"Auslastungsgrad muss auf 60 Prozent und darüber steigen"
Basel, 10. Dezember 2005
Den Rücktritt des Verwaltungsrates des Theaters Basel und von Direktor Michael Schindhelm fordert SVP-Grossrat Joel A. Thüring (Bild). Der Verwaltungsrat weigert sich, die Sparvorgabe von 3,5 Millionen Franken umzusetzen, und beharrt auf einer Einsparung von nur 2,5 Millionen Franken. Thüring, nach eigenem Bekunden kein Theater-Besucher, reichte eine Interpellation ein, in der er sich unter anderem nach der "eklatant schwachen Zuschauerzahlen und die damit verbundene zunehmende Bedeutungslosigkeit des Theaters" erkundigt.
OnlineReports: Sie fordern den Rücktritt den Rücktritt des Theater-Verwaltungsrates. Welches ist der Grund?
Joel A. Thüring: Der Theater-Verwaltungsrat hat es offenbar unterlassen, sich in den Gesprächen mit dem Regierungsrat kooperativ zu zeigen und lehnt eine konstruktive Verhandlung weiterhin ab. Mit der Weigerung der Unterschrift unter den Subventionsvertrag ist der Verwaltungsrat nicht mehr tragbar.
OnlineReports: Welchen minimalen Auslastungsgrad im Theater Basel halten Sie für zwingend? Derzeit liegt er, je nach Quelle, bei 43 bis 47 Prozent.
Thüring: Langfristig sollte der Auslastungsgrad bei 60 Prozent und mehr liegen. Alles andere rechtfertigt keine solch hohen Subventionen und ist gegenüber den Steuerzahlenden des Kantons nicht zu verantworten.
OnlineReports: Könnten Sie sich auch eine Abschaffung des Theaters Basel vorstellen?
Thüring: Dies steht für mich nicht im Vordergrund. Grundsätzlich wäre es aber zu begrüssen, wenn sich auch für das Theater Basel vermehrt private Institutionen und Trägerschaften einsetzten. Dies würde die Staatskasse entlasten und könnte dem Theater auch noch Tore öffnen.
OnlineReports: Erkennen Sie im Theater Basel einen bedeutenden kulturellen Wert?
Thüring: Aufgrund des Überangebots an Kultur im Raum Basel und dem künstlerischen Versagen von Direktor Schindhelm hat das Theater Basel in den letzten Jahren massiv an Wichtigkeit eingebüsst und hat heute nicht mehr eine solch bedeutende Rolle wie in anderen Jahrzehnten. Aufgrund dieser Tatsache stellt sich die Frage eines umfassenden Kulturkonzeptes, das Sinn und Zweck aller subventionierten Kultur-Institutionen darlegt.
OnlineReports: Wen konkret machen Sie für die Verhärtung des Spar-Streits verantwortlich?
Thüring: Die Hauptverantwortung trägt im finanz- und personalpolitischen Bereich der Theater-Verwaltungsrat, der es offenbar verpasst hat, einen klaren "Business-Plan" mit den schon lange bekannten 3,5 Millionen Franken zu erstellen. Der Wille war auch bei Herrn Schindhelm nicht mehr vorhanden, da er bereits eine neue Stelle in Berlin angetreten hat. Daher stellt sich für mich auch weiterhin die Frage, inwiefern Herr Schindhelm seinen Verpflichtungen am Theater Basel im letzten Jahr noch nachgekommen ist, und inwiefern er eine Mitschuld am jetzigen Debakel trägt. Aus meiner Sicht ist eine Freistellung von Herrn Schindhelm unumgänglich.
OnlineReports: Ganz ehrlich: Wie häufig gehen Sie pro Jahr ins Theater?
Thüring: Ich gehe eher selten ins Theater und hatte in diesem Jahr noch keine Gelegenheit dazu. Das Programm entspricht nicht meinen kulturellen Wünschen und reizt mich nicht. Ich bin allerdings schon sehr früh mit dem Theater Basel in Kontakt gekommen, da mein Vater lange Jahre Chef-Requisiteur am Theater Basel war.
OnlineReports: Auch ganz ehrlich: Welches Stück haben Sie zuletzt gesehen?
Thüring: Diese Frage kann ich nicht beantworten, da es, wie gesagt, nicht in diesem Jahr war. Offensichtlich muss es nicht allzu gut gewesen sein, ansonsten wäre es mir wohl in Erinnerung geblieben. Überdies bevorzuge ich beispielsweise einen Besuch des Musical-Theaters.
"Politiker behaupten immer wieder Dinge, die nicht stimmen"
Fehlende Kenntnisse! Joel Thüring sei dieses Jahr noch an keiner Vorstellung des Theaters Basel gewesen und auch sonst gehe er selten ins Theater, lässt er uns mitteilen. Trotzdem weiss er, dass das Theater Basel in den letzten Jahren an Bedeutung eingebüsst habe. Ich staune immer wieder, wie Politiker Dinge behaupten können, die schlichtweg nicht stimmen. So wurden in den letzten Jahren immer wieder Vorstellungen des Theaters Basel an das Berliner Theatertreffen eingeladen und dort ausgezeichnet. Ebenfalls wurde das Basler Ballett zu einer Gasttournee nach China eingeladen. Ein guter Politiker zeichnet sich dadurch aus, dass er sich zu Themen verlautbaren lässt, die er beherrscht. Der populistische Politiker hingegen meint, er müsse sich zu allem äussern.
Stephan Gasssmann, Basel
"Abgerechnet wird nicht willkürlich"
Wonnig konsumiere ich die in höchstem Masse inspirierenden Äusserungen des designierten SVP-Geschäftsführers, "der die Partei, im Einvernehmen und Einklang mit Vorstand und Parteibasis, im administrativen und politischen Bereich gemeinsam mit dem Präsidenten führen und nach Rücksprache mit ihm und dem Vizepräsidenten gegen aussen vertreten wird" (Pressemitteilung SVP punkto neuer Vorstandsstruktur). Er macht, in seiner ihm eigenen Art von "Klartext" klar, dass auch in Zukunft verbale Rundumschläge, ohne auch nur den Hauch differenzierter Reflexion, der exklusive politische Inhalt der Basler SVP bleiben wird.
Obwohl ich gewiss auch nicht berauscht bin von der Qualität des Schindhelmschen Tuns (siehe Kritik auf OnlineReports), Fakt bleibt:
1. Verträge sind bindend.
2. Abgerechnet wird nach einer ganzen Rechnungsperiode - nicht willkürlich, wenn einem gerade mal so danach ist.
3. Mit Delnon kommen neue Ideen und eine neue Qualität.
4. 2,5 + 2,5 + 3,5 + 4,5 + 4,5 ist in der Summe - überraschend, aber wahr - gleich 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 ... höchst anspruchsvoll, ist mir klar. Doch wenn sich Herr Thüring das restliche Wochenende die Zeit dazu nimmt, das nachzurechnen, so kommt er möglicherweise gar zum gleichen Ergebnis. Wie auch immer: Er führt schon jetzt eindrücklich den Beweis, dass mit dieser Partei auch in Zukunft nicht seriös zusammengearbeitet werden kann.
Patric C. Friedlin, Basel