© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
Die grosse Leere an Schweizer Vogelfutter-Häuschen
Eiseskälte und mit einer dichten Schneedecke überzogene Landschaft: Dennoch verschmähten die Vögel die Futterhäuschen – fast ausnahmslos.
Überall, 23. Februar 2021
Es ist nach der Periode mit tiefen Minustemperaturen und tief verschneiter Pflanzenwelt schweizweit die grosse Frage: Warum nur blieben die vielen prall gefüllten Vogelfutter-Häuschen, oft selbst dick schneebedeckt, während der ganzen Zeit unbesucht? Wo blieben nur die notleidenden Vögel? Weshalb liessen sie Hanfsamen und Sonnenblumenkerne schnöde in den Futterstellen liegen?
Der "Tages-Anzeiger" zitiert einen Sprecher der Vogelwarte Sempach mit einer auf Anhieb wenig plausiblen Erklärung, weil ganz Zentraleuropa unter einer dicken Schnee- und Eisdecke lag. "Im Winter ziehen einige einheimische Vögel auf der Suche nach Nahrung über längere Distanzen umher. Manche Populationen fliegen Dutzende von Kilometern dorthin, wo sie gute, natürliche Nahrungsquellen vorfinden". Diese Arten seien nicht so reviergebunden wie während der Brutzeit. Damit seien sie auch nicht zwingend auf menschliche Zusatzfütterung angewiesen.
Viele Früchte im Wald
Nur, das war früher doch ganz anders, als sich kleine gefiederte Freunde verschiedenster Arten um einen Platz am Futtertrog balgten. Dann folgt eine Feststellung des Experten, die einleuchtender klingt: Der Winter war insgesamt mild, zudem hätten in diesem "Mastjahr" Buchen besonders viele Früchte abgeworfen (was auf Wegen in Buchenwäldern noch heute offensichtlich ist), zudem hätten auch Fichten und Eichen viele Früchte getragen.
Was heisst: Die Natur hielt ausreichend Nahrung zur Verfügung, auch wenn uns Menschen schwer vorstellbar ist, wie die Singvögel durch die dicke Schneeschicht hindurch an ihr bevorzugtes Futter gelangen. Bedenklich hält die Vogelwarte die generelle Entwicklung: Die häufigen Arten treten häufiger auf, die seltenen seltener. Dazu gehören Insektenfresser wie Gartenrotschwanz, Braunkehlchen und Neuntöter, die mit Futterhäuschen-Futter nichts anfangen können.
Auch der Schreibende hatte sich diesen Winter gefragt, was er wohl falsch gemacht hatte: Warm nur blieb das Häuschen verwaist? Falsches Futter aus der "Landi"? Falscher Standort? Wenigstens einmal kam Besuch vorbei: ein Kohlmeisen-Paar (Bild), das vielleicht schon bald den Nistkasten okkupiert.
"Ich könnte alle paar Tage nachfüllen"
In meinem kleinen Gärtchen (Gotthelf-/Neubad-Quartier, also relativ städtisch) findet das Vogelfutter – unterschiedliche Mischungen von unterschiedlichen Anbietern – schon seit Dezember 2020 regen Zuspruch. Ich könnte alle paar Tage nachfüllen.
@ Herr Aerni (Zürich): Ich weiss nicht, wie es im Kanton Zürich ist, aber im Kanton Basel-Stadt haften die Hausbesitzer, wenn jemand bei Schnee und Eis auf dem Trottoir vor ihrer Liegenschaft zu Schaden kommt. Das kann schnell sehr teuer werden.
Gaby Burgermeister, Basel
"Meine Frau meinte, ..."
Das ist für meine Frau und mich schon sehr beruhigend, dass andere Häuschen auch nicht so besucht wurden wie in anderen Jahren. Meine Frau meinte, ich hätte das falsche Futter gekauft (auch in der Landi), so dass ich nahe daran war, mich als Vorkoster zur Verfügung zu stellen. Nun bin ich schon froh, mit dem Experiment davon gekommen zu sein.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Tickt die Birsfelder Vogelwelt anders?"
Wir haben in unserem Garten drei Vogelhäuschen verteilt. Während den erwähnten eiskalten Tagen musste ich sie täglich zwei Mal mit Futter befüllen. Sie waren in Kürze leergeräumt – und zwar von Vögeln, nicht von unbekannten Körnlipickern. Spatzen, Kohlmeisen, hin und wieder ein Rotkehlchen – sie alle verhielten sich wie jeden Winter und balgten sich um die besten Plätze bei den Futterstellen. Tickt die Birsfelder Vogelwelt vielleicht anders als die in der Restschweiz?
Monika Zäch, Birsfelden
"Das Leben schwer gemacht"
Da spielen verschiedene Faktoren mit: Einerseits war es guter Herbst mit viel Mast an den Bäumen und wenn es genug Beeren, Kernen und Tannzapfen hat, dann sind die Vögel nicht gezwungen, die Siedlungen aufzusuchen. Kälte und Schnee jedoch lassen die Vögel zu den Häusern der Menschen ausweichen.
Aber den Vögeln wird noch anderweitig das Leben schwer gemacht: Trotz Aufklärungskampagnen der Umweltschutzverbände werden immer mehr private Gärten von bezahlten Gartenfirmen in kurzen Abständen aufgesucht um zu schneiden, räumen und herauszuptzen. Das verjagt nicht nur die Vögel, es mindert die Artenvielfalt der Lebewesen generell, denn die brauchen Laub, Asthaufen, Dickicht und verblühte Blumen, die noch stehen.
Der Trend, dass Besitzende von Häusern mit Umschwung wegen Arbeit, Fitnessstudio und Freizeitstress immer weniger Zeit für den Garten haben und so diesen Job an externe Firmen outsourcen, die dann mit Laubbläser und sonstigem Gerät viel, heftig und laut durch das Grüne donnern, nimmt leider zu. Und wenn mal ein leichter Schneeflaum auf dem Pflaster liegt, steht ein Dreier-Team vom Hausservice da und schippt und salzt, was das Zeug hält. Eine Katastrophe für die Natur.
Die durch die industrialisierte Landwirtschaft und monotonen Gärten, die eher wie Hotalparkanlagen aussehen statt naturnahe Oasen, die Insekten vernichten lassen, muss hier nicht nochmals erwähnt werden, da dieser Umstand ja bekannt sein dürft, nehme ich an. Oder?
Zuguterletzt könnte auch die Bauwut in den Städten dazu mit beitragen, dass immer weniger Vögel sich an die Häuschen getrauen.
Urs Heinz Aerni, Zürich
"Ungewohntes Verhalten"
Da kann ich nur beipflichten. Dass unsere noch vorrätigen Meisenknödel vom letzten Winter nicht mehr gefragt sind, könnte man ja noch verstehen, auch Vögel sind Feinschmecker. Aber auch die frische "Ware" wird schnöde übergangen. Wirklich ein ungewohntes Verhalten, hoffentlich kein schlechtes Zeichen.
Marianne Paul, Basel
"Kein Vogel Gryff. Keine Vögelchen im Häuschen"
Keine Fasnacht. Kein Vogel Gryff. Keine Vögelchen im Häuschen. Die Welt geht langsam den Bach runter. Hoffentlich hat das bald ein Ende. Duureheebe!
Daniel Thiriet, Riehen