischenaktivität
Das ist auch in Basel nicht anders. Noch fristet die urbane Landwirtschaft in dieser Stadt ein Nischendasein. Die verschiedenen Pflanzplätze sind vorerst farbige Tupfer im Stadtbild – die auch verschwinden können. Die Rasenfläche in der St. Johanns-Vorstadt beispielsweise, die 2012 in einer Nacht-Aktion mit Gemüse bepflanzt wurde, existierte nur während einer Saison.
Zwar gibt es die Uni-Gemeinschaftsgärten auf dem Freizeitgartenareal "Milchsuppe" und im Garten der "Mission 21" oder die Lebensmittelgemeinschaft im Kleinbasel. Weitere Projekte werden gemäss der Website des Vereins "Urban Agriculture Basel" (UAB) unterhalten. Aber verankert ist die urbane Landwirtschaft in in Basel noch nicht.
Landhof-Garten soll vergrössert werden
Als Anker könnte sich jedoch der Kleinbasler Gemeinschaftsgarten Landhof entwickeln. Der vom Verein "Urban Agriculture Basel" in Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei Basel 2011 aufgebaute Garten war als Zwischennutzung während zwei Jahren geplant. Jetzt beginnt bereits die vierte Gartensaison. Der Entscheid des Bau- und Verkehrsdepartements im Mai letzten Jahres, das Projekt "stranger
than paradise" für die Neugestaltung des Landhof-Areals zu berücksichtigen, war auch ein Entscheid für den Verbleib des Gemeinschaftsgartens auf dem Landhof-Gelände.
Sah das Siegerpojekt zum Entsetzen der Gemeinschaftsgärtner die Verschiebung des Gartens an die Stelle des Spielplatzes hinter dem Stadion vor, hat sich nun die Standortfrage des Gartens geklärt: Er wird weiterhin im nordwestlichen Zipfel des Geländes bewirtschaftet.
Und es kommt noch besser. Der Garten soll vergrössert und die ehemaligen Garagen, wo sich das Landhof-Gartenteam heute zu Sitzungen trifft und wo Werkzeuge und Saatgut lagern, sollen nach den Vorstellungen der Stadtgärtnerei abgerissen werden. Das bestätigte Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei Basel, gegenüber OnlineReports. "Wir möchten aber eine Ersatzlösung realisieren", versichert er.
Gemeinschaftsgarten: "Zu wenig Leute"
Die Stadtgärtnerei scheint also ausreichend Erfahrungen mit dem gemeinschaftlichen Gärtnern gesammelt zu haben, dass sogar der Schritt zur Gartenerweiterung angedacht ist. Noch vor vier Jahren, als der Garten eröffnet wurde, bedauerte Brigitte Löwenthal von der Abteilung Grünplanung der Stadtgärtnerei im Gespräch mit OnlineReports, dass in Basel die Erfahrung von Gemeinschaftsgärten als Teil der nachhaltigen Stadtentwicklung noch fehle.
Trotzdem warnt Trueb heute vor zuviel Optimismus: "Der Gemeinschaftsgarten ist ein labiles Pflänzchen. Ohne die Unterstützung der Stadtgärtnerei droht das Pflänzchen zu verwelken. Die Initiative für den Gemeinschaftsgarten hängt an zu wenig Leuten. "
Essbare Unkräuter und neues Gewächshaus
Diesen Sommer wird dort voraussichtlich allerdings noch nichts verwelken. Mit der Aussicht auf eine permanente Pflanzfläche und ausgerüstet mit einer mehrjährigen Erfahrung im gemeinschaftlichen Gärtnern, legt das Landhof-Gartenteam für 2014 erstmals ein Ganzjahresprogramm vor. Darin findet sich viel Anregendes – von regelmässigen Gartenführungen über Kompostier-, Saatgut- und Permakulturkurse bis zur Sommerserie "Essbare Unkräuter" oder einem Kochkurs für die vegane Küche. Gekocht wird mit frischen Zutaten aus dem Garten.
Auch das gemeinsame Singen kommt nicht zu kurz, ebensowenig wie ein Angebot zur Haltbarmachung von Sirup. Handwerklich Begabte lernen ein Gewächshaus aus Abfallholz der Messen Basel für die Setzlingsanzucht bauen. Der Kurs "Pflanzensaft gibt Pflanzenkraft: Jauchen aus dem eigenen Garten" lässt allerdings noch Fragen offen.
Motivation lag im Keller
Ganz so neu sind diese Angebote jedoch nicht. Seit dem Bestehen des Gartens gab es Führungen und Workshops, nur wussten die Wenigsten davon. Erfahren hat man davon durch Zufall. Neu ist, dass das zehnköpfige Team mit seinem Programm an die Öffentlichkeit gelangt. "Wir wollen damit erreichen, dass unser Weiterbildungsangebot im Garten bekannt wird", erklärt Bastiaan Frich, Mitbegründer des Gartens und Co-Präsident von UAB. Er gibt sich selbstkritisch: "In den ersten Jahren waren unsere Veranstaltungen etwas chaotisch organisiert, und wir haben viel Zeit aufgewendet, um uns abzusprechen. Mit dem Jahresprogramm werden wir entlastet."
Damit scheint das Team die Experimentierphase der ersten Jahre beenden zu wollen – dies auch, nachdem die letzte Gartensaison nicht optimal verlief und die Motivation im Keller war. Zuerst spielte das schlechte Wetter nicht mit, dann frassen die Schnecken noch das letzte Grünzeug weg: Der Garten sah entsprechend aus. Kam dazu, dass Frich, charismatisch und im Garten mit seinem Know-how fast ständig präsent, nicht mehr immer anwesend war.
Jahresprogramm als PR-Strategie
Dafür nehmen inzwischen andere seinen Platz ein, zum Beispiel die Anwohnerin Regula Kern (Bild). Die Textildesignerin ist seit der Eröffnung gärtnerisch aktiv. Seither hat sie den Permakultur-Grundkurs und auch den Samenbaukurs bei ProSpecieRara abgeschlossen: "Der Garten hat mir Ansporn gegeben, diese Kurse zu machen. Hier
kann ich das Gelernte anwenden." Für Kern, die diesen Sommer einen Kurs zum Thema Saatgut geben wird, ist das neue Programm Strategie: "Wir wollen mehr Leute in den Garten bringen."
Hugo Hanbury wiederum, zurzeit mit seinem Masterstudium in Soziologie und Geschichte an der Universität Basel beschäftigt, beteiligt sich seit 2012 im Gemeinschaftsgarten. Er wird den Landhof-Pflanzplätz mit öffentlichen Vorträgen zu den Problemen des globalen Ernährungssystem unterstützen. "Ich hoffe damit, den Garten vermehrt ins Bewusstsein der Städter zu bringen", erklärt er seine Motivation. Auch er wünscht sich mehr zupackende Hände. "Wir haben eine gute Basis, aber manchmal könnten wir mehr Unterstützung brauchen."
Mit dem Kursangebot verfolgen die Stadtbauern ein weiteres Ziel: "Wir erhoffen uns mehr Goodwill von den Behörden im Sinne einer langfristigen Zusicherung, so dass der Garten auch die nächsten fünf bis zehn Jahre existieren kann."
Langfristig, aber mit Vertragsregelung
Dem scheint nichts im Weg zu stehen. Auf die langfristige Nutzung des Gartens angesprochen, erklärt Emanuel Trueb, dass sich mit dem Umbau des Garten-Areals zwar Einiges ändern werde: "Es wird voraussichtlich eine Phase des Unterbruchs geben, denn der Zugang von der Riehenstrasse auf die Stehrampe im Landhof-Areal muss gebaut werden." Bis zur Wiedereröffnung 2016 brauche es zudem eine langfristige Regelung: "Wir überlegen uns, wie wir Strukturen schaffen können, so dass der Garten eigenständig funktioniert."
Der Stadtgärtnerei schwebt eine Vertragsregelung vor, wie sie in den Familiengärten gehandhabt wird, um dadurch eine Gleichbehandlung zu erreichen: "Wir würden den Garten mit einer einjährigen Kündigungsfrist verpachten – naheliegenderweise an denjenigen Verein, der den Garten aufgebaut hat."
CMS unterstützt, aber ohne Dauerengagement
Ähnlich argumentiert Lisa Eggenschwiler, Projektleiterin Natur Landwirtschaft & Umwelt der Christoph Merian Stiftung (CMS). Schon zum zweiten Mal nach 2012 unterstützt die CMS den Gartenbetrieb mit einem Beitrag von 10'000 Franken. "Der biologisch bewirtschaftete Gemeinschaftsgarten passt gut zu unseren landwirtschaftlichen Tätigkeiten," begründet Eggenschwiler das Engagement. "Der Garten bringt die Natur und gärtnerisches Wissen in die Stadt zurück."
Aber auch die sozialen Aspekte gelte es zu unterstützen: "Der Garten bereichert das Zusammenleben im Quartier und ist ein wichtiger Beitrag zur Quartier- und Stadtentwicklung". Die Stiftung sei offen für eine weitere Unterstützung, aber der Garten müsse langfristig selbstragend werden. "Wir wollen kein Dauer-Engagement", macht sie klar.
Permakultur – etwas zu intellektuell
Sind also alle zufrieden? Für Ruth Willfratt, Anwohnerin und Garten-Unterstützerin der ersten Stunde, ist der Garten eine Bereicherung: "Ich möchte ihn nicht mehr missen", sagt sie, die viele Landhof-Gärtnerinnen persönlich kennt. Aber: Im Gespräch mit OnlineReports vor drei Jahren fand sie die kreisförmig angelegten Permakultur-Beete zwar "kreativ, aber zu intellektuell". Dieser Meinung ist sie auch heute noch. Und: "Wir fühlen uns etwas ausgeschlossen."
Sie und ihr Partner würden gerne eigene Tomaten konventionell pflanzen und nach Lust und Laune gärtnern – nach der Arbeit und ohne Anleitung. "Da es sich jedoch um einen Permakultur-Garten handelt, braucht es spezielle Kenntnisse dazu. Es darf nur unter Anleitung gegärtnert werden." Ob sich ihr Wunsch nach einer eigenen Pflanzplätz hinter ihrem Wohnblock, erfüllen wird, ist offen. Ansonsten gebe es als Ausweg die Möglichkeit, einen Familiengarten zu pachten, sagt sie versöhnlich.
Link zum Programm
http://www.stadtgaertnerei.bs.ch/programm-2014_gemeinschaftsgarten-landhof.pdf
24. März 2014
Weiterführende Links:
"Lebendig, vielseitig und gut recherchiert"
Ich habe kürzlich den Artikel von Monika Jäggi "Landhof-Garten: Von der Experimentier-Phase zum Dauerzustand" auf Ihrem Newsportal gesehen. Spannend zu lesen, ein ebenso lebendiger wie vielseitiger und gut recherchierter Einblick in die aktuellen Entwicklungen rund um Erfahrungen mit urban farming in unserer Stadt. Besonders schätzte ich, dass in dieser aktuellen Berichterstattung alle wichtigen Akteure auftreten und zu Wort kommen.
Konstantin Bachmann, Basel