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"Das Ozeanium wird ein Lernort der Extraklasse"
Die Befürworter eines Ozeaniums auf der Basler Heuwaage lancieren ihre Kampagne: Sie betonen den ökologischen Bildungsauftrag sowie die städtebauliche und wirtschaftliche Bedeutung und werfen dem Gegenkomitee "Fehlinformationen" vor. Die Wogen gehen schon hoch.
Basel, 28. März 2019
Es ist absehbar, dass die Abstimmung vom 19. Mai über den Bebauungsplan zur Erweiterung des Zoos Basel in Richtung Innenstadt an Emotionalität ziemlich alles in den Schatten stellt, was die Basler Stimmbevölkerung in den letzten Jahren an der Urne zu entscheiden hatte. Nachdem die Gegner der Vorlage vor einer Woche ihre Standpunkte dargelegt hatten ("die Zolli-Besucher wollen in erster Linie unterhalten werden"), gab heute Donnerstagmorgen das Ja-Komitee inhaltlich Gegensteuer.
23 Köpfe als Plakat-Sujets
Sein Plakat-Auftritt zeigt im Sinne von Testimonials 23 bekannte einzelne Basler Köpfe vor bunten Meeresbewohnern, wie sie dereinst im privat finanzierten 100-Millionen-Franken-Bau zu sehen sein werden. Dem Komitee gehört eine breite Allianz von über hundert Basler Persönlichkeiten an, die ihren Abstimmungskampf mit einem von privater Seite gespendeten "tiefen sechsstelligen Betrag" (so Tobit Schäfer an der Medienkonferenz) finanzieren. OnlineReports schätzt eine Grössenordnung von 150'000 bis 200'000 Franken.
Die NOzeanium-Kampagne der Gegner rund um die "Fondation Franz Weber mit Sitz in Bern" geniesse in Basel nicht den Rückhalt wie das Pro-Komitee, sagte Schäfer und stellte fest, nur eine Minderheit des Gegnerkomitees stamme "aus unserem Kanton".
Das sechsköpfige Ko-Präsidium ist politisch und weltanschaulich durchmischt, wie das Aufmacherbild (von rechts nach links) zeigt: Der frühere SP-Grossrat Tobit Schäfer, Architekt Renato Mösch, SP-Grossrätin Toya Krummenacher, Biologin Ila Geigenfeind, Gastronom Raphael Wyniger und FDP-Grossrat Mark Eichner. Nicht präsent waren Exponenten beispielsweise der Grünen.
"Attraktive Vermittlung von Wissen"
Die Kernbotschaft der Befürworter: Hauptziel des Zoos sei es, die Öffentlichkeit "mit dem Ozeanium für den Natur- und Meeresschutz zu sensibilisieren". So seien die rund vierzig im Gebäude enthaltenen Aquarien eine "unglaublich gute Gelegenheit, auf eine Verhaltensänderung und mehr Bewusstsein für den Natur- und Artenschutz" hinzuwirken, sagte die Biologin und Gewerkschafterin Toya Krummenacher. Dank der "attraktiven Vermittlung von Wissen" würden auch Menschen angesprochen, "die man mit klassischen Bildungsmassnahmen weniger oder bedingt erreicht".
Durch Bildung und Naturschutz als "Kernkompetenzen des Zolli" lernten ausserdem jährlich mehr als 2'000 Schulklassen mehr über Tiere, Ökosysteme und deren Schutz. Krummenacher: "Die Menschen müssen die Umwelt und die Ökosysteme kennen und verstehen, um sie schützen zu können."
Kritik an Gegner-Behauptungen
Ihre Berufskollegin Ila Geigenfeind verwies auf die "Sinneseindrücke", die eine authentische Wahrnehmung der Meeresumgebung hinterlasse. Virtuelle Realitäten, wie sie die Ozeanium-Gegner als sanfte Alternative vorschlagen, könnten niemals dieselben Informationen und Emotionen entfalten; vielmehr seien sie "mit einem Frontalunterricht vergleichbar". Die Beobachtung im Aquarium komme der Meereswelt viel näher – allerdings nur, "wenn
die Tiere auch möglichst viel ihres natürlichen Verhaltens zeigen können", so die Biologin weiter.
Unter Verweis auf "modernste Vermittlungs- und Präsentationstechniken widersprach Geigenfeind gegnerischen Behauptungen: Das Show-Erlebnis stehe im Ozeanium nicht im Vordergrund. Im Korallenbecken würden "also bestimmt keine Totenköpfe oder Piratenschiffe" zu sehen sein. Vielmehr seien im Ozeanium nur Tiere vorgesehen, "die für eine Haltung in Aquarien geeignet sind". Dank dem Vivarium habe der Zoo diesbezüglich fast fünfzig Jahre Erfahrung.
An den Haaren herbeigezogen seien die Behauptungen der Gegner, dass beim Transport gegen 80 Prozent der Tiere zu Tode kämen. Dabei handle es sich bloss um Schätzungen zum philippinischen Zierfisch-Markt. Auch Giftfänge mit Zyanid seien im Zusammenhang mit dem Ozeanium eine Erfindung, weil der Zwischenhandel wegfalle und ein Zoo diese Fangmethode "sofort erkennen" würde. Für den Zoo habe "das Wohl der Tiere immer höchste Priorität", so Geigenfeind weiter, und "mit dem Ozeanium erhält Basel einen Lernort der Extraklasse".
"Keine Verkehrsprobleme zu erwarten"
Architekt Renato Mösch betonte das "Riesenpotenzial" eines Ozeaniums aus städtebaulicher Sicht. Die Heuwaage als Standort in der Nähe von Bahnhof und Innenstadt, an einer Haltestelle von fünf Tramlinien und zwei unterbesetzten Parkhäusern sei geradezu ideal: "Es sind also keine Verkehrsprobleme zu erwarten."
Das stark unterirdisch orientierte Gebäude sei "sehr nachhaltig und innovativ" konzipiert. So werde die "lebendige Fassade" aus gestampftem Lehm gebaut, in die Nistplätze für Mauersegler integriert seien. Die Aussenhülle entspreche Minergie P-Anforderungen, der Heiz- und Kühlenergiebedarf betrage "praktisch Null".
Erfolgs-Beispiele aus dem Ausland
Der Gastronom und Kulturveranstalter Raphael Wyniger strich die Bedeutung des Ozeaniums für den Tourismus und das lokale Gewerbe heraus. Es werde keinen Massenandrang geben, wie die Gegner behaupten. Angesprochen seien vielmehr Tagestouristen, von denen auch Restaurants und Detailhändler profitierten.
Dass das Ozeanium neunzig Stellen schafft und den Basler Steuerzahler keinen Rappen kostet, freut Anwalt und Grossrat Mark Eichner. "Bewusste Angstmacherei" sei die gegnerische Behauptung, früher oder später müsse dann doch der Kanton finanziell einspringen. Grossaquarien könnten, wie Beispiele aus dem Ausland zeigten, "erfolgreich geführt" werden und zur Dämpfung wetterbedingter saisonaler Schwankungen des Zollis beitragen.
Weiterführende Links:
- Zolli-NOzeanium: Die Nein-Welle nimmt deutlich Fahrt auf
- Start des Ozeanium-Streits: Nur virtueller Riesenkrake
- 30 Millionen-Rekordspende für Ozeanium – noch fehlt Geld
- Sperrfeuer gegen Ozeanium: "Gewaltiger Anachronismus"
- Heuwaage: Umweltverträglichkeits-Prüfung für Ozeanium
- Ozeanium: Grosser Rat sagt Ja zum Bebauungsplan
- "NOzeanium" will Basler Mega-Aquarium torpedieren
- SP lehnt Ozeanium ab – und beschliesst Stimmfreigabe
"Praktisch null Umweltinfo"
Lernort der Extraklasse! Ja, genau. So wie es das Vivarium seit bald 50 Jahren ist: praktisch null Umweltinfo! Nur schöne Tierlein zum einträglichen Anschauen. Im Berner Tierpark “Dählhölzli” hat es bei praktisch jedem Gehege einen Quickread-Code für mehr ökologische Info. Im Zolli? – Fehlanzeige! Bis vor etwa zwei Jahren lagen im Vivarium Prospekte von “Oceancare”, einer “wissenschaftlich-bürgerlichen” Organisation für den Meeresschutz, auf. Diese Organisation ist heute auf der Ozeanium-Gegner-Seite! Sagt eigentlich alles.
Dieter Stumpf, Dieter Stumpf, alt-WWF Schweiz-Mitarbeiter und alt-Geschäftsführer des WWF Basel, Basel
"Fischtank auf der Heuwaage – nein, danke"
Ganz ehrlich, wer sieht im Ozeanium irgendetwas innovatives, originelles? Rund 150 gibt’s davon schon in Europa. Mir erscheint das, Pardon, als "me too", nichts mehr. Es ist langweilig! Der Meeresschutz ist dringend wichtig, ganz klar. Aber Bitteschön nicht in "Basel am Meer", sondern in den Weltmeeren vor Ort. Da können übrigens klug eingesetzte 100 Millionen Franken echt etwas Gutes bewirken. Aber ein Fischtank auf der Heuwaage: nein, danke.
Markus Ritter, Alt-Grossratspräsident Basel-Stadt, Basel
"Die Schonzeit ist vorbei"
Die Argumente der Befürworter überzeugen mich nicht. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen einem Zoo und der proklamierten Neubesinnung seiner Besucher gegenüber der Schöpfung. Im Gegenteil. Das Konsumieren künstlich angelegter Tierwelten wird doch mehrheitlich als freizeitmässiger Aufenthalt in einem Erholungsgebiet aufgefasst, der austauschbar bleibt. Dagegen nehmen zum Beispiel Zahl und Quantität von Kreuzfahrten auf monströsen Riesenschiffen zu, welche die Meere und Ufer zusätzlich belasten und einen fragwürdigen Tourismus in alle Welt tragen – mit Touristen, die möglicherweise zur Vorbereitung ihrer Reise in einem Ozeanium zuvor einen Besuch abgestattet haben.
Wir haben nun viele Jahrzehnte mit "Sensibilisieren" verbracht. "Sensibilisierung der Gesellschaft" ist ein rauchiges Gewölk, aber manchmal ein einträgliches Geschäft. Doch die Schonzeit ist vorbei. Die Fondation Franz Weber gehört zu denen, die nicht sensibilisieren, sondern aufklärend tätig sind, was vielen nicht passt, aber die Schöpfung, Tier und Pflanze im Fokus behält.
Wenn uns die heimischen Vögel wegsterben und die Insekten ebenso, dann weiss der Himmel, welche seltsam verdrehten Ansichten ausgedacht werden, ein Riesenaquarium auf die Heuwaage zu betonieren. Basel mit diesem Unternehmen auf der Hitliste oben zu behalten geht auf Kosten der Tiere, doch zugunsten menschlicher Unbelehrbarkeit und Uneinsichtigkeit. Dass hierbei der Kantonsgeist bemüht wird, weil ausserkantonale Personen dazu Stellung nehmen, zeigt unverstellt den tiefen provinziellen Geist, zu dem sich hundert Befürworter des Ozeaniums bekennen.
Stephan J. Tramèr, Basel
"Zugemüllte Ozeane"
Wenn wir weiterhin, Befürworter und Gegner, mit unserem enormen Plastikabfall mithelfen, die Ozeane zuzumüllen. Dann werden die Ozeanums rund um die Welt, und hoffentlich dann auch das in Basel, mal die einzige Möglichkeit sein, Meerestiere zu beobachten!
Roger Misteli, Albeuve
"Einige Aspekte, die mich überzeugen"
Ich bekenne mich als Befürworterin des Ozeaniums. Denn es gibt einige Aspekte, die mich überzeugen.
1.) Ich habe vollstes Vertrauen in den Zolli, welcher achtsam mit den Tieren umgeht und sie nach den neuesten Erkenntnissen und Forschungsergebnissen beheimatet.
2.) Der Zolli ist in einem grossen Verbund mit den Zoologischen Gärten im Ausland und auch in Kontakt mit den Ozeanien, welche schon bestehen.
3.) Basel jammert immer und will nicht in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Basel ist jedoch z.B. bei der MHC-Group finanziell in Messen etc. eingebunden. - beim Zolli nicht.
4.) Der Zolli baut das Ozeanium, ohne dass Basel-Stadt einen Rappen daran zahlen muss.
5.) Die Umgestaltung der Heuwaage kostet zwar Basel-Stadt, ist jedoch dringend nötig und muss so oder so gemacht werden.
6.) Ein toll gebautes Haus, welches nach dem neuesten ökologischen Wissenstand errichtet wird, erspart z.B. Flugreisen an die Ozeanien dieser Welt. Abgesehen davon können es sich im Ozeanium auch weniger begüterte Menschen leisten, sich mit den Meeren und ihren Bewohnenden auseinander zu setzen.
7.) Das Ozeanium plant die Forschungszusammenarbeit mit weiltweit tätigen Forschungsstandorten, was absolut zu begrüssen ist.
8.) Das Ozeanium ist ein Bildungsprojekt für künftige Generationen. Dies ist immens wichtig, denn wer kennt nicht all die Bilder vom Plastik-Müll in den Meeren?
Beatrice Isler, Basel