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Nur wenig Interesse an Umzugs-Projekt für Ältere
Ältere Menschen sollen grosse Wohnungen verlassen und in kleinere umziehen, damit mehr Wohnraum entsteht. Der Kanton Basel-Stadt hat Anreize geschaffen, die bislang selten genutzt worden sind. Jetzt sollen auch private Hauseigentümer mitmachen.
Basel, 31. August 2021
Der Kanton Basel-Stadt stellte vor vier Jahren ein nach seinen Worten "wegweisendes Projekt" vor, um die Wohnungsnot in der Stadt zu lindern: Ältere Menschen sollen aus Wohnungen, die ihnen zu gross geworden sind, in kleinere Wohnungen umziehen. Beispielsweise, wenn Kinder ausgezogen sind oder der Lebenspartner oder die -partnerin gestorben ist. Für gesundheitlich angeschlagene, ältere Menschen könnte der Umzug interessant sein, wenn die neue Wohnung barrierefrei und mit einem Lift ausgestattet ist. Für den Kanton sind solche Umzüge interessant, weil dadurch Wohnraum gewonnen wird. Ein Umzug bietet älteren Menschen finanziell meist wenig Anreiz, weil sie als langjährige Mieter für ihre grossen Wohnungen weniger bezahlen als für eine kleinere. Finanziell lohnend, aber Bedingungen Das Basler Projekt sieht deshalb vor, dass sich ein Umzug finanziell lohnt: Der Quadratmeterpreis der alten Wohnung wird als Berechnungsgrundlage für den Mietpreis der neuen Wohnung genommen. So kommt die Miete in einer kleineren Wohnung auf jeden Fall günstiger als in der grossen. Das Angebot ist allerdings an mehrere einschränkende Kriterien gebunden: Die Mieter müssen über 65 Jahre alt sein und in einer Wohnung leben, die bereits dem Kanton ("Immobilien Basel-Stadt") gehört, respektive der Basler Gebäudeversicherung oder der Basler Pensionskasse. Auch die beabsichtigte, kleinere Wohnung muss von einer dieser drei Institutionen vermietet werden. Zudem muss die neue Wohnung mindestens zehn Prozent kleiner sein als die jetzige. Nur 6 von 660 stiegen auf Angebot ein Die staatliche Immobilienverwaltung hat inzwischen 660 Mieter angeschrieben, die dafür in Frage kämen, wie Sprecherin Barbara Neidhart gegenüber OnlineReports ausführte. Das Angebot sei zwar auf grosses Interesse gestossen, so Neidhart, aber tatsächlich zum Umzug hätten sich Mieter von nur gerade sechs Wohnungen gefunden. Das entspricht einer Quote von einem Prozent. "Das ist relativ wenig", sagt Barbara Neidhart und wertet dies dennoch als "Erfolg". Das Pilotprojekt mit dem Namen "Sicheres Wohnen im Alter" wurde 2017 gestartet; seit 2020 ist es fester Bestandteil der Immobilien-Strategie des Kantons. Künftig will der Kanton das Projekt ausweiten: Auch private Liegenschaftseigentümer können sich neu am Projekt beteiligen. Quartier nicht wechseln In der Praxis zeigten sich offenbar mehrere Hürden: Ältere Menschen wollen meist nur in eine neue Wohnung im angestammten Quartier umziehen, damit sie ihre Kontakte weiter pflegen können. Eine solche Wohnung muss aber im Quartier erst frei werden, und erst noch dem Kanton gehören. "Wir künden gewiss keinen Mietern, nur damit wir einen solchen Umzug einleiten", betont Barbara Neidhart. Ein Umzug kostet nicht nur viel Geld, er ist auch mit erheblicher Arbeit verbunden. Einen Wohnungswechsel verhindern zuweilen grosse, liebgewordene Gegenstände oder riesige Sammlungen, die in einer kleineren Wohnung keinen Platz mehr fänden. Für Basel-Stadt dürfte das Projekt kaum nennenswerte Kosten gebracht haben, schätzt Neidhart. Bei der neuen, kleinen Wohnung muss der Kanton zwar auf einen Teil des vollen Mietpreises verzichten, dafür kann er für die freigewordenen, grossen Wohnungen einen leicht höheren Mietzins verlangen. Dabei dürften sich Kosten und Einnahmen in etwa die Waage halten, so Neidhart.
"Regierungsgesetz investorenfreundlich"
Das wäre ein gutes Modell, wenn es auch staatliche Regulierung enthalten würde, und zwar gegenüber den Rendite-treibenden Grossinvestoren wie CS, Zurich oder UBS, welche wöchentlich rücksichtslos 70-, 80- und 90-Jährige rauskünden. Leider ist aber das neue Regierungsgesetz investorenfreundlich und daher sowohl zahm wie gleichgültig gegenüber Älteren. Das soziale Basel muss daher auf ein überwältigendes Ja zur Wohnschutzinitiative hoffen, die am 28. November 2021 zur Abstimmung gelangt und die eigentlich eine Investorenverantwortungsinitiative ist.
Beat Leuthardt, Grossrat "Basta", Basel
"Fast unmöglich, eine geeignete Wohnung zu finden"
Das tönt alles sehr gut; besonders das mit dem "Barrierefrei". Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie schwer, ja fast unmöglich es ist, eine geeignete Wohnung zu finden, die man nicht nur barrierefrei erreichen, sondern sich auch in ihr selbst bewegen kann. (Besonders das Badezimmer kann zur unüberwindbaren Hürde werden.) Aber – es kommt noch etwas dazu: Wer jetzt seine Mietwohnung wechselt, bekommt ein grosses Problem. Die wahnsinnige Ausweitung der Geldmengen durch die Zentralbanken und die Vergrösserung der Staatsschulden führt (durchaus im Interesse der Schuldner, auch des Staates) früher oder später zu Inflation; in der Folge zur Erhöhung der (Hypothekar-)Zinsen, und so ganz automatisch zur nicht unbedeutenden Erhöhung der Mieten. Die Renten andererseits dürften eigentlich gar nicht steigen, weil die verfehlte Finanzpolitik schon jetzt die "arbeitende" Bevölkerung, insbesondere die Jugend, mittel und langfristig extrem benachteiligt.
Peter Waldner, Basel
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