CVP kritisiert Basler Grossrats-Präsidenten
Basel, 5. Juni 2008
Scharfe Kritik übt die Basler CVP nach der Parlamentsdebatte von gestern Mittwoch am sozialdemokratischen Grossratspräsidenten Roland Stark. Grund ist sein Stichentscheid, mit dem er die Überweisung eines Vorstosses von CVP-Grossrat Lukas Engelberger an die Regierung verhinderte. Engelberger hatte in einem Anzug "Präzisierungen" und eine "Aktualisierung" zur Definition des "guten Leumunds", der langjährigen Sozialhilfeabhängigkeit, der Bezahlung der Steuern und des Mindestalters für Einbürgerungsgesuche verlangt, die eine leicht verschärfende Tendenz haben und für mehr Klarheit hätten sorgen sollen.
Indem Stark nun dem Vorstoss die Unterstützung verweigerte, habe er "jegliches Fingerspitzengefühl" vermissen lassen, schreibt die CVP heute Donnerstag. Es sei "geradezu fahrlässig", diesen Anzug nicht an die Regierung zu überweisen. Der Grossratspräsident spiele "mit seinem unsäglichen Entscheid allen fremdenfeindlichen Tendenzen in die Hand". Die CVP habe festgestellt, dass die Kriterien für die Einbürgerungen "möglicherweise nicht hieb- und stichfest" seien, und dass wichtige Voraussetzungen "leider nicht immer erfüllt sind, weil keine klare gesetzliche Regelung besteht". Damit "Rechts-Tendenzen in unserem Land nicht weiter Auftrieb erhalten", seien gerade die im Vorstoss erwähnten Überprüfungen der Voraussetzungen von grösster Bedeutung, heisst es weiter.
Wie Engelberger gegenüber OnlineReports erklärte, will er den Fall auf sich beruhen lassen. Ob später ein neuer Anzug ähnlichen Inhalts folgen werde, sei offen.
"Stark war schon immer eine strammer SP-Parteisoldat"
Ich kann, ehrlich gesagt, die Reaktion der CVP auch nicht verstehen. Roland Stark war schon immer eine strammer SP-Parteisoldat und wird es auch bleiben. Er versteht es allerdings immer wieder hervorragend, den Bürgerlichen Sand in die Augen zu streuen. Solche Stichentscheide gab es schon in früheren Zeiten, allerdings waren es bürgerliche Grossratspräsidenten / Grossratspräsidentinnen, welche den Stichentscheid zu Gunsten der Linken fällten.
Angelika Zanolari, Grossrätin SVP, Basel
"Ich wünschte mir eine Präzisierung von Herrn Stark"
Roland Stark war mir als für die, aus meiner Sicht, sehr sinnvolle Verkleinerung des Regierungsrates auf fünf Mitglieder Engagierter in Erinnerung, und dies gegen seine eigene Fraktion. Aus einem Austausch in der OnlineReports-"Brasserie" 2004. Seinen letzten Auftritt in dieser Sache beendete er 2005 im Verfassungsrat, sinngemäss, mit den Worten: "Natürlich werde ich nicht alleine, isoliert, auf einer Verkleinerung von sieben auf fünf Regierungsräte bestehen und ziehe meinen Antrag deshalb zurück."
Was ist bloss aus diesem stets ausserordentlich selbstbewussten, einst eigenständigen Manne geworden? Was spricht, verflixt nochmals, gegen eine "Präsizierung und Aktualisierung der Einbürgerungskriterien" in dieser Stadt, in dieser Zeit, was? Das wünschte ich gerne vom Grossrats-Präsidenten präzisiert zu erhalten. Bemerkenswert ist das Abstimmungsergebnis von 53 zu 53 Stimmen. Denn die geschlossene Linke (Basta, Grüne und SP) verfügt über mehr als 61 Stimmen (exklusive Grossrats-Präsident) im Grossen Rat.
Patric C. Friedlin, Basel
"Diese polemischen Reaktionen sind rätselhaft"
Jede Grossratspräsidentin, jeder Grossratspräsident muss in seinem Amtsjahr den einen oder anderen Stichentscheid fällen. Dabei ist es unvermeidlich, dass eine Hälfte des Parlaments nach der Abstimmung unzufrieden ist. Beim Anzug der CVP zur Überprüfung der Einbürgerungskriterien stand es 53:53. Anschliessend habe ich den Stichentscheid zuungunsten des Vorstosses gefällt.
Es ist rätselhaft, weshalb dieser Entscheid bei den Verlierern derart polemische Reaktionen ausgelöst hat. Der Grosse Rat kann seinen Betrieb weitgehend einstellen, wenn nach jeder Abstimmung die unterlegene Partei die beleidigte Leberwurst spielt und, was aussergewöhlich ist, den Grossratspräsidenten persönlich beschimpft.
Immerhin: Meine Fraktion wird über die Aussage der CVP und diverser Leserbriefschreiber glücklich (und vor allem überrascht) sein, dass ich mich als ein sturer, linientreuer SP-Parteisoldat entpuppt habe.
Roland Stark, Grossratspräsident, Basel
"Roland Stark verfiel alter SP-Taktik"
Missstände bewusst zu perpetuieren, statt zu beheben, ist verwerflich. Leider ist Roland Stark gar in seiner Rolle als Grossratspräsident mit seinem unseligen Stichentscheid gegen den Vorstoss von CVP-Grossrat Lukas Engelberger einer leider immer wieder angewandten Taktik von Sozialdemokraten verfallen, Lösungen für anstehende Probleme aktiv zu verhindern. Ein weiterer Beitrag zu einer rückwärts gewandten Politik!
Niklaus C. Comunetti, Basel
"Wo wird die Helvetopathie gefördert"
Es ist in der Tat ärgerlich, haarsträubend, wenn ein Grossratspräsident - der bekanntlich über den Parteien stehen sollte und exklusive dem langfristigen Wohle des Staates und der Bevölkerung verpflichtet ist - eine dringendst notwendige Präzisierung und Aktualisierung der Einbürgerungs-, Aufenthaltskriterien verhindert. Und es ist absolut zutreffend, dass er damit die von jener selbsternannten "Partei des Volkes" geschürte Helvetopathie, ihren Nationalismus bis hin zum Rassismus, fördert.
Der Stichentscheid gegen den Antrag Lukas Engelbergers ist - aus liberaler Sicht - exemplarisch verantwortungslos und kann nur dadurch erklärt werden, dass er zu tief in der Schuld jenes Teils von Basel steht, der von den im Zweifel offenkundig zu Gunsten der Antragstellenden ausgelegten Unklarheiten profitiert. Roland Stark stimmte klar extrem links. Er fügte damit dem Ansehen des Grossratspräsidiums nachhaltigen Schaden zu! Sachlich bleibt bloss der Weg der Initiative, den man sofort initiieren sollte.
Patric C. Friedlin, Basel