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Ostern 2023: Hansjörg Reinau-Krayers Polit-Poesie
Binningen, 7. April 2023
Hansjörg Reinau-Krayer wohnt in Binningen und war bis zu seiner Pensionierung am Basler Gymnasium Leonhard als Lehrer für alte Sprachen und Geschichte tätig.
Des Hasen Frust
Der Osterhas' kratzt sich am Fell,
dann handelt er urplötzlich schnell.
"Schau, Frau, schon blüh'n die Osterglocken,
ich mach mich sofort auf die Socken
und eil', wie schon seit vielen Jahren,
denn damit bin ich gut gefahren,
sogleich zum Biobauern Meier:
er hat die besten Ostereier.
Mach Pinsel Du und Farb' bereit
wie jedes Jahr um diese Zeit;
bin ich zurück, dann geht's an's Malen:
die Kunden werden gerne zahlen
und alles andere als sparen,
denn hoch geschätzt sind uns're Waren."
Von Ort zu Ort er darauf eilt,
die Eier sind im Nu verteilt.
Wie er nach Tagen kontrolliert,
ob die Versorgung funktioniert,
stellt er erstaunt beim Rundgang fest,
dass immer noch im Osternest
die Eier liegen unberührt
an vielen Orten; er verspürt
nun grosse Lust, zu eruieren,
weshalb die Leute sich so zieren.
In Kiews Gärten sieht er Zettel,
worauf er liest: "Was soll der Bettel?
Statt Eiern wär'n uns lieber Waffen?
Wie sollen wir es ohne schaffen?
Das Huhn und sein Produkt in Ehren,
wir können uns damit nicht wehren,
uns hilft viel mehr ein and'res Tier:
wir brauchen Leoparden hier.
Wär'n weich die Eier, wär's uns recht,
man würfe sie auf Wagenknecht!"
In London, Amsterdam, Berlin,
Madrid, Paris, Vaduz und Wien,
in Lissabon, in Rom und Bern,
wo man an Ostern liebend gern
sonst Eier isst, signalisiert
man heuer ihm ganz ungeniert,
man würd' das Fest viel lieber feiern
mit Gas und Strom beschenkt statt Eiern.
Nach einem weit'ren grossen Satz
steht er auf dem Paradeplatz
in Zürich vor dem CS-Sitz;
dort steht der Has', es ist kein Witz,
vor einem fest geschloss'nen Tor
und findet dran ein Post-it vor:
"Wir hätten präferiert den Eiern
Liquidität von Geldverleihern;
So what? Vorbei ist jetzt der Stress,
für Weit'res: siehe UBS."
PS: Die Chefetage kichert:
die Boni sind zum Glück gesichert.
Vom Flachland zieht's ihn in die Welt
der Schweizer Berge; hier gefällt
es ihm jeweils besonders gut,
weil jeder hier noch leben tut
nicht wie in städtischen Gefilden,
vielmehr ganz wie die ‚edlen Wilden':
hier herrscht noch keine Korruption,
hier pflegt man noch die Tradition,
ist ehrlich, fromm, konziliant,
bescheiden und nicht arrogant,
mit der Natur vollends vereint
(wie er bestimmt zu wissen meint).
Man wird sich dort, hört man ihn sagen,
kaum über sein Geschenk beklagen.
Sich hoppelnd nähernd schon den Höh'n
hört er ein heftiges Gestöhn:
wo man sonst sehr zu schätzen pflegt,
was, von den Hennen frisch gelegt,
gekocht vom Hasen und verziert
und dann im Schnee wird okkultiert,
freut man sich darob heute nicht,
weil es an weisser Pracht gebricht;
man hätt' statt Eiern jetzt im Klee
viel lieber keine, dafür Schnee,
und auf perfekten Abfahrtspisten
dann auch genügend Skitouristen,
die, immer wenn sie talwärts schwingen,
den Indigenen Zaster bringen.
Was bringt's, wenn Meister Lampe klagt,
dass Eier nicht mehr sind gefragt?
Es bleibt ihm nur noch, statt zu rammeln
mit der Gemahlin, einzusammeln
jetzt wiederum die ganze Fracht;
viel Freude hat's ihm nicht gemacht.
Frustriert kehrt er darauf nach Haus
zurück, nicht ohne leichten Graus.
Wie er den Korb vor seiner Süssen
entleert und sich vor ihren Füssen
der ganze Inhalt präsentiert,
ist diese gar nicht amüsiert:
"Was soll ich tun, sag's mir, damit?
Du kennst doch meine alte Bitt':
Nein, Eier sind nicht mein Verlangen,
stattdessen wär' ich gern behangen
mit schönem Schmuck, Du weisst's genau,
ich bin nun einmal eine Frau.
Von "Ringtausch" spricht man oft zur Zeit:
beim Schopf pack' die Gelegenheit
und suche einen Juwelier,
der gegen deine Eier Dir
gibt einen Ring (wär' das nicht fein?),
besetzt mit einem Edelstein.
Das wär' ein Ringtausch, ich gesteh',
ganz so, wie ich das Wort versteh'."
Der Hasenmann versucht sein Glück;
man fragt sich: Kehrt er je zurück?