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BaZ-Journalistin kämpfte erfolgreich für den Quellenschutz
Basel, 7. Oktober 2020
Die Journalistin Nina Jecker, Lokalredaktorin bei der "Basler Zeitung", hat ein bedeutsames medienpolitisches Urteil erstritten: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schützte ihre Weigerung, den Strafverfolgungsbehörden den Namen eines Dealers herauszurücken, den sie porträtiert hatte. Das Urteil hat wegweisende Bedeutung im Hinblick auf journalistischen Quellenschutz in der Schweiz.
"Zu Besuch bei einem Dealer" lautete die Schlagzeile über einem Artikel, der vor acht Jahren in der "Basler Zeitung" erschien. Nina Jecker schildert darin ihre Begegnung mit einem Drogenhändler in seiner Wohnung in Basel, wo er seine Kunden mit Gras, Haschisch und Blütenstaub versorgt.
Wer steckt hinter "Roland"?
"Es klingelt. Ein Kunde steht vor der Türe. Er ist um die 30, gross, Brillenträger. Er komme direkt von der Arbeit in der Kantonsverwaltung, erzählt er. Weil man sich kennt, gibts ein Bier und natürlich wird gekifft. Dann präsentiert Roland das aktuelle Sortiment – aufbewahrt in einer Kartonkiste neben dem Sofa. B52, Orange Butt, White Widow, Zero-Zero sowie gelber und schwarzer Afghane …" So berichtet die Reporterin über das kleine Dealergeschäft, das seinem Betreiber nach eigenen Angaben jährlich rund 12’000 Franken einträgt.
"Roland" wird der Händler im Zeitungsbericht mit einem Pseudonym geschützt. Doch die Basler Staatsanwaltschaft möchte wissen, wer hinter Roland steckt, und leitet ein Strafverfahren ein. Doch die Journalistin weigert sich, die Quellen preiszugeben, eine Haltung, die das Basler Appellationsgericht schützt. Die Staatsanwaltschaft rekurriert ans Bundesgericht, das wegen der Schwere der vermuteten Delikte den Quellenschutz nicht anerkennt.
Standhafte Journalistin
Der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof hat nun das Bundesgerichts-Urteil umgestossen und der Journalistin recht gegeben, weil das Interesse am Quellenschutz in diesem Fall das Interesse an Strafverfolgung des Dealers überwog. "Meine Quelle hat mir vertraut. Für mich war es nie eine Option, deren Namen preiszugeben", sagte Nina Jecker gegenüber ihrer eigenen Zeitung.
Der Branchenverband "Impressum" begrüsst den höchstrichterlichen Entscheid und betont, "dass das Redaktionsgeheimnis eine Grundvoraussetzung der Medienfreiheit ist".
"Guter Einblick in eine Szene"
Ein mehr als richtiges Urteil des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs. Auch wenn Frau Jecker den Auftragskiller "Peter" oder die Giftmischerin "Andrea" interviewt hätte, gilt der Quellenschutz. Denn es ist nicht die Aufgabe der Medien Polizeiarbeit zu leisten oder Gerichtsurteile vorwegzunehmen. Anders sähe es aus, wenn Medienschaffende Ermittlungen aktiv behindern oder direkt Einfluss auf Gerichte nehmen würden. Beides war hier nicht der Fall und der Artikel gab ein guter Einblick in eine Szene, die den meisten unbekannt ist. Solche Einblicke wünsche ich mir von der Presse, denn sie dienen der eigenen Meinungsbildung.
Daniel Kobell-Zürrer, Basel
"Wo sind die Grenzen?"
Dieses Urteil ist bemerkenswert und hat sicherlich Auswirkungen auf die Arbeit der Medien. Allerdings frage ich mich: Würde das auch gelten, wenn Frau Jecker den Auftragskiller "Peter" oder die Giftmischerin "Andrea" interviewt hätte? Gibt es da Grenzen?
Daniel Thiriet, Riehen