Streit um "Doppelspiel" bei "Feldreben"-Sanierung
Ein personelles "Doppelspiel" könne dem Kanton Baselland bei der Sanierung der "Feldreben"-Deponie in Muttenz "Hunderte von Millionen Franken" kosten, behauptet die "Allianz Deponien Muttenz" (ADM). Der Kanton weist die Vorwürfe zurück.
Muttenz, 22. Januar 2013
Ins Visier nimmt die Bürgerinitiative Franziska Ritter, der sie ein "dreistes Doppelspiel" vorwirft. Ritter sei einerseits Verwaltungsrats-Präsidentin jener Firma "BCI Betriebs AG", die unter anderem für BASF, Novartis, und Syngenta die Chemiemülldeponie im jurassischen Bonfol ausgräbt. Anderseits organisiere Ritter für den Kanton Baselland als Bauherr unter Regierungsrat Peter Zwick (CVP) die Sanierung der Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz mit.
Vorwurf der Interessenskonflikte
Als Geschäftsleitungsmitglied und Sekretärin des "Runden Tischs" für den Kanton Basel-Landschaft soll Ritter in Muttenz die Interessen des Kantons beispielsweise gegenüber BASF-Kadermann Andreas Dür durchsetzen, mit dem sie in Bonfol als zeichnungsberechtigtes Duo im Verwaltungsrat der BCI Betriebs AG für die involvierten Chemie- und Pharmafirmen "am selben Industrie-Strick zieht", wie die ADM heute Dienstag in einem Communiqué schreibt. Selbst das "Projektsekretariat Sanierung Feldreben" führe mit Desirée Allenspach eine ehemalige Novartis-Angestellte.
Doch in Muttenz ist nicht nur Ritter zu eng mit der Industrie verstrickt. So sei auch Bernhard Matter, der für den Kanton Basel-Landschaft als Gesamtprojektleiter der Feldreben-Sanierung zuständig ist, als Mitglied der Direktion von Colombi Schmutz Dorthe (CSD) am Bonfol-Projekt beteiligt gewesen. So 2003 als Mitverfasser des ersten Bonfol-Sanierungsprojekts. Danach hätte der hochgiftige Sondermüll ohne Abluftreinigung "kostengünstig kleingehackt werden sollen, was das Schweizer Umweltgesetz nicht zulässt", wie ADM schreibt. Die Allianz wirft Matter vor, er scheine seit 13 Jahren daran zu arbeiten, dass die Sanierung der "Feldreben"-Deponie billiger zu stehen komme als jene in Bonfol.
Risiko von 400 Millionen Franken
Mit dem Arrangement des Kantons mit den Chemiefirmen übernehme das Baselbiet "ein Kostenrisiko von mindestens 400 Millionen Franken und die Verantwortung für die mögliche Trinkwasserverschmutzung". Die "Allianz Deponien Muttenz" fordert nun den "sofortigen Rücktritt" von Ritter und Matter aus den Sanierungsgremien, die Veröffentlichung aller Berichte und Unterlagen sowie eine Begutachtung der bisher unter Matter und Ritter getätigten Arbeiten "durch unabhängige Experten unter Beteiligung von ADM".
Der Vorwurf der Interessenskonflikte wird auch im Baselbieter Landrat ein Thema: Parlamentarier aus Grünen und der SP werfen dazu in einer Interpellation Fragen auf.
Kanton weist Vorwürfe von sich
Auf Anfrage von OnlineReports sagte Rolf Wirz, Sprecher der Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, der Kanton weise die Vorwürfe der Interessenskollisionen durch die ADM zurück. Sowohl Ritter wie Matter hätten am Runden Tisch eine "breite Akzeptanz" gefunden. Dass Experten der Deponiesanierung zwangsläufig schon in Chemiefirmen gearbeitet hätten, sei naheliegend, sagte Wirz, "sonst muss man Experten aus Dubai holen". Ausserdem stellt sich der Kanton auf den Standpunkt, die Frage einer Totalsanierung der "Feldreben"-Deponie sei seit dem negativen Volksentscheid im Jahr 2010 vom Tisch.
In einer am Nachmittag veröffentlichten Medienmitteilung heisst es wörtlich: "Der Vorsitzende des runden Tisches, Peter Zwick, bedauert, dass die ADM, die einen Einsitz in der Begleitkommission leider abgelehnt hat, mit der Diskreditierung von GL-Mitgliedern und ihren ungerechtfertigten Forderungen das Sanierungsprojekt torpediert, und damit die Sanierung verzögert."
"Keine Spur von der Vertretung des Volkes"
Es ist unglaublich, was sich die "Volksvertreter" in Sachen Deponien Muttenz bisher erlaubt haben und nun auch weiterhin erlauben. Von Vertretung des Volkes ist da gar nichts zu spüren. Zuerst wird die Schadstoffverordnung nach unten angepasst – das Zeug in den Deponien ist dann nicht mehr so giftig – und dann werden mit der Sanierung Menschen beauftragt, die so klar die Partei der Dreckverursachung vertreten, dass dies ohne grosse Nachforschungen klar wird. Auf gut Deutsch "Sauhäfeli – Saudeckeli". Aber klar man kennt sich, in den Kreisen werden die "Volksvertreter" gehätschelt und nicht angegriffen, das schmeichelt natürlich dem Ego der arg in der Kritik stehenden Regierungsräten.
Wer das Trauerspiel um die Sanierung der Deponien ein bisschen mitverfolgt hat, weiss, dass es genüg unabhängige Experten gibt.
Marianne Burkhardt, Präsidentin Grüne Muttenz, Muttenz
"Personen sind kompromittiert"
Als Grossrat des Kantons Basel-Stadt kann es mir nicht egal sein, wie die notwendigen Sanierungen im nachbarschaftlichen Raum von statten gehen. Schliesslich birgt jede Deponie die Gefahr, dass toxische Stoffe durch Grundwasserströme in existenzielle Bereiche der Lebensräume von Mensch und Tier geraten können. Wenn die Deponie Feldreben in Muttenz nicht à fonds ausgeräumt wird, muss die Region, das heisst auch die Menschen in Basel, mit einer Zeitbombe leben. Das wollen wir in Basel nicht, da trage ich als Volksvertreter eine Mitverantwortung. Deshalb muss diese Deponiesanierung umfassend erfolgen. Das ist mit Kosten verbunden, hohen Kosten. Wenn der Kanton Basellandschaft sich hier diese Rechnung von der Chemie eingekauft hat, ist das eine Geschichte. Wenn derselbe Kanton jedoch jetzt glaubt, mit einer Teilsanierung die höheren Kostenfolgen einer wirklichen, umfassenden Sanierung vermeiden zu können, liegt er meiner Ansicht nach komplett falsch in der (gemeinsamen) Landschaft. Mit Personen eine solche Sanierung angehen zu wollen, die durch mehrere Ueberschneidungen von Funktionen und Auftraggebern bereits kompromittiert sind, ist ein Weg in die Irre. Wenn nur der leiseste Geruch von Befangenheit im Raume steht, kann ich den "Ergebnissen" solcher Abklärungen und Konzepte nur mit Misstrauen gegenüberstehen. So gesehen unterstütze ich die Forderungen der ADM, es muss hier mit unabhängigen Fachleuten ein Neuanfang gemacht werden. Das Ziel ist für mich im übrigen schon jetzt klar: nur eine Sanierung mit der restlosen Entfernung des Grubenmaterials bis auf die Sohle kann mein Gewissen beruhigen und lässt die Bevölkerung in der Regio in Zukunft ruhig schlafen!
Steffi Luethi-Brüderlin, SP-Grossrat, Basel
"Über den Tisch gezogen"
Es ist unglaublich, wie sich die höchsten Vertreter des Kanton Basellandes, Regierungsräte, die sich für das Wohl des Kantons und der Bürger einsetzen sollten, derart massiv über den Tisch ziehen lassen! Ein Gelände kaufen mit dieser Altlast und dann erst noch die Verursacher anstellen! Diese wiederum haben von langer Hand dieses Pseudosanieren vorbereitet mit dem Ziel möglichst billig davon zu kommen. Diese internen Protokolle und Dokumente sind in der Tat höchst brisant und es ist wirklich ein absolut dreistes Doppelspiel.
Doch dieser Plan scheint aufzugehen. Jedem zukünftigen HausbesitzerIn wird geraten, doch sicherheitshalber einen Katatserauszug der parzelle zu besorgen um eventuelle Überraschungseier nicht zu bekommen. Der Kanton Baselland bittet sogar darum und man ist versucht zu sagen: wie blöd muss man sein um so einen Handel einzugehen.
Katharina Aellen, Präsidentin FbTK (Forum besorgter Trinkwasser KonsumentInnen), Allschwil
"Interessenskonflikte könnten teuer werden"
Die Sanierung der "Feldreben"-Deponie in Muttenz ist dringlich. Sie hat auf Kosten der VerursacherInnen endlich zu erfolgen. Lässt der Kanton Basel-Landschaft Verstrickungen von Verantwortlichen des Kantons mit Novartis, Syngenta und BASF zu, so schadet das den öffentlichen Interessen und der Bevölkerung. Interessenkonflikte, wie sie von der Allianz Deponien Muttenz dem Kanton im Fall von Frau Ritter vorgeworfen werden, könnten dem Kanton Basel-Landschaft und uns SteuerzahlerInnen teuer zu stehen kommen.
Ich fordere deshalb Regierungsrat Peter Zwick und allenfalls weiter verantwortliche Mitglieder der Baselbieter Regierung auf,
- umgehend Transparenz in der Angelegenheit herzustellen,
- allfällige Interessenskonflikte zwischen dem Kanton und den involvierten Chemie- bzw. Pharmaunternehmen zu beseitigen, und
- die Sanierung der Chemiemülldeponie endlich umfassend und auf Kosten der Verursacher sicherzustellen.
Susanne Leutenegger Oberholzer, Augst