Kafkaeskes von "Sunrise": Das Ende des Kundendienstes
Basel/Opfikon, 28. März 2023
Es gibt nur wenig Ärgerlicheres als das, was die durchautomatisierten Digital-Konzerne als "Kundendienst" bezeichnen. Oft ist es sogar ein gefühltes Delikt: Diebstahl. Grotesker Zeitdiebstahl.
Diese Konzerne wollen mit uns Kunden nicht mehr reden, auf ihren Websites und Rechnungen fehlt oft eine Mail-Adresse, eine Telefonnummer ohnehin – und wenn nicht, dann werden wir Kundinnen und Kunden in die sattsam bekannten Telefonschlaufen geschleust und dort minutenlang hängengelassen.
Glasfaser-Modem, aber keine Glasfaser im Haus
Kürzlich befand sich eine Abhol-Einladung in meinem Geschäfts-Postfach. Am neuen Postschalter Rümelinsplatz (der ist auch nur noch bis elf Uhr geöffnet) nahm ich ein Paket in Empfang. Im Büro angekommen, entpuppte sich der Inhalt als ein neues Modem, das mir die Firma "Sunrise" zugeschickt hatte. Keine freundliche Voranmeldung, keine Angabe von Gründen für den Hardware-Austausch, keine Gebrauchsanleitung. Einfach ein Modem mit dazugehörendem Anschlusskabel.
Ich organisierte zwecks Anschliessens meinen langjährigen Berater Alex, der wenige Stunden später zuverlässig in der Redaktionsstube stand. Dort stutzte er: Das Modem war in unserer denkmalgeschützten, einst von Domherren bewohnten Liegenschaft nicht brauchbar. Es verlangte einen Glasfaseranschluss, doch unser Haus ist mangels Platz in den engen Leitungen nur koaxialverkabelt.
Also: Gepäckstück kommentarlos retour an die Opfikoner Sonnenaufgangs-GmbH. Das Porto habe ich selbst bezahlt, es aber in einem nachfolgenden Telefongespräch mit einer menschlichen Stimme, die Schweizerdeutsch nicht verstand und äusserst höflich war, zurückverlangt. Es wurde mir tatsächlich gutgeschrieben, sogar leicht aufgerundet.
Firewall zwischen Abteilungen
Doch der Herr am andern "Sunrise"-Ende war leider nicht in der Lage, mir zu erklären, weshalb ich in ein Glasfaser-Modem an ein Kupferkabel anschliessen müsste. Er liess mich dann noch etwas in der Leitung hängen, um sich – erwartungsgemäss ohne Erfolg – beim "Kollegen" einer andern Abteilung kundig zu machen. Die Erkenntnis aus diesem sinnlosen Dialog war niederschmetternd. Diese "Abteilungen" haben zwischen sich offenbar Firewalls hochgezogen.
Da weiss die eine Hand offensichtlich nicht, was die andere tut. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als einfach vor einem "Sunrise"-Menschen aus Fleisch und Blut zu stehen, der mir seine Hilflosigkeit von Angesicht zu Angesicht hätte gestehen können.
Wenige Tage später bat mich "Sunrise" per Mail um eine Einschätzung, wie wahrscheinlich es auf einer Skala von eins bis zehn sei, dass ich die Telekom-Firma meinen Freunden oder Kollegen weiterempfehlen würde. Ich nahm an der Befragung bewusst nicht teil, um nicht den fernen hilflos-freundlichen Kundenberater in Misskredit zu bringen.
Internet und Telefon ausser Betrieb
Kaum hatte ich mich von diesem kafkaesk anmutenden Modem-Spuk erholt, waren eines Morgens Festnetz und Internet ausser Betrieb. Freude herrschte in der gekappten Online-Redaktion! Jetzt der Griff zum Handy, um den "Sunrise"-Customer-Service zu alarmieren. Fazit: Obschon ich dem Kundendienst unsere Koxialkabel-Verhältnisse doch im Detail geschildert hatte, wurde unser Modem auf Glasfaser-Status umgestellt.
Die Dame am andern Ende des "Sunrise"-Drahtes klärte nun ab ("bleiben Sie dran, es dauert nur einige Sekunden"), bis schliesslich die erlösende Mitteilung folgte, dass mein Modem wieder auf Koaxial-Status umgestellt werde. Dies könne aber "einige Stunden" dauern. Tatsächlich: Am nächsten Morgen funktionierten Internet und Telefon wieder einwandfrei.
Wieder ein Päckli von "Sunrise"
Kürzlich lag wieder eine Abhol-Einladung in meinem Postfach. Es war ein Päckli von "Sunrise", in dem sich ohne Begründung oder Erklärung Kabel befanden, mit denen ich nun wirklich nichts anzufangen wusste. "Was ist das jetzt wieder!", schoss es mir durch den Kopf. Nach dem bisherigen ebenso sinn- wie endlosen Zirkus hatte ich nur ein Bedürfnis: von "Sunrise" endlich in Ruhe gelassen zu werden.
Doch was folgte? Eine "Sunrise"-Mail mit der Bitte um Leistungs-Bewertung. Denn: "Vor einigen Wochen haben wir Ihre Produkte auf unser aktuelles Produktportfolio umgestellt." Nein, bitte einfach nicht mehr. Es reicht. Behandelt mich endlich anständig wie einen Kunden. Die Umfrage ignorierte ich, weil die Bewertungs-Skala nur von ein bis zehn reicht. Ich hätte mich nach dieser endlosen Nullnummer ohne zu zögern für eine "minus zehn" entschieden.
Da lobe ich mir solide Handwerker
In solchen Augenblicken denke ich an solide Handwerker und KMU, die für einen ersten Tipp, eine erste Hilfe oder eine klärende Auskunft noch per Telefon direkt erreichbar sind. Die "Sunrise"-Oberen, die mit den Kunden nicht mehr kommunizieren, sondern nur noch verkaufen wollen, könnten mal bei diesen Gewerblern nachschauen, was wahre Kundendienst-Leistung ist.
Weiterführende Links:
- Sunrise (II): Statt 10 Fr. Gutschrift – 20 Fr. Strafgebühr
"Ich hätte auf 'PostFinance' getippt"
Würde da nicht ausdrücklich "Sunrise" stehen – ich hätte auf "PostFinance" getippt.
Peter Waldner, Basel
"Ausfall während fast einer Woche"
Den beschriebenen Ausfall hatten wir auch bei uns. Und zwar fast eine Woche lang! Wir kamen weder in die Cloud noch in den Server. Es war der Horror.
Das ist nun bereits das dritte Mal. Nach dem ersten Mal – damals dauerte es zwei drei Wochen (?!!!) – hatten wir und aussergerichtlich eine knapp fünfstellige Entschädigung erhalten.
Das Muster ist immer das gleiche:
• Es liegt nicht bei uns/Sunrise
• Stundenlanges Warten in einer Serviceschlaufe, bis man mit irgendjemandem – meist aus dem Ausland – verbunden wird
• Am Schluss liegt der Fehler nicht an den internen Installationen, sondern am von Sunrise gelieferten Modem (das erste Mal hatten sie einfach unseren Anschluss gekappt, da sie dachten, in diesem Haus ist niemand mit Sunrise-Vertrag ...)
• Wir haben hier im Hirshalm 47 in Riehen nicht nur die Geschäftsstelle von "metrobasel", sondern auch von der NPRG und der "ruweba kommunikation ag".
Regula Ruetz, ruweba kommunikation ag, Riehen
"Kundendienst à la SBB"
Am 20. März beschwerte ich mich beim Kundendienst der SBB über die Sauberkeit am Bahnhof Gelterkinden. Der Zugang inklusive Rampe war vermüllt und vor der einen Wartebank auf dem Perron lag der Mageninhalt eines nicht unbedingt fitten Wartenden. Man bedankte sich tags darauf von irgendwoher für die Rückmeldung "... und Ihren wertvollen Hinweis. Wir bedauern Ihren Ärger über die mangelnde Sauberkeit des Bahnhofs Gelterkinden. Sauberkeit im öffentlichen Verkehr ist ein zentraler Wert, da sind wir mit Ihnen vollkommen einverstanden."
Es ist nun Ende Frühlingsmonat und – die geneigte Leserschaft erahnt es – die Kotzete lag heute noch dort.
Eneas Domeniconi, Gelterkinden
"Groteske Erfahrungen mit Flugvermittler"
Ende Januar habe ich versucht, mich mit dem Flugvermittler "Opodo" in Verbindung zu setzen. "Opodo" schuldet mir rund 700 Franken. Das wollte ich ihnen mitteilen. Bis eine Telefonnummer im Netz auffindbar wurde, suchte ich mindestens 30 Minuten. Bis eine Person am Apparat war, nochmals etwa so lange. Das Gespräch wurde aus unerklärlichen Gründen unterbrochen. Nicht dass ich mich unfreundlich verhalten hätte. Überhaupt nicht. Der Grund bleibt unklar.
Die bereits vereinbarten Unterlagen, Einzahlungsbestätigung etc. habe ich postwendend per Mail zugestellt mit der Bitte um Rückruf und Angabe meiner Telefonnummer. Nichts geschieht! Nach zwei Monaten rufe ich nochmals an. Genau 25 Minuten warte ich vergebens auf eine Verbindung! Das ist eine halbe Ewigkeit am Telefon wartend. Auf das darauf folgende Mail habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Es sind inzwischen wieder fünf Tage vergangen.
Heute folge ich dem wiederkehrenden Wunsch: "Chatten Sie mit uns"!, obwohl ich dies fürchte.
Ich schreibe: "Opodo" hat mir 666.-Fr zuviel abgebucht.
Die Antwort: "Ich habe leider Deine Frage nicht richtig verstanden …"
Es folgen einige andere Themen, um das sich mein Anliegen drehen könnte, und der Knopf: "Sprache ändern."
Erneutes Anklicken des Wahlknopfes "anderes Thema".
Zwei Begriffe noch immer in deutscher Sprache stehen nun zur Auswahl. Ich klicke den zweiten an. Jetzt wird ungefragt ins Englische gewechselt!
Nun soll ich das Anliegen nochmals formulieren!
Anschliessend habe ich noch zu versichern, dass ich kein Roboter sei! Was für eine groteske Situation.
Postwendend soll ich alle Felder mit einer Ampel anklicken! Diese steht auf rot im Bild.
Der Versuch, den Bankbeleg hochzuladen, misslingt nun auch noch, gleich dreimal. Jedes Mal kommt wieder die Frage nach dem Roboter.
Zu guter Letzt, es sind inzwischen wieder 40 Minuten verloren gegangen, erscheint:
Captcha-Verifikation fehlgeschlagen. Versuchen Sie es erneut!
Gute Nacht! Doch Hoffnung habe ich noch immer, aber Geduld nicht mehr lange. Der nächste Schritt führt zum Konsumentenschutz.
P.S. Ich erwähne die Firma absichtlich, da ich es richtig finde, wenn Kunden erfahren, was sie mit welchen Firmen zu erwarten haben.
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Überall die gleiche Kundenferne"
Unermüdlich am Klopfen zum Thema "Kundendienst", respektive im Management-Speak "Customer Satifaction". Die Sunrise-Geschichte liesse sich auf andere "Dienstleister", besser Dienstleistungs-Verweigerer übertragen. Nehmen Sie X eine Bank, pardon ein Finanzinstitut, einen Versicherer – der eher verunsichert durch seine Kundenferne – oder eine Krankenkasse: Überall die gleiche Masche, überall die gleiche Kundenferne mit dem Hintergedanken "schickt uns euer Geld, aber lasst uns gefälligst in Ruhe".
Sie loben zu Recht die von Eigentümern geführten KMU, die ihre Kunden auch als Kunden betrachten und behandeln, wo ein Wort ein Wort ist. Bis ein bei der Big Brothers geschasster Consultant seine Weisheiten in die KMU-Hirne fliessen lässt.
Einmal mehr ein Lob an PK: "Gut gebrüllt, Löwe".
Raeto Steiger, Basel
"Kommunikations-Verhinderung"
Gut gemachte CRM (Client Relation Manamgement)-Systeme sind in der Schweiz immer noch selten. Die Kanalisierung der Kundenkontakte in Onlineformulare, FAQ-Bereiche, Chatbotsysteme (textbasiertes Dialogsystem), und ins Ausland ausgelagerte Telefondienste sind aber breits die Regel.
Die Backends dieser Systeme erfüllen in der Schweiz oft nicht die Anforderungen an eine gute Kommunikation. Es entsteht der Eindruck, dass die Angebote vieler Unternehmen eigentlich der Kommunikations-Verhinderung dienen. Dass dies nicht so sein muss, zeigen viele angelsächsische Angebote und in der Schweiz zum Beispiel die "Mobiliar". Man kann schon, wenn man will ;-)
Stehan Kalt, Basel
"Es gab dann halt Null Sterne"
Zum nervigen Kundendienst der modernen Zeiten gehört es etwa auch, dass mich die Firma "Jumbo" zu einer Zwangsbewertung ihrer Dienstleistung zwingt. Ohne meine Bewertung (Punkte plus Textkommentar), wollte mich der Computer nach dem Kauf eines PVC-Flickens im Wert von knapp fünf Franken nicht ziehen lassen. Es gab dann halt Null Sterne und einen hässigen Kommentar meinerseits. Ob das der Sinn dieser Bewertungen ist?
Christine Valentin, Basel