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Unruhe über geplanten Abbruch des Rosskopf-Häuschens
An der Rufacherstrasse in Basel steht ein ortsprägendes Häuschen an dessen Fassade gusseiserne Rossköpfe auffallen. Jetzt soll es abgerissen werden, was Anrainer schmerzt.
Basel, 21. Februar 2020
"Dieses Haus ist einzigartig in Basel und darf nicht einfach verschwinden", schreibt OnlineReports-Leserin A. B. wütend über das etwas zurückversetzte Kleinod an der Rufacherstrasse 73 in Basel West. Links und rechts über dem grosszügigen Eingang, durch den einst Pferde zum Beschlagen gingen, prangen zwei gusseiserne Rossköpfe, die daran erinnern, dass das Haus ursprünglich als Schmiede diente.
Die Köpfe "gleichen dem Kopf an der Rosshofmauer am Nadelberg wie ein Ei dem anderen", bemerkte Dominik Heitz, der "Stadtjäger" der "Basler Zeitung". Zwei kleine Rossköpfe flankieren auch das Eingangstor (kleines Bild).
Abbruch für Mehrfamilienhaus
Das Gebäude, das eine mächtige zweistämmige Pinie schmückt, wurde von Johann Schwarz im Jahr 1904 errichtet. Er hatte auch die Kaffeehalle "Waldrain" auf der Chrischona gebaut. Leserin A. B., die in der Nachbarschaft wohnt, hat das Haus ins Herz geschlossen: "Ich schaue es immer an, wenn ich daran vorbei gehe. Es verströmt den Charme vergangener Zeiten."
Jetzt ist das Domizil dem Tod geweiht, wie eine etwas diskret platzierte Baupublikations-Tafel des Bau- und Verkehrsdepartements zu erkennen gibt: Das Häuschen soll abgerissen und die Pinie gefällt werden und einem Mehrfamilienhaus-Neubau weichen. Als Bauherr zeichnet Felix Herzog aus Binningen.
Hübsch, aber nicht geschützt
Die staatliche Denkmalpflege hat sich gegen eine Aufnahme ins Inventar denkmalgeschützter Bauten entschieden. Als Argument vermutet Christof Wamister, Präsident des Heimatschutzes Basel, "die Nachbarbauten zur rechten Seite, die den Einzelbau zum Relikt eines ehemals intakten Strassenbilds degradiert haben".
Ob der Heimatschutz trotzdem Einsprache erheben wird, hänge auch – was jetzt geprüft werde – vom Qualitätsgrad des Neubauprojektes ab. Denkbar sei auch eine Wiedererwägung des Entscheids gegen die Unterschutzstellung, wie es bei den besetzten Häusern an der Elsässerstrasse der Fall war. Wamister weist auch darauf hin, dass das Haus "in unmittelbarer Nachbarschaft von Schutz- und Schonzonen mit hoher Wohnqualität liegt".
Denkmalpflege "nicht im Boot"
Thomas Lutz, der Leiter der Bauberatung der Kantonalen Denkmalpflege, bestätigte gegenüber OnlineReports, dass das Haus Rufacherstrasse 73 in einer "Ziffern-Zone" steht, in der keine Restriktionen bestehen. Weil die Liegenschaft nicht im Inventar verzeichnet ist, werde das Neubau-Projekt "auf ganz normalem baurechtlichem Weg beurteilt". Lutz: "Die Denkmalpflege ist da nicht mit im Boot."
"Soll das Quartier sammeln?"
Auf der Vorbereitung eines Stadtspaziergangs habe ich dieses besondere Haus entdeckt, das auch mir ans Herz gewachsen ist, obwohl ich im Nachbarquartier wohne und nicht oft vorbeikomme. Was soll der Besitzer machen, wenn er es eigentlich erhalten möchte, aber die Bausubstanz zu schlecht ist, um es mit normalem Aufwand sanieren zu können? Wenn eine neue Heizung, Solaranlagen, alles Sanitäre finanziert werden muss? Wäre das Quartier bereit, eine Sammelaktion zu starten?
Es ist wohl hier weniger die Frage einer grossen Rendite, sondern schlicht Geldmangel, da das Haus nicht der Wohnort des Besitzers ist.
Katja Hugenschmidt, Basel
"Genügen die aktuellen Schutzmechanismen?"
Das "Rosskopf-Häuschen" ist nur ein Beispiel für den aktuellen Verlust historischer Bausubstanz insbesondere aus der Zeit der Stadtentwicklung um 1900. Auf der Abbruchliste figuriert sogar ein barockes Landhaus im Hirzbrunnen. Wir erleben Eingriffe in die historische Bausubstanz, die frühere Boomphasen überstanden hat. Grund ist eine lukrative Verdichtung durch Abbruch und Neubau.
Es stellt sich die Frage, ob die aktuellen Schutzmechanismen für historische Bausubstanz genügen, und die Schutz- und Schonzonen und die Einträge ins Inventar schützenswerter Bauten nicht grundsätzlich aufgrund des Erneuerungsdrucks überprüft und erweitert werden müssten. Dies muss für den Kanton kein Verlust sein, denn die Steuereinnahmen aus denkmalgeschützten Gebäuden liegen bekanntlich über dem Durchschnitt.
Jost Müller Vernier, Basel
"Schleichende Zerstörungen"
Ein Dank an Steffi Luethi-Brüderlin für seine klaren Worte! Solche schleichende Zerstörungen von identitätsstiftenden Häusern oder ganzen Quartieren treffen wir landauf-landab an. Dann stehen wir plötzlich fassungslos vor so einem "Saubau" und fragen uns, welche "Bausau" diesen wohl hingestellt habe.
Beispiele vom Land: Gelterkinden. Da wurde die "Gelbe Fabrik" (ehemalige Seidenbandweberei) beinahe ganz plattgewalzt und daraus entstand dass potthässliche "Allmend-Center". Und ein paar Meter aufwärts dasselbe Elend: Das Ensemble des ehemaligen Restaurants "Baselbieter" mit seinem markanten Türmchen und die danebenliegende ehemalige Metzgerei Rickenbacher. Alles plattgewalzt!
Und heute? Ein grässlicher "Saubau" mit der dominierenden Raiffeisen-Bank drin, daneben Ladengeschäfte in nicht minder hässlicher Architektur bis zum trostlosen Waschbeton-Käfig der "Post CH". Und vor diesem ganzen Elend die scheussliche Mussolini-Architektur von Strassenraum-Gestaltung. Dieser Anblick würgt mich täglich.
Ueli Pfister, Gelterkinden
"Der Weisheit letzter Schluss?"
Das ist die Krux mit der Heimatverbundenheit: am 1. August Bekenntnisse zu Basel, zur Schweiz, mit Alphornklängen und Schweizerkreuz im roten Feld, ablegen, ist das eine. Das kostet wenig, am nächsten Tag kann wieder zur Tagesordnung über gegangen werden.
Die Verbundenheit mit Wohn- und Lebensort jedoch macht sich mit Menschen und mit vertrauten Strassenzügen fest. Ganze Ensembles, wie hier an der Rufacherstrasse zwischen Colmarerstrasse und St. Gallerring, aber auch einzelne spezielle Bauten, wie hier das Haus mit den charakteristischen Rossköpfen, machen ein Stück weit Identität, ja vielleicht könnte man sogar "Heimat" sagen, aus. Abreissen, entfernen: soll das wirklich der Weisheit letzter Schluss sein?
Steffi Luethi-Brüderlin, wohnhaft gleich um die Ecke der Rufacherstrasse, an der Colmarerstrasse 83, Basel