© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
Baselbiet will die Steuern für Vermögende senken
Der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber plant in zwei Schritten eine Steuerreform, die Vermögende im Kanton freuen dürfte: Die Vermögenssteuer soll "moderat" gesenkt werden. Die Steuerausfälle des ersten Pakets belaufen sich für Kanton und Gemeinden auf 42 Millionen Franken.
Liestal, 15. September 2021
Das erste Paket enthält drei Schritte. So sollen zwar die speziellen Baselbieter Steuerwerte für Wertschriften aufgehoben werden, wie Lauber heute Mittwoch bekanntgab. Diese Steuerwerte stünden "quer in der nationalen Steuerlandschaft und bedeuten einen erheblichen jährlichen Mehraufwand bei den steuerpflichtigen Personen, den bescheinigenden Banken sowie bei der kantonalen Steuerverwaltung und den kommunalen Veranlagungsbehörden". Anderseits führen sie zu einer Erhöhung der Bemessungsbasis und somit zu einer Neu- oder Mehrbelastung vermögender Personen.
Als Gegenleistung – zweiter Schritt – will die Regierung den Vermögenssteuertarif "milder ausgestalten" und die Freibeträge bei der Vermögenssteuer erhöhen.
In einem dritten Schritt will Lauber nicht nur die Mehrbelastung ausgleichen, sondern den Kanton vor allem im regionalen Vergleich "als attraktiven Wohnort stärken". Er soll im Bereich der Vermögensbesteuerung "wettbewerbsfähiger werden und sich im nationalen Ranking nach oben verbessern". Angepeilt wird ein Vorstossen "nicht bis zur nationalen Spitzengruppe, aber doch bis zu einer guten Position gegenüber den Nachbarkantonen".
Bei Vermögenden "nicht mehr konkurrenzfähig"
Die Reform ist aus Sicht der Regierung nötig. Das Baselbiet sei "im nationalen und internationalen Vergleich bei der Besteuerung mittlerer und hoher Einkommen und Vermögen unattraktiv geworden", die Steuerbelastung vor allem bei vermögenden natürlichen Personen sei verglichen mit den Nachbarkantonen nicht mehr konkurrenzfähig.
Die Faktenbasis: 70 Prozent der steuerpflichtigen Personen bezahlen keine Vermögenssteuern. Wer Vermögenssteuern zahlt, werde aber sehr hoch belastet: Bis zu einem Reinvermögen von 150'000 Franken bezahlen Verheiratete aufgrund des Freibetrags zwar noch keine Vermögenssteuern. Bei einem Reinvermögen von 300'000 Franken hingegen belegt das Baselbiet im interkantonalen Vergleich den 14. Rang. Bei hohem Vermögen rutscht es auf die hintersten Ränge: bei einer Million Franken Reinvermögen den 24., bei fünf Millionen Franken Reinvermögen sogar den zweitletzten Rang.
Die vorgeschlagene Senkung der Vermögenssteuer soll am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Als Folge sinken die jährlichen Erträge für den Kanton um 27 Millionen Franken, für die Gemeinden um 15 Millionen Franken. Damit will die Regierung "die Attraktivität des Baselbiets für vermögende Personen erhöhen".
Zweites Paket im Jahr 2027
Das zweite Paket ist ein mittelfristiges Projekt, das nicht vor dem Jahr 2027 in Kraft treten wird. Dabei geht es darum, die Liegenschaftswerte zu aktualisieren und marktgerecht zu schätzen.
Zahlen nennt die Regierung in ihrer Mitteilung noch keine. Es heisst einzig, in diese Reform könnten "auch die Ergebnisse der periodischen Überprüfung der Eigenmietwerte im Verlauf des Jahres 2024 einfliessen" und allfällige Anpassungen "könnten dann auch bei der Einkommenssteuer berücksichtigt werden". Geplant ist aber, dass mit den zweiten Paket der Vermögenssteuertarif "nochmals angepasst" werden soll.
Reaktionen
Kritisch reagiert die SP auf Laubers Pläne, die sie für "besonders unangebracht" hält, zumal die Regierung "noch im April verlauten liess, dass kein finanzieller Handlungsspielraum für neue Vorhaben bestehe". SP-Fraktionspräsident Roman Brunner wird mit den Worten zitiiert: "Mit dieser Vorlage verteilen wir Steuergeschenke, die in ihrer Höhe 15 Prozent des Investitionsvolumens des Kantons entsprechen. Damit wird der öffentlichen Hand das nötige Geld genommen, um wichtige Herausforderungen anzugehen."
Die SP räumt ein, dass "für sich betrachtet" die Vermögenssteuern für natürliche Personen "tatsächlich hoch" seien. Das sei "allerdings vernüftig, da die Vermögenssteuer so ein Gegengewicht zu Bereichen bildet, in denen Reiche unterbesteuert werden". Die Sozialdemokraten fordern Lauber ausserdem dazu auf, "das muntere Ankurbeln des interkantonalen Steuerwettbewerbs zu unterlassen".
Die Grünen wollen "keine Steuersenkungen ohne ökologische Anreize". Zwar begrüssen sie die geplante Aufhebung der speziellen Baselbieter Steuerwerte für Wertschriften, aber "keine Steuergeschenke für Topvermögende und akzeptieren keine Steuersenkungen ohne ökologische Anreize, beispielsweise durch Vorteile bei der Besteuerung nachhaltiger Vermögensanlagen". Kritisch beurteilen die Grünen die Steuerausfälle, da vom Kanton "schon mehrfach falsche Zahlen genannt" worden seien und die Mindererträge "jeweils über den kantonalen Prognosen lagen".
"Es gibt noch andere Hausaufgaben"
Reformen des Steuergesetzes haben meist ein Leitthema: Vor 15 Jahren war es die Entlastung der Familien und der Geringverdienenden. Notabene eine Vorlage, die der damalige FDP-Regierungsrat erfolgreich durchgebracht hat. Diese schweizweit beachtliche Reform soll bestehen bleiben.
Aktuell wird nun die Vermögenssteuer reformiert. In einem ersten vorsichtigen Schritt per 2023 eine nötige Anpassung. Dies um im Landrat eine 4/5-Mehrheit zu erreichen, welche eine Volksabstimmung vermeiden lässt. Die Chancen für den zweiten Schritt per 2027 sind schwierig abzuschätzen. Wer ist dann Finanzdirektor und wie sieht das Umfeld aus?
Grundsätzlich gibt es in Baselland in Sachen Steuern noch andere "Hausaufgaben":
Beispielsweise den komplizierten Steuerbezug zu vereinfachen. Basel-Stadt hatte seit je das System der einjährigen Gegenwartsbemessung und bezieht die Steuern nach Ablauf des Steuerjahrs. Landrat Reto Tschudin (SVP) hat vor bald drei Jahren eine Motion eingereicht, die genau dieses Anliegen vertritt.
Beispielsweise gewährt Baselland den Unselbständigerwerbenden einen Abzug von "mickrigen" CHF 500 für übrige Berufsauslagen (seit mehr als 50 Jahren). Die meisten Kantone haben den Abug auf CHF 2'000 bs CHF 4'000 festgelegt, analog der direkten Bundessteuer.
Beispielsweise die Digitalisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Steuerveranlagung ist im Vergleich zu anderen Kantonen im Rückstand. Die Idee mag utopisch sein: Aber die Zusammenarbeit mehrerer Kantone oder nur schon mit Bern, das in der Digitalisierung fortgeschritten ist, könnte die Stückkosten wesentlich senken, ohne dass die angemessene Qualität leidet – und hier geht es um die "Maschinenleistung". Die Budessteuer wird ja in der ganzen Schweiz auch einheitlich veranlagt. Baselland-Spezialitäten, soweit sie noch nötig sind, könnten berücksichtigt werden.
Wenn der Fortschritt bis 2027 sich lediglich auf die Reform der Vermögenssteuer beschränkt, bleibt Baselland im Rückstand, selbst mit der neuen E-Deklaration per Steuerjahr 2022.
Paul Fraefel, Liestal
"Unterstützen Sie ein gerechteres Steuersystem"
Sehr geehrter Herr Lauber, warum wollen Sie die Steuereinnahmen unseres Kantons verringern? Was fällt Ihnen denn eigentlich ein?
Damit öffnen Sie die Schere zwischen vermögenden und finanziell schwachen Enwohnenden gefährlich! Auch spielen Sie munter mit beim Konkurrenzieren der Kantone unter sich, finanzstarke Personen anzulocken!
Genau das Gegenteil tut Not: Setzen Sie sich für eine Steuerharmonisierung unter den Kantonen ein. Unterstützen Sie aktiv ein gerechteres Steuersystem schweizweit. Das erwarten wir von Ihnen! Wir wollen nicht, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer werden. Auch wollen wir nicht, dass dem Staat, zu dem auch Sie Sorge tragen müssen, die Mittel entzogen werden um seine vielfältigen Aufgaben leisten zu können.
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Finanzpolitik für Reiche"
Regierungsrat Lauber verweigerte damals die Beträge-Erhöhung der Krankenkassen Prämienverbilligung. Begründung: Der Kanton Baselland könne sich das nicht leisten. Jetzt ist es aber plötzlich möglich, auf 42 Millionen Steuereinnahmen zu verzichten. Finanzpolitik für Reiche.
Ruedi Basler, Liestal