Kritik an Elsbeth Schneiders Nein zu Atom-Initiativen
Liestal, 25. April 2003
Die Baselbieter Sozialdemokraten üben Kritik an der Umweltschutzdirektorin Elsbeth Schneider (CVP), weil sie sowohl die AKW-Moratoriums-Initiative wie die schärfe Ausstiegs-Initiaitve ablehnt. Dies sei ein Verstoss gegen Verfassung und Gesetz. Darum bringt die SP-Fraktion des Landrates am 8. Mai eine Resolution ein, in der dem Volk die Annahme der Moratoriums-Initiative empfohlen werden soll. - Äusserungen der Baselbieter Energiedirektorin Elsbeth Schneider, "die sich "Solange wir die Sicherheit garantieren können..." • Fau Schneider, Sie lehnen sowohl die Atomausstiegs- wie auch die Moratoriumsinitiative ab - welches ist Ihr Motiv als Umweltschutzdirektorin? Elsbeth Schneider: Das Moratorium selber ist noch relativ harmlos. Aber es ist wirklich eine offene Frage, ob man funktionierende Atomkraftwerke vorzeitig, das heisst nach 40 Jahren, stilllegen soll oder nicht. Das führt immer wieder zu neuen Diskussionen. Ich meine, solange wir die Sicherheit garantieren können, braucht es hier keine Eingriffe. Letztlich resultieren aus einer solchen forcierten Lösung Mehrkosten für die Volkswirtschaft, weil nicht-ökonomische Gesichtspunkte plötzlich in die Wirtschaft eingreifen. Ohne Not, wie ich meine. Unsere Aufgabe ist es ja, sukzessive für Alternativstrom zu sorgen. Daran arbeiten wir! • Besteht nicht ein Widerspruch zwischen Ihrer ablehnenden Haltung und dem Atomschutz-Artikel der Kantonsverfassung wie auch den entsprechenden Gesetzesbestimmungen, das die Behörden zum Widerstand gegen Atomkraftwerke in der Region verpflichtet? Elsbeth Schneider: Das macht nur bei flüchtigem Hinsehen diesen Anschein. Der Kanton wirkt darauf hin, dass im Kanton oder in der Nachbarschaft keine neuen Kernkraftwerke entstehen. So ungefähr heisst es in der Verfassung. Und das gilt natürlich unverändert. In diesem Kontext - "Kaiseraugst" - ist der Artikel ja auch entstanden. | entgegen dem Verfassungsauftrag öffentlich für eine Ablehnung des Atomkraftmoratoriums und gegen den Atomausstieg einsetzt", seien für die SP Grund genug für eine landrätliche Stellungnahme zur Moratoriumsinitiative, heisst es in einem am Freitag veröffentlichten Communiqué. Nach SP-Meinung sei "der Volkswille und der Verfassungsauftrag im Baselbiet in dieser Frage eindeutig. Es befremdet daher ausserordentlich, wenn Regierungsratsmitglieder meinen, der Atomenergie nach 28 Jahren Widerstand in unserer Region nun noch ein Kränzchen winden zu müssen." Laut Verfassung und Gesetz sind die Behörden verpflichtet, sich gegen den Bau von Atomkraftwerken im Kantonsgebiet und in dessen Nachbarschaft zur Wehr zu setzen. Aus dieser Bestimmung und aus fünf klar atomkraftkritischen Abstimmungen seit 1978 im Baselbiet leitet die SP das Motiv ab, durch den Landrat eine Entschliessung zugunsten eines weiteren Moratoriums verabschieden zu lassen. Die Regierugnsrätin hatte sich im Rahmen der CVP-Delegiertenversammlung vom 10. April entsprechend geäussert. In einer ersten Stellungnahme erklärte Elsbeth Schneider gegenüber OnlineReports, sie sei auch gegen Atomstrom, halte aber "den gegenwärtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg für falsch". Zudem habe sie es abgelehnt, dem entsprechenden Komitee beizutreten. Dagegen gehören dem "Forum beider Basel für eine gesicherte Stromversorgung" die beiden FDP-Regierungsräte Adrian Ballmer und Andreas Koellreuter an, was im SP-Communiqué offenbar unbemerkt blieb. • Unter dem Co-Präsidium von Ständerat Hans Fünfschilling, Binningen, der Nationalräte Caspar Baader, Gelterkinden, Jean Henri Dunant, Basel, Hans Rudolf Gysin, Pratteln, Rudolf Imhof, Laufen, Paul Kurrus, Reinach, Johannes R. Randegger, Bettingen, und Nationalrätin Christine Wirz-von Planta, Basel, ist das "Forum beider Basel für eine gesicherte Stromversorgung" gegründet worden. Ihm gehören auch Adrian Ballmer und Andreas Koellreuter sowie rund 90 Parlamentarierinnen, Parlamentarier und "prominente Vertreter der regionalen Wirtschaft" an. • CVP-Kantonalpräsident René Merz schlug am Freitagnachmittag umgehend zurück: "Sozialdemokratischer Angriff auf die Meinungsäusserungsfreiheit", überschreibt er seine Stellungnahme. Das Atomschutzgesetz verlange von den Behörden nur, sich gegen den Bau von Atomanlagen zu wehren. Merz: "Die SP Baselland behauptet nun also allen Ernstes, dass wer sich gegen die Ausstiegs- und die Moratoriumsinitiative stark mache, sich automatisch auch für den Bau neuer Atomkraftwerke einsetze. Polemik à la Blocher pur." Auch Regierungsräte hätten "das Recht sich frei zu Abstimmungsvorlagen zu äussern, insbesondere dann, wenn es sich um Bundesvorlagen handelt." Der SP-Angriff sei "ein primitiver Versuch, eine profilierte und im Volk beliebte Regierungsrätin mundtot zu machen".
"Was ist an einer andern Meinung so schrecklich?"
Bevor Hansruedi Gysin noch kräftigere Worte hervor nimmt und noch wortgewaltiger um sich schlägt: Schauen wir uns das doch alles einmal ganz ruhig an. Die Baudirektorin äussert ihre Meinung. Darauf hin äussert die SP ihre Meinung und vertritt die Ansicht, wer die Baselbieter Verfassung in der Atomenergiefrage nach Sinn und Geist akzeptieren will, sollte sich nicht für ein zweimaliges Nein zu den Atominitiativen einsetzen. Ein Einsatz für die Moratoriums-Initiative wäre unseres Erachtens angezeigt. Die SP bringt diese Meinung in die politische Debatte ein. Daraufhin, meint Hansruedi Gysin, die SP mache eine "Befehlsausgabe" oder die SP missachte die persönliche Meinungsfreiheit, ja die SP mache Meinungsterror. Was ist denn daran so schrecklich, wenn wir eine andere Meinung haben als Sie Herr Gysin? Ihre Meinung ist nicht die Meinung aller BaselbieterInnen. Als guter Demokrat habe ich damit keine Mühe, Sie anscheinend schon. Beide dürfen wir sagen und meinen, was wir wollen. Schön, wenn Sie das verstehen.
Eric Nussbaumer, SP-Kantonalpräsident, Frenkendorf
"Die SP-Politik verdient die knallrote Karte"
Es ist kaum zu glauben: Da stellt doch tatsächlich die SP Baselland neuerdings die Forderung an die Baselbieter Regierung, diese müsse sich im Hinblick auf die beiden Atom-Initiativen, die am 18. Mai zur Abstimmung kommen, klar zugunsten des Ausstiegs und des Moratoriums entscheiden, sich also den Parolen der Linken beugen. Abgeleitet wird dieser unglaubliche Anspruch mit einem Verweis auf Baselbieter Verfassungs-Texte, welche die Regierung zu dieser Haltung zwingen würden. Offensichtlich hat es die SP Baselland vor ihrer «Befehlsausgabe» unterlassen, den einschlägigen Verfassungstext genau zu lesen. Dort steht nämlich in Paragraf 115, Absatz 2: «Der Kanton erlässt ein Konzept, das die Grundsätze der kantonalen Energiepolitik enthält. Er wirkt darauf hin, dass auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft keine Atomkraftwerke nach dem Prinzip der Kernspaltung, Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe und Lagerstätten für mittel- und hochradioaktive Rückstände errichtet werden.» Wie die SP Baselland aus diesem Text eine Pflicht zur Befürwortung der beiden Atom-Initiativen ableiten kann, ist schlicht unbegreiflich.
Ich bin der Letzte im Kanton, der im Rahmen einer politischen Ausmarchung nicht auch Verständnis für «harte Bandagen» hat. Ebenso akzeptiere bzw. achte ich strikte andere politische Haltungen und Meinungen. Was sich die Baselbieter SP mit ihrer Kritik an Regierungspräsidentin Elsbeth Schneider sowie an den Regierungsräten Adrian Ballmer und Andreas Koellreuter jetzt leistet, verdient hinsichtlich Demokratieverständnis und Achtung der persönlichen Meinungsfreiheit ganz klar die knallrote Karte. Eine derartige Entgleisung, die als unhaltbarer Versuch gewertet werden muss, einer missliebigen Meinung den moralinsauren Maulkorb zu verpassen, ist einer den demokratischen Grundsätzen verpflichteten Regierungspartei unwürdig. Getadelt werden muss nicht die Haltung der bürgerlichen Regierungsmitglieder, sondern der als Meinungsterror zu wertende Versuch der Baselbieter SP, mit an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen anderen Menschen die eigenen politischen Dogmen aufzuzwingen.
Hans Rudolf Gysin, Nationalrat, Pratteln
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