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Menschen auf Plakaten sehen Dich an – und wirken plakativ
Ungefähr 22 Millionen Franken, wahrscheinlich einiges mehr, jedoch nicht gleichmässig verteilt, setzen Parteien und Private dieses Jahr in der Schweiz für die National- und Ständeratswahlen ein – mit welchen Absichten? Mit welchen Aussichten? Eine Diskussionsrunde in Basel.
Basel, 30. September 2011
Ein Teil der Auslagen fliesst in Flyer, Inserate, Parteizeitungen, elektronische Medien, der grösste aber zweifellos in öffentlich ausgehängte Plakate als werbewirksames und Aufmerksamkeit erzielendes Medium. Damit verbunden ist die Erwartung beziehungsweise die Hoffnung, dass die eigenen Mitglieder oder möglichste viele von ihnen die Fahrt nach Bern antreten. In Basel bewerben sich um die 100 Kandidaten und Kandidatinnen darum, das Volk zu vertreten, fünf werden sich auf die Reise machen.
An einer von Präsidentin Christine Wirz-von Planta geleiteten Diskussionsrunde des Vereins Plakatfreunde stellten Parteivertreter die Plakate ihrer Parteien vor. Die EVP behauptet auf englisch, zu klein zu sein, um zu fallieren; das Grüne Bündnis meint: "mit grün lebt sich‘s besser"; die Freisinnigen wollen "mehr Profil" in Bern zeigen und setzen ebenfalls auf Grün, weil das eine "frische Farbe" ist; die BDP versteht sich als "neue Kraft" (in fetten Versalbuchstaben); die Ziele der SVP sind soweit bekannt; die CVP verbreitet "Ideen für eine erfolgreiche Schweiz"; die LDP will Farbe in den Alltag bringen. Und die SP? Sie sagt unten rechts auf ihren Plakaten ja, sagte jedoch nein zur Diskussion und blieb ihr fern.
Wenn Köpfe auf Plakaten die Passanten anlächeln
Wie die Grünliberalen, so werben alle Parteien mit den Köpfen ihrer Kandidaten und Kandidatinnen (siehe Bild). Denn mit Köpfen gewinnt man Wahlen, und jeder Kopf ist ein Unikat, wie von grünliberaler Seite ausdrücklich zugegeben wurde. Eine Ausnahme macht nur die BDP.
Peter Pardey, früherer Direktor der Gewerbeschule, Max Buser, Kommunikationsfachmann, und Daniel Ranz, Inhaber einer Werbeagentur, diskutierten im Anschluss an die Präsentation über die Qualität der Plakate.
Peter Pardey stellte, wahrscheinlich nicht als einziger in diesem Kanton, das Fehlen von politischen Botschaften fest. Eben, wenn Köpfe zählen und an diesen Köpfen wahrlich kein Mangel herrscht. Max Buser konstatierte mit einer gewissen Ironie, dass es, wenn auf Plakaten Menschen lächeln, wohl wieder einmal Wahlzeit sei. Doch Wahlen würden nicht (oder nicht allein) durch Plakate gewonnen, sondern durch die Arbeit der Parteien und Politiker zwischen zwei Wahlterminen. Daniel Ranz vermisste auf den Plakaten jede Art von Schalk, alle Plakatierten würden todernst in die Welt blicken. Bei Buser lächeln die Plakatierten also, bei Ranz schauen sie ernst drei, manchmal fast gequält. So verschieden kann man es sehen.
Die Bedeutung der Porträtfotografie verkannt Zum Schluss schälte sich als Kritik der Fachleute immer deutlicher die Empfehlung an die Parteileitungen heraus, der Plakatwerbung etwas mehr Beachtung zu schenken. Das bedeutet, dass vom grafischen und gestalterischen Standpunkt aus die Plakate ohne weiteres professioneller ausfallen könnten. Also erfüllen sie die an sie gestellten Erwartung nicht, was eine deutliche Aussage ist. Es müsste möglich sein, mit Bild, Schrift, Form und Farbe ein wirksameres Ergebnis zu erzielen.
Wenn schon auf jede Botschaft verzichtet wird und Köpfe (solo oder im Fünferauftritt) als Hauptargument herhalten müssen, dann sollte der Porträtfotografie mehr Beachtung geschenkt werden – bedeutend mehr. Wer damit zu tun hat, weiss, wieviel Aufwand eine gute Personenaufnahme erfordert. Und wieviel sie kostet. Umso mehr festigte sich bei den Diskutanten auf dem Podium der Eindruck, dass hier gespart werde.
Das Ergebnis davon ist, dass kaum einer oder eine der Porträtierten mit seinen oder ihren Emotion wirklich bis zum Betrachter auf der Strasse vordringt. Die allermeisten bleiben auf den Plakatwänden kleben, wirken plakativ im besten Sinn des Wortes und strahlen nichts Persönliches aus. Wenn einmal drei Fotografen eine und dieselbe Person ablichten, wird bei einem Vergleich schnell sichtbar, was für eklatante Unterschiede sich ergeben können.
In vier Jahren sind wieder Parlamentswahlen. Bis dahin haben die Parteien Zeit, um über die Bücher zu gehen.
"Auf sämtliche Plakate verzichten"
Dieses Thema wird immer wieder diskutiert. Am besten wäre es, wenn sämtliche Parteien eine Vereinbarung treffen würden, auf sämtliche Plakate zu verzichten! Politische Botschaften können auch mit Leserbriefen übermittelt werden. Man könnte dadurch viel Geld sparen! Ob die WählerInnen auch Lust haben, Leserbriefe zu lesen, sei dahingestellt. Allen Leuten recht getan, ist eben eine Kunst, die niemand kann! :-)
Heinz Jäggi, Ortspräsident FDP, Buus
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