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Triumph für Lorenz Nägelin – Klatsche für Baschi Dürr
Der Basler Grossrat und SVP-Fraktionspräsident und Rettungssanitäter Lorenz Nägelin wird wieder in der Ambulanz Platz nehmen: Das Verwaltungsgericht bestätigte heute Mittwochmorgen, dass seine angestrebte Versetzung durch das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) nicht rechtens war. Zum Verhängnis wurde dem Arbeitgeber die Unterscheidung zwischen disziplinarischen und organisatorischen Massnahmen.
Basel, 20. Mai 2015
"Es geht lediglich um eine Versetzung." Mit diesen Worten versuchte JSD-Anwalt Christoph Meyer in seinem Plädoyer vor dem Verwaltungsgericht darzulegen, dass es sich bei Lorenz Nägelins Freistellung um eine gewöhnliche organisatorische Massnahme handle. Er machte klar, dass Nägelin kein Vorwurf gemacht werden könne, er sogar fachlich bestens versiert sei, aber verantwortlich für die Spannungen innerhalb der Basler Berufssanität sei. Regierungsrat Baschi Dürr habe die "Baustelle" innerhalb der Sanität bei seinem Amtsantritt zur Chefsache erklärt: "Die Situation war festgefahren und Lorenz Nägelin war für diesen Zustand mitverantwortlich."
Es folgten wortreiche Ausführungen, weshalb der Beschwerdeführer das Grundübel in der Sanität sein soll. Meyer sprach von "äusserst schädlichen Auswirkungen", die Nägelin mit seiner Art dem Rettungsdienst zugefügt haben soll. Der Anwalt zog zum Beweis auch eine Medienmitteilung der Personalkommission der Sanität vom Oktober 2013 bei, die bestätigte, dass bei der Sanität mittlerweile etwas Ruhe eingekehrt sei. "Ohne Nägelin läufts", lautete der Kommentar des Advokaten. "Das stimmt so nicht", widersprach Ralph Büchelin, Präsident der Personalkommission. Beim Verfassen des Communiqués habe die Kommission nicht an Nägelin gedacht.
Immer wieder nachgeschobene Gründe
Nägelin habe sich immer innerhalb der Grenzen bewegt, räumte Meyer ein. Das JSD wollte daher zehn Zeugen vorladen lassen, die bestätigt hätten, dass die Zusammenarbeit mit dem SVP-Fraktionspräsidenten schwierig war. "Diese Problematik kann man nicht mit Dokumenten belegen, sondern nur mit Aussagen der Betroffenen", erklärte Meyer. Dies habe die erste Instanz, die Personalrekurs-Kommission, missachtet, weshalb deren Entscheid zu kippen sei. Pikant: Meyer ist stellvertretender Präsident der von ihm kritisierten Personalrekurs-Kommission.
Lorenz Nägelins Anwältin Doris Vollenweider konterte geschickt, indem sie nur schon die Zeitachse der Geschehnisse vor Augen führte. "Am 25. Juli 2013 wurde meinem Mandant mündlich der Entscheid ohne Begründung eröffnet. Am 30. Juli wurden die Belegschaft und die Medien informiert", zählte sie auf. Erst am 28. August soll Nägelin das rechtliche Gehör zugestanden worden sein. "Keine Begründung, keine Verantwortung von Lorenz Nägelin ersichtlich", fasst die Anwältin zusammen. "Gründe wurden immer wieder nachgeschoben und verändert", kritisierte Vollenweider und bemängelte, dass die Verfügung erst am 4. Oktober, rund zwei Monate später, verschickt wurde.
Keine Fakten auf dem Tisch
Regierungsrat Dürr hielt Nägelin in seiner Verfügung vor, er habe immer wieder Rückkommensanträge gestellt. "Wir haben die Sitzungsprotokolle von zwei Jahren, dort finden sie keinen einzigen Antrag", sagte Vollenweider. Ihr Mandant sei immer und immer wieder mit Behauptungen konfrontiert worden, die gebetsmühlenartig wiederholt worden seien, so dass er seine Unschuld beweisen müsse. "So geht das nicht", hiel die Anwältin fest. Das JSD könne keine Fakten auf den Tisch legen.
"Das Gericht sagt nichts über die Rolle Lorenz Nägelins in der Sanität und nichts über den Konflikt", erläuterte Gerichtspräsident Stephan Wullschleger (SP) zu Beginn der Entscheid-Eröffnung. Das Gericht habe einzig geprüft, "ob es eine verkappte disziplinarische Massnahme war oder nicht". Dann überraschte Wullschleger mit einem Fakt, den beide Anwälte in ihren Plädoyers aus unterschiedlichen Motiven verschwiegen hatten: "Der Arbeitgeber ordnete im Juni 2013 eine Bewährungsfrist an". Nägelin soll darin anscheinend verpflichtet worden sein, einen Konflikt anzusprechen und zu lösen. "Wenig später" – im Juli 2013 – "wurden die Vorwürfe an den damaligen Leiter Hans Peter Altermatt erhoben", erklärte Wullschleger weiter.
Verkappte disziplinarische Massnahme
Dann kam die Sache ins Rollen und das JSD entschied sich, nun organisatorisch etwas zu ändern und die disziplinarische Massnahme unter den Tisch fallen lassen. Für Wullschleger der Knackpunkt: "Der eingespurte disziplinarische Weg wurde verlassen", fasste der Richter zusammen und begründete: "Der Zug war bereits über die Weiche gefahren, daher ist er nicht mehr zu stoppen". Konkret: Das JSD hat sich einfach einer anderen Begründung bedient, um den mittlerweile unliebsamen Sanitäter loszuwerden. Weshalb diese disziplinarische Massnahme ausgesprochen wurde, bleibt im Dunkeln.
Lorenz Nägelin äusserte sich nach dem Richterspruch erstmals wieder gegenüber der Öffentlichkeit. Er strahlte wie ein Maienkäfer, Felsbrocken schienen von seinem Herzen gefallen: "Ich bin gelöst, zufrieden und glücklich, dass ich wieder arbeiten kann." Für ihn sei die Sache hiermit erledigt und ganz wichtig: "Ich bin nicht nachtragend".
Das JSD muss ihm etwas mehr als 12'000 Franken Parteientschädigung zahlen. Dazu muss die Pensionskasse noch vollkommen abgerechnet werden.
Gang ans Bundesgericht möglich
Dürrs Departement hat noch die Möglichkeit, ans Bundesgericht zu gelangen. Anwalt Meyer wollte sich kurz nach Bekanntgabe des Entscheides dazu nicht äussern, bevor er zusammen mit den JSD-Offiziellen fluchtartig das Appellationsgerichtsgebäude verliess. Bis der Entscheid rechtskräftig ist, werden noch Wochen vergehen, aber dann wird Nägelin seinen Dienst an der Hebelstrasse antreten und die Sanität dann hoffentlich zur Ruhe kommen.
Weiterführende Links:
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