"Soup & Chill": CMS und GGG kappen den Geldhahn
"Soup & Chill" ist eine bekannte Verpflegungs-Institution für Bedürftige. Jetzt steigen CMS und GGG aus der Finanzierung aus. Der Kanton Basel-Stadt stellt neue Forderungen.
Basel, 17. März 2021
Was sich seit längerer Zeit abgezeichnet hat, ist jetzt Tatsache: Die Christoph Merian Stiftung (CMS) und die GGG Basel (GGG) beenden die Unterstützung des Vereins "Soup & Chill" und seiner Wärmestube. Nach Meinung der beiden Subventionsgeber erreicht das Angebot "nicht die angestrebte Zielgruppe".
Die Wärmestube existiert seit 2006. Ihr Angebot besteht aus der kostenlosen Abgabe von Getränken und Essen sowie einem Aufenthaltsbereich für Obdachlose und Armutsbetroffene, die sich rund um den Bahnhof SBB aufhalten. "Soup & Chill" wird seit über zehn Jahren von der CMS, der GGG und dem Kanton Basel-Stadt unterstützt.
Zielgruppe verfehlt
Wie die beiden Organisationen heute Mittwoch mitteilen, bestehen seit mehreren Jahren "unterschiedliche Auffassungen" bezüglich Betriebsführung und Erreichung der definierten Zielgruppe.
Mangelnde Zutrittsbeschränkungen und fehlende Mindestbeiträge "verhindern eine gezielte Steuerung der Besuchenden". Dies führe dazu, "dass nicht in erster Linie die beabsichtigte Zielgruppe erreicht wird, sondern eine breite Sogwirkung entsteht".
Eine externe Betriebsanalyse habe Mängel in der Zielerreichung, im Mittel-Einsatz und in der strategischen und operativen Betriebsführung bestätigt. Den daraus erarbeiteten Handlungsempfehlungen sei der Verein "Soup & Chill" jedoch nicht nachgekommen.
Angebot "derzeit ausreichend"
Das bestehende Mahlzeiten- und Aufenthaltsangebot für Obdachlose und Armutsbetroffene ist laut CMS, GGG und Kanton in Basel "derzeit ausreichend". Im Hinblick auf den kommenden Winter würden "bei Bedarf Alternativen gesucht", heisst es weiter.
Laut Fleur Jaccard, Leiterin der CMS-Abteilung Soziales, unterstützte die Stiftung den Verein seit 2008 in den Wintermonaten November bis März mit gesamthaft 485'000 Franken. Die jährliche Subvention des Kantons, der ebenfalls aussteigt, beträgt 50'000 Franken. Der GGG-Jahresbeitrag belief sich konstant auf 34'000 Franken.
Rückzug des "sozialen Basel"
"Soup & Chill"-Präsidentin Claudia Adrario zeigte sich gegenüber OnlineReports darüber erschüttert, dass ihr Verein heute Morgen aus den Medien vom Rückzug der Geldgeber habe erfahren müssen. Die inhaltliche Begründung des Rückzugs sei für sie "viel schlimmer" als die finanziellen Konsequenzen: "Wir sind die Institution, die Löcher stopft, wenn andere geschlossen haben."
Gerade in der Pandemie gehe es vielen Leuten schlechter als vorher. Dass das "soziale Basel" sich jetzt aus einem Verpflegungs-Projekt für Bedürftige zurückziehe, finde sie "unglaublich". Sie sei aber optimistisch, dass der Verein die entstehenden Löcher durch Alternativen stopfen könne.
GGG spricht von "zerrüttetem Verhältnis"
GGG-Geschäftsführer Dieter Erb wies gegenüber OnlineReports die Vorwürfe der "Soup & Chill"-Präsidentin zurück und sprach von einem "zerrütteten Verhältnis". Der Verein habe wiederholt "Sololäufe" gestartet, ohne die Subventionsgeber zu informieren, oder sein Angebot ausgeweitet und hinterher seine finanzielle Zusatzforderungen gestellt.
Mit der Gratisabgabe von Lebensmitteln seien zudem die verbilligten Nahrungs-Angebote anderer Institutionen "unterlaufen" worden, so Erb weiter. Es könne durchaus erwartet werden, dass Bedürftige zur Verpflegung an Wochenenden oder Feiertagen auch einmal bescheiden ins Portemonnaie greifen.
Kritische Töne des Kantons
Auch der Kanton Basel-Stadt stellt, ohne dass er dies gleichzeitig kommuniziert hätte, Änderungen in Aussicht, weil sich "auch für uns die Ausgangslage verändert" habe, wie Sozialhilfe-Bereichsleiterin Jacqueline Lätsch OnlineReports mitteilte. Das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) habe "Soup & Chill" signalisiert, "dass sie uns ein neues Gesuch mit einem angepassten und realistischen Budget vorlegen können". Dieses müsse "aber die Vorgaben berücksichtigen, welche wir gemeinsam im Dezember vereinbart haben".
Optimistische Töne schlägt das WSU aber nicht an: "Wir werden ein solches Gesuch selbstverständlich prüfen, müssen aber aufgrund der bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit 'Soup & Chill' davon ausgehen, dass unsere Vorstellungen und diejenige von 'Soup & Chill' weit auseinandergehen." Deshalb werde das Departement "nun rasch mit weiteren möglichen Partnerinnen und Partner Kontakt aufnehmen um alternative Möglichkeiten für ein neues Angebot zu evaluieren".
"Die stillen Chrampfer werden nicht erwähnt"
Frau Adrario bekommt kein Geld mehr. Ich hatte während den zehn Jahren, in denen ich die frauenOase bis Februar 2021 geleitet habe, öfters Meinungsverschiedenheiten. Es sollte also Schadenfreude aufkommen. Kommt es aber nicht.
Ich finde es schade, dass Frau Adrario die Arbeit der Institutionen in der Schadensminderung öffentlich degradiert und oftmals diffamiert hat.
Bis heute kann sie unvermindert behaupten, sie sei die Einzige, welche sich der Randständigen vor 16 Jahren angenommen habe. Weshalb wird verschwiegen, dass es damals schon die Gassenküche, die beiden Treffpunkte im Gross-und Kleinbasel, die K+A's und die frauenOase gab?
Es ist auch schade, dass Frau Adrario der Meinung ist, sie könne Gelder der öffentlichen Hand einsetzen, wie sie möchte.
Wir alle müssen gewisse Vorgaben erfüllen, was ich legitim finde. Auch Leitungswechsel werden nicht kommentiert. Weshalb ist eine Co-Leitung vor einiger Zeit entlassen worden und jetzt wieder eingestellt? Weshalb wird ihre Leitungskollegin hochgelobt und dann verschwindet sie unkommentiert aus dem Team?
Natürlich ist auch in Basel noch nicht alles 100 Prozent super. Aber meine KollegInnen und ich, welche doch einige Institutionen in der Schadensminderung zusammen mit unsern Teams repräsentieren, waren und sind jeden Tag bestrebt, unsere Stadt menschlich und sozial zu machen. Darüber gibts aber keine Schlagzeilen.
Es wäre an der Zeit, auch mal die stillen Chrampfer zu erwähnen und nicht die, welche am lautesten schreien.
Elfie Walter, Basel
"Sinnvolle Arbeit gefunden"
Da kann ich Doris Gysin nur beipflichten. Vergessen wurde auch, dass einige MitarbeiterInnen und Asylanten dort eine sinnvolle Arbeit gefunden haben und ihnen eine Tagesstruktur gaben, die sie sonst nicht hätten. Wie kleinkariert muss man eigentlich bei den nun abgesprungenen Geldgebern denken, um dieser Institution den Geldhahn zuzudrehen. Es gäbe bei der CMS, der GGG und auch beim Kanton bestimmt andere Projekte, bei denen einmal richtig hingeschaut und gespart werden könnte.
Fairerweise werde ich es mir verkneifen, weitere Hinweise zu machen. Als Privatperson konnte ich mich öfters dafür einsetzen, nicht so von der Zivilisation verwöhnte Menschen dorthin zu verweisen. Leider muss scheinbar bei uns in der Schweiz hinter jedem Komma immer alles stimmen. Ich bin mir nicht sicher, dass jene, die solche Rechnungen machen, je einmal dort waren. Warum nur kommt mir gerade jetzt das Wort "Schreibtischtäter" in den Sinn?
Bruno Heuberger, Oberwil
"Über Jahre hervorragende Pionierarbeit"
Mag sein, dass ab und zu jemand darunter war, der nicht in die "eigentliche Zielgruppe" gehört hat. Ich meine aber, dass sich Basel vor allem auch in der jetzigen Situation ein paar Gratis-Suppen zuviel an arme Menschen leisten kann und muss.
Vor lauter Betriebsanalyse, Zielerreichung und Mitteleinsatz geht vergessen, dass bei "Soup & Chill" über Jahre hervorragende Pionierarbeit geleistet wurde. Unzählige Menschen ohne Obdach und Nahrung haben über viele Jahre hinweg kostenlos ein Abendessen erhalten und für ein paar Stunden Wärme und Beisammensein genossen.
Ich bedaure es sehr, dass dieser ausserordentlich sozialen Institution nun in einer konzertierten Aktion die Unterstützung verweigert wird.
Doris Gysin, Basel