Reisende, die die Kultur-Sammlung bereichert haben
Das Museum der Kulturen besinne sich auf seine Tradition, stellte Direktorin Anna Schmid fest, als sie die neue Ausstellung "Expeditionen" den Medien vorstellte. Präsentiert werden Expeditionen von vier Reisenden, die geholfen haben, die Bedeutung des Museums zu begründen: Paul und Fritz Sarasin, Felix Speiser, Alfred Bühler mit Willy Louis Meyer und René Gardi zusammen mit Paul Hinderling.
Basel, 27. Juni 2012
Der Untertitel der Ausstellung ist vielversprechend, aber nicht weniger vieldeutig: "Die Welt im Gepäck". Die Reisenden sind als Wissenschafter und Forscher losgezogen, die Welt im Gepäck haben sie nach Hause zurückgebracht, Paul Sarasin (1865-1929) und sein Grossvetter Fritz Sarasin (1859-1942) aus Ceylon, Felix Speiser (1880-1949) aus Vanuatu, Alfred Bühler (1900-1981) aus Indonesien und Osttimor, sowie René Gardi (1909-2000) aus Kamerun.
Die Sarasins sieht man in der Ausstellung auf einem erlegten Elefanten (heute würde niemand mehr so eine Aufnahme von sich machen, ausser vielleicht der spanische König), aber die Grossvettern waren eigentlich Zoologen und wollten Elefantenembryonen studieren. Die Begegnung mit der Kultur der Veddahs auf Ceylon liess sie zu Ethnologen werden.
Wie die Sarasins finanzierte Felix Speiser, alle Vertreter des Basler Grossbürgertums, auch seine Reisen selber. Er wollte "retten, was noch zu retten ist". Seine nach Basel mitgebrachten Objekte legten den Grundstein der Melanesien-Sammlung des Museums.
Forschung in Indonesien und Osttimor
Der erste Basler wissenschaftliche Reisende, der mit einem Auftrag der Kommission des Museums losreiste, war Alfred Bühler. Er konnte mit einem staatlichen Beitrag an die Auslagen rechnen, den Rest bezahlte er selber. Sein Interesse galt der kulturellen Verwandtschaft, Besiedlungsgeschichte und Migrationsrichtungen in Indonesien und Osttimor. Später machte Bühler, zu einer weitherum anerkannten Persönlichkeit in der Textilforschung geworden, die Textilsammlung zu einem Schwerpunkt des heutigen Museums der Kulturen.
Durch René Gardi wurde die Afrika-Sammlung aufgebaut. So haben alle Reisenden durch ihre Tätigkeit die Bestände des Museums bereichert. Aber wie sind die Objekte ins Museum gekommen? Durch vier fokussierten Expedition sind mehr als 7'000 Objekte gesammelt worden – und es waren nicht die einzigen Expeditionen der fünf Reisenden sowie aller anderen, die ebenfalls für das Museum der Kulturen unterwegs waren.
Verändertes Bild der Welt
Die grossen Forschungs- und Entdeckungsreisenden haben das Bild der Welt vertieft und den Horizont im besten Sinn erweitert. Dass die Welt nicht "etwas" war, sondern "vieles" und "verschiedenes", das war die grosse Erkenntnis, mit der sich die Menschen erst noch vertraut machen mussten. Man erinnert sich an eine Bemerkung von Michel de Montaigne in den "Essays", der erstaunt feststellte, dass die Wilden uns nicht mehr in Erstaunen versetzen als wir sie.
Die grossen Reisen in der Vergangenheit von Heinrich dem Seefahrer bis Thomas Cook und Antoine de Bougainville waren keine Abenteuerreisen, auch wenn sie tatsächlich abenteuerlich verliefen. Alle Reisenden hatten von ihrer Herrschern feste Aufträge, die sie verpflichteten, genaue Kenntnisse der entdeckten Orten mitzubringen und, wenn immer möglich, Handelsbeziehungen herzustellen. Nur zu oft sind daraus daraus blutige koloniale Verhältnisse geworden.
Fest steht, dass die Welt näher gerückt ist. Der "Andere" ist zum Mit-Player geworden, mit dem wir rechnen müssen, was nicht heisst, dass wir nicht selbst dieser Andere für die Übrigen sind. Alle sind wir heute, in der Folge Montaignes, einer wechselseitigen Beeinflussung ausgesetzt.
Neugier, Vermehrung des Wissens, Rettung
An der Präsentation wiesen die Kuratoren Gaby Fierz, Alexandre Wessel und Richard Kunz auf drei zentrale Merkmale des Reisens im Auftrag des Museums hin: Neugier steht am Anfang, Vertiefung des Wissens ist die Absicht, Rettung der fremden Kulturen wird als Ziel dargestellt.
An dieser Stelle sollte das Museum noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten. Dass viele Objekte, die die Forscher nach Hause brachten, ausgehandelt worden sind, darf man annehmen, aber viele sind auch mehr oder weniger entwendet oder geraubt worden, und dies unter dem Vorwand, sie zu erhalten. Erstaunlich ist auch, dass Neugier und Wissen zentrale Kategorien aus Europa sind. Aus eigener Reiseerfahrung weiss ich, dass fremde Völker in Afrika oder Asien selten interessiert sind an den Reisenden, die sie aus Europa und der westlichen Welt besuchen, und ihr Wissen darüber hält sich in Grenzen.
Das Fernsehen hat daran in jüngster Zeit etwas geändert. Ich habe einmal in einem Dorf in Ostgrönland mit meinen Gastgebern einen Tierfilm aus Afrika angeschaut. Zwei extrem verschiedene Welt sind da aufeinander gestossen. Vielleicht hat die globalisierte Welt am Ende doch noch einige Vorteile gebracht.
Wie sind die Objekte nach Basel gekommen?
Damit soll mindestens angedeutet werden, dass die Ausstellung im Museum der Kulturen eine Einbahn-Blickrichtung einnimmt. Wir schauen die anderen an, aber wie schauen diese uns an? Sie sind Objekte unseres Interesses und Wissens. Umgekehrt auch? Wir reisen zu den entfernten fremden Kulturen, studieren ihre materielle Kultur und ihr geistiges, religiöses, spirituelles Leben, kommen mit grossem Gepäck zurück, das wir ausbreiten – und verlieren kein Wort, wie das alles möglich war. Zugute halten kann man dem Museum dafür, und das ist nicht wenig, dass es diesmal nicht nur ein paar Steine an feinen Fäden aufgehängt und dazu nachdenkliche Erklärungen abgegeben, sondern doch immerhin um die 500 Objekte ausgestellt hat, die man anschauen kann und die in einem bestimmten Zusammenhang mit der Tätigkeit des Museums stehen. Denn seit Goethe und Buffon wissen wir, dass alle Erkenntnis vom Objekt (vom Betrachten des Objekte) ausgeht. Darauf richten wir unsere Aufmerksamkeit.
Museum der Kulturen Basel: Expeditionen. Und die Welt im Gepäck. Vernissage 27. Juni 18.30 Uhr. Dauerausstellung bis auf weiteres.
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