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Der grosse Along Sega hat sich ins Jenseits verabschiedet
Mit dem Tod ihres traditionellen Spechers Along Sega verlieren die bedrängten Waldnomaden der Penan auf Borneo ihren berühmtesten Vertreter – und die Welt einen der eindrucksvollsten indigenen Warner vor der willkürlichen Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die technische Zivilisation.
Basel/Long Adang (Borneo), 3. Februar 2011
Jetzt ist der alte Waldnomade zum letzten Marsch aufgebrochen – in die Anderswelt. Jetzt ist er nicht mehr bei seiner Sippe in den Restwäldern Sarawaks auf Borneo. Der weitsichtige Sprecher der Penan-Waldnomaden, das Vorbild des Schweizer Regenwaldschützer Bruno Manser (Bild links), der grosse Along Sega (rechts), er weilt nicht mehr unter uns Lebenden.
Sega, einer der letzten alten Penan-"Führer" und virtuoser Sprecher der Penan aus Long Adang in der Upper Limbang-Region Sarawaks, ist gestern am 2. Februar gegen 17 Uhr Lokalzeit im Limbang-Hospital im Alter von gegen 80 Jahren gestorben. Dies meldet heute Lukas Straumann, Direktor des in Basel domizilierten Bruno Manser Fonds (BMF), in einer auf Englisch verfassten Medienmitteilung. Die Organisation sei davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Sega während den letzten Wochen an starken Schmerzen in den Beinen gelitten habe. Die genauen Gründe seines Ablebens seien bisher aber nicht geklärt, heisst es im Schreiben.
"Der edle Wilde" als Realität
Der verstorbene Nomadensprecher hinterlässt seine Frau Yut sowie etliche Kinder und Enkel. Along Sega war der älteste und einflussreichste Urvolk-Freund des seit 2000 in Sarawak verschollenen Regenwaldschützers und Menschenrechtlers Bruno Manser. Für diesen war der geschickte Jäger und Sammler, der den Fremden aus der Schweiz in seine Sippe aufnahm, die Identifikationsfigur des "edlen Wilden" schlechthin. Denn kein anderer Penan war derart geschickt und entschlossen, die nomadische Tradition seines Volks zu verteidigen und den einfallenden Holzkonzernen, Zivilisationsbringern und Beamten die Stirn zu bieten.
Entsprechend galt der gelenkige Sippenälteste mit den feinen, ausdrucksvollen Gesicht, den grossen Ohrpflöcken und dem imposanten Federkopfschmuck bei den Penan als Respektsperson. Als einer der Letzten bewegte er sich noch bis in die ersten Jahre des neuen Jahrtausends mit seinem Blasrohr barfuss, im Lendenschurz und in der herkömmlichen Bastkleidung durch die Wälder. In seinem Mentor Along erkannte Manser auch einen Teil seiner selbst. Beide waren Bewahrer, beide wehrten sich gegen den Raubbau und eine Entwicklung, die sie als unwiderruflich und zerstörerisch empfanden.
"Der Wald ist unsere Haut"
"Der Wald ist unsere Haut. Ohne sie können wir nicht leben", rief Along Sega immer wieder seinen Gegnern, aber auch den angereisten Journalisten und Filmteams in Erinnerung. Sega und seine Sippe traten wiederholt in Dokumentationsfilmen auf, die über viele westliche Fernsehkanäle ausgestrahlt wurden: "Tong Tanga", "Mit Blasrohren gegen Bulldozer", "Laki Penan" und "Die letzten Nomaden Borneos". Das Leben Segas war von fortwährenden Verlusten, Verraten und nicht eingehaltenen Versprechen durch die Regierung unter dem seit über 30 Jahre herrschenden Autokraten und Milliardär Chief Minister Taib Mahmud geprägt.
"Es war bitter für Along", schreibt Straumann, "dass die Regierung Sarawaks nie Respekt zeigte gegenüber dem nomadischen und einzigartigen Lebensstil der Penan und ihrer Kultur." In einem Interview mit dem BMF beklagte sich die verstorbene Penan-Autorität über die wachsenden Probleme. Sega geisselte auch die Entwurzelung seines Volks durch die Invasoren. Und er schilderte im Zusammenhang mit der von der Regierung unterstützten Umzingelung durch die Holzkonzerne, dass die Nomaden kaum mehr jagen und traditionell leben könnten. Jagdbeute gebe es immer weniger, da das Wild von Holzfällern gewildert oder vertrieben worden sei.
Regierung soll eine "neue Sonne machen"
In den letzten Jahren sahen sich Along Sega und seine Leute zunehmend gezwungen, als letzte Sippe ihren nomadischen Lebensstil weitgehend gegen jenen der Sesshaften einzutauschen. Sega versuchte dennoch, die nachfolgenden Generationen für den Widerstand und die Verteidigung der nomadischen Werte zu motivieren. Die Nachkommen würden nach seinem Tode den Kampf weiterführen, gab er sich überzeugt.
Gegenüber Bruno Manser, der ihm in die ewigen Jagdgründe vorangegangen zu sein scheint, sagte er einmal auf seine für ihn typische Art: "Die Regierung ist voll von Gesetzen. Wenn sie es versteht, neue Gesetze zu machen, soll sie eine neue Sonne machen! Wir hier sagen: 'Oh, dort ist eine Grabstätte. Dort sind Uwut-Palmen. Dort ist unsere Nahrung. Verschmutzt nicht unser Wasser. Unser Wild flieht. Wir sterben.' – Wenn sie eine wirkliche Regierung ist und dem Gesetz folgt und uns zu helfen weiss, so sucht sie einen anderen Weg. – Das einzige Projekt, das ich von der Regierung wünsche: Sie pflanze in den Bulldozerwegen und Strassen der Company wiederum Meranthi, Meráh, Maro, Lesuan, Pellaio, Kapur, Abang, Jit und all die Bäume, die sie gefällt hat – sofern sie kann."
Weiterführende Links:
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