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Allpack-Prozess: Legitimer Streik oder Nötigung?

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begann heute Mittwochmorgen vor Strafgericht in Liestal der Prozess gegen 22 Gewerkschafter und Mitarbeitende, die im Dezember 2003 im Rahmen eines Streiks den Zugang zur Reinacher Verpackungsfirma Allpack AG blockierten. Die Kernfrage: War der Steik legitim oder Nötigung und Hausfriedensbruch?
Liestal, 25. März 2009

Mit zahlreichen Transparenten, die für das Streikrecht warben, versammelten sich rund 50 Angeklagte, Sympathisanten und Angehörige von Solidaritätskomitees heute Morgen vor dem Gerichtsgebäude am Liestaler Bahnhofplatz (Bild), um vor Prozessauftakt für das Streikreicht zu demonstrieren.

Der Streitpunkt geht auf einen erbitterten Arbeitskonflikt im November/Dezember 2003 in der Reinacher Firma Allpack zurück. Angeklagt sind 22 streikende Gewerkschafts-Angehörige und Mitarbeitende, die am Nachmittag des 1. Dezember im Gefolge eines Polizeieinsatzes den Eingang zur Firma blockierten, um gegen Änderungskündigungen und damit verbundene schlechtere Arbeitsbedingungen zu protestieren. Firmenbesitzer Robert Scheitlin kürzte die Ferien um eine Woche, wandelte den 13. Monatslohn in einen "freiwilligen Bonus" um, verlangte unbezahlte Mehrarbeit und verringerte den Mutterschutz.

Die Angeklagten hatten gegen einen Strafbefehl des Statthalteramtes Liestal in Höhe von bis zehn Tagen bedingten Geldstrafen und Bussen von bis 300 Franken Einsprache erhoben. Vorwurf in den meisten Fällen: Nötigung und Hausfriedensbruch. Unter den Abgeklagten ("Gehilfenschaft zur Nötigung") befindet sich auch die SP-Landrätin Eva Chappuis, Ko-Präsidentin des Baselbieter Gewerkschaftsbundes.

Angeklagte verweigern Aussage

Vor dem Straf-Einzelrichter Christoph Spindler (SVP) verweigerten heute Morgen weitgehend alle Angeklagten die Aussage. Es ging im wesentlichen um die Frage, ob der insgesamt neuntägige Streik legitim war oder ob er durch die Blockade eine Nötigung darstellte und somit als illegal qualifiziert werden muss.

Staatsanwalt Friedrich Müller sprach "zweifelsfrei" von Nötigung, als die Streikenden eine nach einem gescheiterten Schlichtungssverfahren von der Polizei gesetzte Frist zur Räumung der Eingänge unbenutzt verstreichen liessen, bei Vorrücken der Polizei eine Menschenkette bildeten und sich anschliessend vor dem Haupteingang niederliessen, um den Arbeits- und Zutrittswilligen den Zugang "teilweise aggressiv" zu verwehren. Die Polizei im Kampfmontur trug die Okkupanten einzeln vom Platz und verhaftete sie. Diese Blockade könne "nicht mehr als verhältnismässig" bezeichnet werden. Damit sei auch der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt.

"Streik erlaubt keine Nötigung"

Gewerkschaftsbund-Kopräsidentin Eva Chappuis, die die Streikenden jeweils mit Kaffee versorgte, als Beobachterin mehrfach vor Ort war und sich in "unmittelbarer Nähe" zu den Streikenden aufhielt, habe mit ihrer Präsenz einen "psychischen Beitrag" zur Nötigung geleistet, sagte der Staatsanwalt. Chappuis widersprach: "Es war eine reine Präsenz zur Unterstützung der Streikenden. Wie soll das Gehilfenschaft sein?" Auch sei sie von der Baselbieter Kantonsregierung gebeten worden, den Streikenden einen Brief zu übergeben.

Lienhard Meyer, der Anwalt der Allpack AG, verwies auf die Bereitschaft der Firma, noch vor dem Polizeieisatz mit der Gewerkschaft Comedia über einen Gesamtarbeitsvertrag zu verhandeln unter der Bedingung, dass die Blockade aufgehoben werde. "In einem Streik aber", so Meyer weiter, "darf man keine Nötigung begehen".

Polizeieinsatz als "Show-Veranstaltung"

Hier hakte Nicolas Roulet als Anwalt der Angeklagten ein. "Jeder Streik ist eine Nötigung, weil es das eigentliche Ziel ist, dass die Leute nicht arbeiten können." Die Schuld an der Eskalation wies Roulet ("hier ging es nicht um Atomendlager") der Polizei zu: Es gebe "keinen gesetzlichen Auftrag der Polizei, in einen Arbeitskampf einzureifen". Der Polizeieinsatz sei "von oben verordnet" worden – konkret von Polizeidirektorin Sabine Pegoraro, und dies, während SP-Bildungsdirektor Urs Wüthrich, früher selbst Gewerkschaftssekretär, und FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin daran waren, eine Lösung herbeizuführen versuchten.

Roulet bezeichnete den Polizeieinsatz als eine "Show-Veranstaltung fürs Fernsehen". Wenn der Zutritt zum Firmengebäude dessen Ziel gewesen wäre, hätte die Polizei am frühen Morgen zu Arbeitsbeginn interventieren müssen und nicht vor Feierabend. Die Menschenkette der Streikenden sei eine "Abwehrreaktion gegen die handgreifliche Polizei" gewesen und der gewaltfreie Streik gemessen am Ziel ein "rechtmässiges Kampfmittel". Auch den Hausfriedensbruch bestritt Roulet: "Das Hausrecht beginnt erst nach den Drehtüren."

Bitteres Schlusswort

Ein Angeklagter meinte in seinem Schlusswort, es sei ein "Hohn", wenn der Arbeitgeber und Firmeninhaber die kritische Lage des Betriebs, die zu Restrukturierung gezwungen habe, den häufigen Absenzen den Mitarbeitenden zuschreibe. Die Absenzen seien Folge der "schlechten Arbeitsbedingungen" wie Medikamentenstaub in der Luft gewesen, deren Folgen die Angestellten hätten tragen müssen. Der Prozess sei ein "Versuch, das Streikreicht einzuschränken und Lohnbeziehende einzuschüchtern". Den von Änderungskündigungen betroffenen Mitarbeitenden sei bei ohnehin schon "äusserst prekären Lohnverhältnissen" eine Lohnsenkung von 12 bis 15 Prozent zugemutet worden.

Im Raum steht auch eine happige Zivilforderung der Allpack AG in Höhe von 820'000 Franken wegen Umsatzrückgang als Folge des Streiks, verdorbener Ware, Überzeit und Zuzug von externem Personal. Laut den Angeklagten sei diese Forderung vollumfänglich abzuweisen, weil sie nicht näher begründet und auf "Fehlkalkulationen der Geschäftsleitung" zurückzuführen sei.

Die Verhandlung wird in Gruppen weitergeführt. Das Urteil soll übermorgen Freitagnachmittag eröffnet werden.




Weiterführende Links:
- Vermittlungs-Erfolg im Reinacher Allpack-Konflikt


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