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Sternchen-Diktat: Da macht OnlineReports nicht mit
Basel/Liestal, 26. April 2021
In der frühen Schule, als wir mit Tinte schrieben und vom Tablet nicht mal träumten, lernten wir Grundlegendes zum Thema "Darstellung". Die Pflicht-Anzahl der "Häuschen" bei Seitenrändern oder Textabschnitten war klar vorgegeben. Abweichungen wurden mit Notenabzug bestraft. Was uns damals als Regel nicht einleuchten mochte, hatte seinen klaren Sinn: Verständlichkeit und Lesefreude wenigstens formal optimal zu ermöglichen.
Seit einiger Zeit dringt nun die Gender-Polizei in die Darstellungsregeln ein. Um auch optisch zu offenbaren, dass auch andere sexuelle Identitäten als die rein männlichen nicht nur mitgemeint, sondern mitdeklariert werden, haben eifrige Reformer*innen beziehungsweise ReformierInnen beziehungsweise Reformer_innen in die Trickkiste gegriffen und mit einem Satzzeichen-Sammelsurium einen neuen Bekenner_innen-Status geschaffen: Ich bin genderpolitisch korrekt unterwegs.
Wir von OnlineReports machen bei diesem Spezialzeichen-Imperativ nicht mit. Es ist unser grundlegendes Bemühen, unsere Texte so zu schreiben und darzustellen, dass das Auge sie gern erfasst. *, !, _, I oder gar : innerhalb einzelner Wörter zerstören das optische Sprachbild, andere meinen sogar die Sprache als gewachsene Kulturform.
Dass wir Medienschaffenden (ich sage bewusst nicht Journalisten) uns sorgfältig um Formulierungen bemühen, die andere Geschlechts-Identitäten ebenso umfassen, ist eine Selbstverständlichkeit. So sprechen wir von Ärztinnen und Ärzten, von Pflegepersonal oder – substantivierte Partizipien genannt– von Geschäftsleitenden. Damit ist schon viel erreicht.
Ich würde aber nicht die Garantie geben, dass – sei es in der Hektik des journalistischen Alltags oder weil in nützlicher Frist kein entsprechender Geistesblitz erfolgt – nicht mal eine maskuline Formulierung durchgeht. Wir bitten die Leserinnen und Leser im Voraus um Verzeihung, dass der Wandel der Sprache jenem der Gesellschaft und ihrer Ausdrucksformen nicht im Tempo eines bequemen Klicks auf die Sternchentaste folgt.
Öffentliche Verwaltungen überschlagen sie derzeit in der Publikation epischer sprachpolizeilicher Regelwerke. Der hochinteressante "Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen" des Bundes umfasst gegen 200 Seiten.
Auch die "Gleichstellung von Männern und Frauen" (so heisst die Abteilung im Basler Präsidialdepartement, notabene, wo bleiben die anderen Variationen sexueller Identitäten?) leistet Support – etwa zu Titel- und Funktionsbezeichnungen. Negativ-Beispiel: "Zum Empfang bitten wir Herrn Dr. Hans Muster mit Gemahlin." Als amtlich korrekt bestimmt: "Zum Empfang bitten wir Frau Dr. Elsa Muster-König und Herrn Dr. Hans Muster."
Schon allein dieses Beispiel wirft eine Reihe Fragen auf. Beispielsweise, ob es legal korrekt ist, die Ehefrau mit dem Doktortitel anzusprechen, wenn ihn nur der Mann trägt.
Der begabte Binninger Hobby-Dichter Hansjörg Reinau-Krayer, Spezialist für alte Sprachen und ehemals Latein- und Griechischlehrer am Basler Kohlenberg-Gymnasium, hat uns unter dem Ttitel "Am Genderwesen woll die Welt genesen" das folgende Gedicht geschickt, das wir unseren Lesenden nicht vorenthalten möchten:
Es gibt, fürwahr, noch viel zu tun,
deshalb lasst uns noch lang nicht ruh’n.
Lasst dort, wo sie noch nicht vorhanden,
die Sternchen zielgerichtet landen:
Erst wenn ein Text von Sternen wimmelt,
gilt er zu Recht als nicht verschimmelt.
Das Hauptproblem, vergesst das nie,
ist heute nicht die Pandemie,
nein, was um vieles ist noch schlimmer:
wir schreiben leider heut’ noch immer
in Machoform; nicht nur für Frauen,
für manche Männer ist’s ein Grauen.
Deshalb, Ihr Nasenbohrer*innen,
den Finger raus, viel zu gewinnen
gibt’s noch, lasst Euch nicht unterkriegen:
wir werden ohne Zweifel siegen
in diesem heil’gen Krieg der Sterne
in gar nicht allzu weiter Ferne.
Dann wird die Welt sich endlich ändern
zum Besseren: hoch leb’ das Gendern!
"Wahrscheinlich ist Stolpern erforderlich"
Dass die Machtverhältnisse auf dieser Welt unausgeglichen sind: gegessen! Dass es auch eine Gefälle zwischen Mann und Frau gibt: bekannt. Dass nicht nur Männer und Frauen, sondern diverse Formen von Geschlechteridentitäten existieren: ja! Dass ich all dem auch sprachlich gerecht werden will: selbstverständlich! Darüber mag ich mich auch nicht ironisch auslassen.
Unsere ganze gewachsene deutsche Sprache ist nun mal grösstenteils ein Abbild der herrschenden Machtverhältnisse. So gesehen sind alle gendergerecht verwendeten Satzzeichen Hilfskonstruktionen, welche meine Sehgewohnheiten strapazieren. Meinen Lesefluss ins Stocken bringen können. Vielleicht ist dies ja gewollt. Eventuell ist dies auch nötig. Wahrscheinlich ist Stolpern erforderlich.
Traditionelle Schrift- und Sprachästhetik bleibt damit wohl auf der Strecke. Entziehe ich mich der Auseinandersetzung, indem ich beim Gewohnten bleibe? Unterwerfe ich mich den neuen Formen, weil ich das Ungleichgewicht ausmerzen möchte? Oder setze ich künftig vor all meine Texte ein Sternchen und zeige damit an, dass ich alle mit einschliesse?
Steffi Luethi-Brüderlin, Basel
"Etwas heuchlerisches Sternchenwunder"
Danke für diesen Beitrag. Sie sprechen mir aus der Seele. Das "Sternchenwunder" ist etwas heuchlerisch oder welcher Versuch auch immer, beide Geschlechter zu erwähnen. Diese Schreibweise diskriminiert auch jene, die mit zwei Geschlechtern geboren werden. Oder die Menschen die sich aus Gendersicht als mehrgeschlechtlich oder nicht eindeutig erleben. Wenn mann diese auch noch berücksichtigen müsste, wäre der Sprachfluss gänzlich dahin. Und nebenbei ist es gar nicht immer machbar.
Fredi Jaberg, Bubendorf
"Jetzt habe ich verstanden"
Jetzt habe ich verstanden, sprich nun heisst also ein bekanntes Sprichwort: "Die Äpfelin fällt nicht weit von die Stämmin." Ist doch einfach Weichin in die Kecksin.
Markus Hofstetter, Birsfelden
"Deutschsprachige Ausdrucksweise wird pervertiert"
Vielen Dank für Ihren gesunden Menschenverstand und dafür, dass Sie diesen Gender-Irrwitz, die deutschsprachige Ausdrucksweise zu pervertieren und abstrus zu gestalten, nicht mitmachen. Auch wenn man eigentlich etwas gutmachen möchte, erreicht man leider das pure Gegenteil – so wie mit dieser Gender-Sprachverhunzung der Emanzipation und dem Gender-Mainstreaming einen Bärendienst erwiesen wird.
Urs Erny, Pfeffingen
"Männer im Plural sind weibllich"
Die unbeholfene Genderei gewisser Beamter und Politiker ist mühsam. Allen, die Sprache interessant finden, sollten einmal über den Satz nachdenken: Das Pferd ist ein Tier, und dann noch in der Tierwelt bleiben, weil die Amsel gerade so schön singt. Die singende Amsel ist ein Männchen. Das Weibchen singt nicht. Und dann kann man sich auch noch wundern, dass die Männer im Plural weiblich sind.
Liselotte Reber, Basel
"Es gibt neuerdings auch noch Spinner:Innen"
Eine Variante wurde im Text leider unterschlagen: Es gibt neuerdings auch noch Spinner:Innen. Bleibt nur noch die Hoffnung, dass künftig Vorstösse im Grossen Rat auch ohne *Schnickschnack eingereicht werden können. In Sicherheit wiegen darf man sich aber nicht.
Roland Stark, Basel
"Eine Art inszeniertes Linkssein"
Igitt, ich zitiere die "Weltwoche" (vom 15. April 2021)! Aber ich bin ein Bewunderer von Sarah Wagenknecht – sie bringt so vieles auf den Punkt!
Wagenknecht: "Es ist natürlich viel einfacher, die Sprache zu reglementieren, als einen höheren Mindestlohn durchzusetzen. Bei Ersterem gibt es kaum Widerstand, sogar die grossen Unternehmen machen mit. Bei echten sozialen Forderungen muss man sich dagegen mit einflussreichen Lobbys anlegen. Also konzentriert man sich lieber auf symbolische Kämpfe um Sprache und Lebensstil, denn einem selbst geht es sozial ja gut. Es ist eine Art inszeniertes Linkssein. Mit linken Traditionen hat es letztlich nichts zu tun."
Claude Rohner, Basel
"Aber sie bewegen sich doch"
Wir treuen Leserinnen und Leser von OnlineReports kennen die Meinung von pkn. zu diesem Thema. Zu den Sternchen fällt mir ein: Manche Himmelskörper sind auffällig in Bewegung und andere sind wie Fixsterne und wollen sich nicht bewegen. Aber sie tun es, indem sie sich mit dem ganzen Universum bewegen, doch.
Stephan Kalt, Basel
"Deutsche Sprachvergewaltigung"
Herzlichen Dank für diesen Beitrag zum tagtäglich mehr um sich greifenden "Gender-Wahnsinn" in der deutschen Sprache, sowohl in Schrift und Sprache. Oft bekommt man den Eindruck, dass die Textverfasser (pardon: und Textverfasserinnen!) auf Grund der Anzahl Wörter für ihre Berichte honoriert werden. Wieso setzen sich nicht mehr Leser, Hörer und Schriftsteller gegen diese den Sprachfluss störende deutsche Sprachvergewaltigung zur Wehr?
Hans Zumstein, Cham
"Gender-Gerechtigkeit funktioniert auch ohne Schreibsymbole"
Peter Knechtli hat es bei diesem sich viral ausbreitenden Sternzweichen-Imperativ wieder einmal perfekt auf den Punkt (und nicht Stern!) gebracht: Gender-Gerechtigkeit kann bestens auch ohne Schreibsymbole funktionieren. Ich habe sogar manchmal den Verdacht, dass eine solche "Schreib-Gerechtigkeit" nur ein Vorwand ist und die Praxis anders aussieht. Das sollte sich auch die "Gender-Polizei" aus dem Präsidialdepartement zu Herzen nehmen. Gender-Gerechtigkeit war, ist und wird für mich immer eine Selbstverständlichkeit sein auch ohne Sternchen, Unterstrichen und -Innen.
Heiner Vischer, e. Grossratspräsident, Riehen
"Kein Unterschied zwischen männlich und weiblich"
Wie wäre es, wenn man das Deutsche durch das Japanische oder Ungarische ersetzen würde, die beide keinen Unterschied zwischen männlich und weiblich kennen? Gender gab es allerdings bei der Entstehung aller dieser Sprachen nicht, diese kamen erst mit unserer Wohlstands-Gesellschaft auf.
Alexandra Nogawa, Basel
"Schreibweise nimmt unmögliche Formen an"
Ihre Haltung zu diesem Sternchen-Unsinn kann ich nur unterstützen. Diese "gendergerechte" Schreibweise nimmt unmögliche Formen an.
Theo Klee, Frenkendorf