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Ein Auto- und Parkplatz-Manifest direkt vor Wessels Büro
Der Kampf gegen immer schlechtere Bedingungen für Automobilisten und für mehr Parkplätze in Basel steht vor einem neuen Höhepunkt: Breite Kreise aus Gewerbe und bürgerlichen Parteien kündigten heute einen heftigen Kampf für ein Ja zu ihren beiden Initiativen ("Zämme besser") an. Das Volk entscheidet am 9. Februar.
Basel, 7. Januar 2020
Das Restaurant "Isaak" am Münsterplatz ist nicht bekannt dafür, dass hier politische Komitees ihre Kampagnen präsentieren. Das war heute Dienstagmorgen anders: Der hintere Teil des Restaurants war komplett von politischen Protagonisten und Medienschaffenden belegt. Angesagt war der Start zum Abstimmungskampf für die beiden verkehrspolitischen Volksinitiativen, die unter dem Sammelbegriff "Zämme besser" segeln.
Unweit von Wessels Büro
Der Standort war nicht zufällig gewählt. Vielmehr war es den Initianten ein Anliegen, ihre Wut über die systematische Benachteiligung des Verkehrsmittels Auto in unmittelbare Nähe des einen guten Steinwurf entfernten Büros von Bau- und Verkehrsminister Hans-Peter Wessels zu tragen. Seine "einseitige Verkehrspolitik", so äusserte sich Gewerbeverbands-Präsident Marcel Schweizer, werde "unvermindert weitergeführt".
Dass dies "eine Mehrheit der Bevölkerung" so nicht akzeptiere, hätten mehrere Volksabstimmungen gezeigt – so das Nein zur Parkraum-Bewirtschaftung im Jahr 2010, das Nein zum Erlenmatt-Tram 2013, das Nein zur VCS-Strasseninitiative (2015) oder das Nein zum Veloring (2017). Die Ablehnung von Initiativen, die den massiven Abbau von Parkplätzen und Beschränkungen des motorisierten Individualverkehrs verlangten, hatten Mehrheiten von bis zu 73 Prozent erreicht.
Schleppende Behandlung im Grossen Rat
Um dem Volkswillen zum Durchbruch zu verhelfen, lancierte eine breite bürgerliche Allianz 2016 die beiden "Zämme besser"-Initiativen "für eine faire und ausgewogene Verkehrspolitik", die ein Jahr später mit je 4'000 Unterschriften eingereicht wurden.
Die Behandlung im Grossen Rat verlief indes schleppend. Der Versuch von drei Privatpersonen, die die Initiativen vor Appellationsgericht für verfassungswidrig erklären zu lassen, scheiterte. Bereits heute brächten die Gegner die Falschaussage in Umlauf, der Münsterplatz würde nach einem Ja wieder zu einem Parkplatz, ärgerte sich Schweizer.
Die Initianten wollen mit ihren Volksbegehren ein "faires Miteinander" von Fussgängern, Velofahrenden, Trambenützenden und Automobilisten – aber auch und nicht zuletzt im Interesse der Gewerbetreibenden ein genügendes Parkplatzangebot, wie die CVP-Grossrätin Beatrice Isler, die LDP-Bürgergemeinderätin Corinne Eymann-Baier und TCS beider Basel-Geschäftsleiter Lukas Ott erklärten.
Nicht kompatibel mit offiziellen Wachstumszielen
Die Initiative "Zämme fahre mir besser" verlangt unter anderem die Aufhebung des Ziels, den motorisierten Verkehr um zehn Prozent zu reduzieren. Denn dieses Ziel widerspreche den offiziellen Wachstumszielen des Kantons Basel-Stadt, da die Wohnbevölkerung in den letzten zehn Jahren um 10'000 Personen zugenommen habe, während gleichzeitig 20'000 neue Arbeitsplätze entstanden. Die angekündigten künstlichen Rotlicht-Staus führten zu Ausweichverkehri n den Quartieren.
"Ganz ohne Autos geht es nicht", mahnte Beatrice Isler und plädierte dafür, in der Verkehrspolitik endlich "keinen ideologischen Kampf mehr zu führen". Die "persönliche Wahl des Verkehrsträgers" soll auch in Zukunft gewährleistet sein. Neue Antriebstechnologien seien aber noch nicht alle zur Reife entwickelt, beim Abbau von Kobalt zur Herstellung von Autobatterien sei "Kinderarbeit beteiligt". Das von den Gegnern verlangte Carsharing werde "viel Geld kosten und viel Personal benötigen".
Unterirdische Parkplätze sind teuer
Corinne Eymann-Baier aus dem Wettstein-Quartier kritisierte, dass bis heute weder die Regierung noch der Grosse Rat ein "ganzheitliches Verkehrskonzept" vorgelegt hätten. Deshalb sei auch die Initiative "Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer" wichtig. Sie führe dazu, dass ausreichend Parkplätze auf öffentlichem Grund für Velo und motorisierten Individualverkehr vorhanden seien.
Zwischen 2000 und 2015 seien in Basel 3'000 Parkplätze aufgehoben worden, und der Abbau gehe in dieser Kadenz weiter. Gefordert werde, dass bei einem Parkplatz-Abbau in der Umgebung von 200 Metern gleichwertiger Ersatz geschaffen werde. Die Votantin anerkannte, dass in letzter Zeit unterirdische Parkflächen geschaffen worden seien, aber "längst nicht alle, insbesondere Familien, können sich einen solchen Parkplatz leisten".
Gefahr einer "Verdrängung" des Autos
TCS-Funktionär Lukas Ott bemängelte, dass eine knappe rot-grüne Mehrheit des Grossen Rates kein Interesse an einer gemeinsam getragenen Verkehrspolitik habe. Statt zu einem Kompromiss Hand zu bieten, habe diese Mehrheit einen "Pseudo-Gegenvorschlag" vorgelegt, mit der die heutige Verkehrspolitik "nochmals drastisch verschärft wird". So soll die Benützung von nicht vollständig besetzten motorisierten Fahrzeugen weiter eingeschränkt und letztlich verdrängt werden.
Bild von links: Marcel Schweizer, Beatrice Isler, Corinne Eymann-Baier, Lukas Ott
Weiterführende Links:
- Verfassungs-Beschwerde gegen "Zämme fahre mir besser"
- Regierung will Autoverkehr weniger stark reduzieren
- "Zämme fahre mir besser!": Gewerbeverband sauer

"Initiativen sind ein trojanisches Pferd"
Die beiden Auto-Initiativen des Gewerbeverbands sind der berühmte "Wolf im Schafspelz" oder eben das trojanische Pferd. Ich gehe davon aus, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Basels ihre ausgezeichnete Lebensqualität nicht aufs Spiel setzen möchten und deshalb nicht auf die falschen Versprechungen ansprechen. Offenbar sind aber sogar Teilnehmende an der Medienkonferenz in diese Falle getappt.
Frau Eymann-Baier und die Partei der Sie angehört, betonen gerne und immer wieder, dass sich der Staat möglichst wenig einmischen soll. Aber wenn es um das subventionierte Abstellen von Privatfahrzeugen auf öffentlichem Grund geht, entdeckt sie plötzlich ihre soziale Ader. Darf ich nach Annahme der Initiative dann endlich auf 12m2 Strasse meinen Gartensitzplatz für Fr. 284.- Miete pro Jahr einrichten?
Und zu Frau Isler erlaube ich mir die Frage ob Sie sich bewusst ist, dass mit dem vorgeschlagenen Initiativ-Text z.B. das Nachtfahrverbot in der Dornacherstrasse zum Schutz der im Gundeli wohnenden Menschen nie möglich gewesen wäre. Ich glaube kaum.
Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden und stimmen Sie am 9. Februar 2 x Nein zu den rückständigen Autoinitiativen.
Florian Mathys, Basel
"Der falsche Weg"
Dass die Initianten um den Gewerbeverband für ihre beiden Initiativen werden, ist ganz normal. Aber auf dieser Pressekonferenz wurden so viele Falschinformationen zum Besten gegeben, dass es schon weh tut. Ich nehme nur ein paar Beispiele raus, um dies zu belegen: 1. Es handelt sich bei der Parkplatzreduktion nicht um einen Feldzug Wessels gegen die bösen Autos, sondern um einen Auftrag, den die Regierung durch den angenommenen Gegenvorschlag zur Städteinitiative vom Souverän im Jahr 2010 erhalten hat. 2. Ich schätze Frau Beatrice Isler als Lobbyistin und aktive Förderin des Gundeldinger Quartiers. Hier verrennt sie sich aber in verschiedenen Falschaussagen. Die deutsche Automobilindustrie hat zum Beispiel im November 2019 bestätigt, für ihre E-Fahrzeuge kein Kobalt aus dubiosen Quellen (Kinderarbeit) zu verwenden. Dasselbe hat auch schon Elon Musk für seine Tesla Fahrzeuge und Batteriespeicher bestätigt. Weltmarktführer bei Kobalt und Lithium ist übrigens die Schweizer Firma Glencore. 3. Im BZ-Interview vom 08.01.2020 hat Frau Corinne Eymann vom bisherigen Abbau von 4000 Parkplätzen gesprochen. Bei der gestrigen Pressekonferenz waren noch 3000 abgebaute Parkplätze. Darf man davon ausgehen, dass diese Zahl bis zur Abstimmung einer gewissen inflationären Steigerung unterworfen sein wird? 4. Frau Isler behauptet an der Pressekonferenz, alternative Antriebstechniken seien noch nicht ausreichend entwickelt, Carsharing sei zudem teuer und personalintensiv. Ich weiss nicht, was das mit den beiden Initiativen zu tun haben soll, aber als langjähriger zufriedener Carsharing und Bikesharing - Nutzer kann ich Frau Isler beruhigen. Wenn Sharingmodelle nicht attraktiv sind, dann verschwinden sie sehr rasch vom Markt. Und dass Elektrofahrzeuge und Hybriden nicht ausgereift sein sollen – na, diese Aussage verstehe, wer will. Beim Initiativkomitee scheint Fachwissen und die Kenntnis über heutige, urbane Mobilitätsformen nicht sonderlich entwickelt zu sein. Dafür möchte man mit den beiden Initiativen wieder zurück zur "autogerechten Stadt" der 60er Jahre, die uns Scheusslichkeiten wie die A2 quer durch Basler Wohnquartiere oder das Heuwaageviadukt beschert haben. Ich hoffe aber, dass wir nach 50 Jahren MIV-Anbetung endlich ein Stück weiter sind und uns auf eine wohnliche und gewerbefreundliche Stadt konzentrieren. Dafür sind die beiden rückwärtsgewandten Initiativen des Gewerbeverbands ganz sicher der falsche Weg.
Phil Bösiger, Basel
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