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Museum und Staatsarchiv: Klares Plädoyer für den Neubau
Die beste Lösung für die hochgradig mit Raum- und Bauproblemen kämpfenden Basler Institutionen Naturhistorisches Museum und Staatsarchiv ist ein gemeinsamer Neubau beim Bahnhof St. Johann: Das Ja-Komitee hat den Abstimmungskampf im Hinblick auf den 19. Mai lanciert.
Basel, 19. März 2019
Das Naturhistorische Museum Basel (NMB) an der Augustinergasse mit seinen zehn Millionen Objekten ist baulich derart in die Jahre gekommen, dass eine umfassende Sanierung, die auch Erdbebensicherheit garantieren soll, unumgänglich macht. Dasselbe gilt für das quasi im Hinterhof des Rathauses platzierte Basler Staatsarchiv, das – wie das Museum – aus allen Nähten platzt und seine Bestände teilweise in improvisierte externe Standorte auslagern muss.
Abstimmung Folge eines SVP-Referendums
Dass der heutige Zustand beider Institutionen nicht mehr haltbar ist und dringend einer Lösung bedarf, ist unbestritten. Nach jahrelanger Planung und Standort-Evaluationen kam der Grosse Rat zum Schluss, dass ein Neubau am Vogesenplatz beim Bahnhof St. Johann, der Museum wie Staatsarchiv unter einem Dach vereint, die zukunftsgerichtete Lösung sei: Er bewilligte mit der deutlichen Mehrheit von 71 zu 19 Stimmen einen Kredit von 214 Millionen Franken.
Die SVP allerdings widersetzte sich dieser Lösung. Sie ergriff mit einem Komitee "Nein zum Museums-Stücki", dem auch Exponenten der FDP und der Jungen SVP angehören, das Referendum. Mit "Stücki" ist ein Einkaufstempel an der Basler Peripherie gemeint, der seit seiner Eröffnung gegen fehlende Kundschaft kämpft. Dem nun vorgesehene Standort für den Museums-/Archivneubau weit ausserhalb des traditionellen Museums-Viertels in der Basler Innenstadt könnte dasselbe Schicksal blühen. Weil auch bei den Betriebskosten Unsicherheiten bestünden, sei der Neubau als "unnötig und zu teuer" abzulehnen.
"Entscheid von höchster Verantwortung"
Dieser Auffassung kann sich das Komitee "Ja zu Museum und Archiv" gar nicht anschliessen. Der frühere Tropeninstitut-Chef Marcel Tanner (Bild rechts), Präsident der Akademie Naturwissenschaften Schweiz und der NMB-Kommission, präsidiert dieses Komitee. Ihm zur Seite stehen die Historikerin, Autorin und demnächst grünliberale Grossrätin Esther Keller sowie SP-Grossrat und Kulturpolitiker Sebastian Kölliker (Bild links).
Sie sind, wie sie heute Dienstagmorgen an einer Medienkonferenz betonten, der Meinung, dass das Basler Stimmvolk hier einen Entscheid von höchster kultureller und bildungspolitischer Verantwortung zu fällen habe. Es gehe um nicht weniger als die Bewahrung und Zukunft des Basler Kulturerbes. Ausserdem biete der Neubau mit seinem seitlichen Turm erstmals die Möglichkeit, wertvolle Exponate und Dokumente in zeitgemässer Form zu präsentieren und sie unter klimatisch optimalen Bedingungen zu konservieren.
Archivbestand wächst jährlich um 300 Laufmeter
Eine gestaffelte Sanierung der beiden Häuser brächte demgegenüber keine Verbesserung der Platznot und verursache überdies hohe Kosten. Vielmehr verlöre das Naturhistorische Museum bei einer blossen Sanierung sogar 40 Prozent seiner Fläche. "Hier geht es um eine Investition für die nächsten hundert Jahre. Es wäre eine Schande, wenn wir uns diesen Neubau nicht leisteten", sagte Kölliger. "Man zahlt nicht einfach, sondern man erhält auch etwas." Allein die Sanierung der Joggeli-Halle habe 117 Millionen Franken gekostet. "Da ging auch niemand auf die Strasse."
Esther Keller betonte, die Kulturgüter des Staatsarchivs, die tausend Jahre Stadt- und Kantonsgeschichte dokumentieren, seien "in Gefahr, weil ihnen Schäden durch Feuchtigkeit" drohen. Sie müssten "vor dem Zerfall bewahrt" werden. Auch gab sie zu bedenken, dass der Archivbestand jährlich um 300 Laufmeter wächst und deshalb auch Raumreserven erforderlich seien.
Ein neues Wahrzeichen für das St. Johanns-Quartier
Das von Kritikern vorgebrachte Argument des dezentralen Standorts konterte sie mit dem Hinweis, der Standort sei "extrem gut erreichbar" und befinde sich ausserdem in einem ausgesprochenen Transformations-Quartier, dem die Kulturgüter-Domäne ein "neues Wahrzeichen" verleihe.
Die Votierenden gaben zu bedenken, dass bei einer Sanierung das Naturhistorischen Museums fünf Jahre geschlossen werden müsste, was dazu führe, dass in dieser Zeit 160'000 Schüler auf authentische naturhistorische Bildung verzichten müssten. Die transparente Architektur biete dem Publikum und den Forschenden optimale Arbeits- und Studienbedingungen.
Nein-Stimmung durch Ozeanium?
Insidern von Museum und Staatsarchiv bereitet etwas Sorge, dass über den gemeinsamen Neubau zum selben Zeitpunkt abgestimmt wird wie über das zunehmend umstrittene Ozeanium des Zoologischen Gartens an der Heuwaage, und dass auch das völlig anders gelagerte Museums- und Archiv-Projekt von einer Nein-Stimmung erfasst werden könnte. Marcel Tanner sagte, es sei in der Tat "nicht optimal, dass über beide Projekte am selben Tag abgestimmt" werde. Das Basler Stimmvolk sei aber in der Lage, die grundlegend unterschiedlichen Entscheidungen "nicht miteinander zu vermischen".
Weiterführende Links:
- Museum/Staatsarchiv: Basler SVP lanciert Referendum
- Staatsarchiv: Grosse Wasserschäden an alten Negativen
- Am Vogesenplatz: Museum und Archiv mit Hochhaus
"Abschiebung zu einem toten Bahnhof"
Der Uno-Bericht von heute, 7. Mai 2019 sagt uns, dass 1.000.000 (eine Million) Pflanzen- und Tierarten in kurzer Zeit ausgestorben oder am aussterben sind.
Im Zeichen von Klimawandel, Artensterben und Umweltzerstörung schiebt die Kultur- und Museumsstadt Basel das für die kommenden Jahrzehnte wichtigste Museum der Stadt mit Sammlungen von übernationaler Bedeutung einfach so weg von den anderen Museen an die Peripherie der Stadt, an die französische Grenze zu einem toten Bahnhof. Örtliche Zusammenlegung mit dem Staatsarchiv, weil praktisch und kostensparend, das macht den Skandal nicht kleiner, eher grösser: ab mit der wichtigsten Bildungseinrichtung für unsere Jugend, weg mit der international grössten Käfersammlung ab in die Keller des neuen Staatsarchivs.
Wie Berlin und Wien hätte Basel die Chance für ein zusammenhängendes Museumsquartier um das Münster herum zwischen dem alten Berribau, dem Museum der Kulturen, dem Kunstmuseum und dem Antikenmuseum, das in den Berribau soll, was sehr zu begrüssen ist. Ein stattliches Areal mit teils grossen, geräumigen historischen Bauten und Platzrealen in Staatseigentum (Baudepartement, Schulen, Turnhalle) und Basel nutzt sie nicht für ein Naturkundemuseum!
Ich empfehle auf dem Areal St. Johann ein Riesenhochhaus für das Staatsarchiv mit Ausstellungsräumen im Entrée als Dienstgebäude für alle Departemente. Ausser dem Stadtpräsidium das soll – seit der Abtrennung der Museen und der Kultur vom Erziehungsdepartement hin zum Stadtmarketing – ruhig im Rathaus seinen unruhigen Kulturschlaf weiter pflegen. Das wäre verwaltungstechnisch für die interdepartementale Kommunikation ein grosser Gewinn und für die Einwohnerinnen und Einwohner ein übersichtlicher, gut erreichbarer Dienstleistungsbetrieb.
Dieses Hochhaus mit Aussichtsturm auf Frankreich, Deutschland und Europa kann dann gerne ausschauen wie ein Raiffeisen- oder sonstiger Silobau im Hafen... aber mit Fenstern!
Bettina Eichin, Bildhauerin, Basel
"St. Johann liegt noch längst zentral"
Die "Peripherie" von Basel-Stadt sind die "Quartiere" St.Louis, Hüningen, Weil, Riehen, Lörrach, Grenzach, Birsfelden, Muttenz-Pratteln, Münchenstein-Aesch, Binningen-Oberwil und Allschwil. Basel selbst ist und bleibt eine Kleinstadt, bei der auch St. Johann noch längst zentral liegt. Wer alles ausserhalb der Altstadt als "Peripherie" bezeichnet und deshalb nicht weiter entwickeln will, schadet unserer Stadt als Ganzes letztlich.
Übrigens: Die "Fondation Beyeler" beweist, dass es auch ausserhalb der Altstadt möglich ist, einen erfolgreichen Publikumsmagneten zu führen. Der Vergleich mit dem "Einkaufstempel Stücki" hinkt gewaltig. Meine Sorge beim geplanten Neubau im St. Johann wäre höchstens der ideologisch bedingte Parkplatzmangel.
Peter Waldner, Basel
"Museum und Archiv ins 'Stücki'"
Also ich finde, das Naturhistorische Musuem und das Staatsarchiv könnten in das notleidende "Stücki" integriert werden. Das Ozeanium gleich dazu. Das gäbe einen wunderbaren Synergieeffekt, der Kulturbeflissene und Einkaufslustige gleichermassen anziehen würde. Die BVB könnte während der Öffnungszeiten vom Bahnhof und vom Claraplatz einen Bus-Pendeldienst betreiben, ergänzt vielleicht noch durch Rösslikutschen für Touristen. Warum kommt mann im Baudep nicht auf solch kreative Lösungen?
Esther Murbach, Basel
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