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© Fotos by Jan Amsler, OnlineReports.ch
"Zu bequem für einen Wechsel": Stephan Fricker.

Stephan Fricker: "Engelberger macht Raumschutz für sein Unispital. Punkt."

Das OnlineReports-Monatsgespräch: Nach 28 Jahren als Chef der Merian Iselin Klinik geht Stephan Fricker im Februar in Pension. Er hat einige Gesundheitsdirektoren erlebt.


Von Jan Amsler und Alessandra Paone


Stephan Fricker, Sie waren während 28 Jahren CEO der Merian Iselin Klinik. Hatten Sie immer Spass?

Stephan Fricker: Es ist wie in den Alpen: Es hat Gipfel und Täler. Insbesondere im personellen Bereich gab es immer wieder Situationen, die mir schlaflose Stunden bereitet haben. Etwa bei zähen Auseinandersetzungen mit Belegärzten, wenn es ums Geld ging. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Da braucht es auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft. Und ja, zwei- oder dreimal hat es mir gestunken. Aber im Grossen und Ganzen war es ein Superjob mit vielen Freiräumen, Gestaltungsmöglichkeiten, kurzen Wegen und einem tollen Team.

 

Was war bei den personellen Entscheiden besonders schwierig?

Wenn es darum ging, unerfreuliche Massnahmen zu treffen – das war belastend, insbesondere wenn man sich von Leuten trennen musste.

 

Haben Sie jemals daran gedacht, etwas anderes zu machen?

Ich habe das Privileg, mich darüber zu ärgern, dass mich inzwischen kein Headhunter mehr anruft, um mir einen tollen Job anzubieten. Ich habe wohl zu oft und zu rasch Nein gesagt und die Angebote gar nicht genau studiert. Eigentlich war ich hier sehr wohl. Als Option hätte ich es aber cool gefunden, die Christoph Merian Stiftung zu leiten.

 

Haben Sie sich denn um diesen Job bemüht?

Nein. Dort wurden aber auch immer gute Leute gewählt, die lange geblieben sind. Es hat sich ganz einfach nicht ergeben. Und selbst wenn sich eine Tür geöffnet hätte, wäre ich wohl passiv geblieben.

 

Sie hätten die Gelegenheit gehabt, den früheren Regierungsrat Baschi Dürr auszustechen. Er wurde soeben zum neuen CEO der Christoph Merian Stiftung gewählt.

Ich hätte vom Alter her nicht mithalten können …

 

… aber von der Frisur her schon!

Klar!

 

Das Monatsgespräch wird präsentiert von Confiserie Beschle:

 

Was hat Sie am Ende so lange in der Merian Iselin Klinik gehalten?

Die Möglichkeiten, das Unternehmen zu entwickeln. Wir haben nicht nur diskutiert, sondern auch gehandelt. Ich bezweifle, dass die CEO anderer Spitäler in der Region so viele Freiräume haben wie ich. Den politischen Druck, dem vor allem öffentliche Spitäler ausgesetzt sind, habe ich hier nie so stark gespürt. Mit der Zeit entsteht auch eine grosse Verbundenheit mit dem Team. Aber vielleicht war ich auch einfach zu zufrieden und zu bequem für einen Wechsel.

 

Handeln, nicht nur diskutieren – haben Sie ein Beispiel?

Wir haben unter laufendem Betrieb unsere Klinik grundlegend neu aufgebaut. Wir konnten eine Struktur schaffen, in der Belegärzte zufrieden und hochprofessionell arbeiten können. Ganz aktuell planen wir im Aquila Tower in Pratteln zusammen mit zwei Handchirurgen das Joint Venture Handzentrum Nordwestschweiz AG. Wir können es innerhalb von etwa 15 Monaten zum Fliegen bringen – das ist irrsinnig! Hier bewegen wir uns in Richtung ambulant, das ist ja auch die aktuelle Stossrichtung der Politik und überhaupt des Gesundheitswesens.

 

Aber es ist nicht gern gesehen, wenn sich Spitäler weiter ausbreiten, vor allem über die Kantonsgrenze hinaus. Das haben die scharfen Reaktionen auf die Dialysestation des Unispitals im Baselbiet gezeigt.

Die Dialysestation war ein klarer Angriff des Unispitals Basel auf das KSBL (Kantonsspital Baselland; Anm. d. Red.). Wir machen keine solchen Angriffe.

 

Aber Handchirurgie haben wir bereits privat in Liestal und beim Kantonsspital auf dem Bruderholz.

Ja, aber der Chirurg in Liestal hört demnächst auf. Und er ist weniger auf dieses Fachgebiet spezialisiert als Philipp Honigmann, Chef Handchirurgie beim KSBL und einer unserer künftigen Partner in Pratteln.

"Man hätte das Bruderholz auf elegante Art neu gestalten können."

Der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan plant in Pratteln ein ambulantes Zentrum. Was halten Sie davon?

Das würde total Sinn machen. Aber schwierig ist die ungleiche Voraussetzung in beiden Basel, allein schon hinsichtlich der finanziellen Möglichkeiten. Jeder Kanton schaut stark für sich selbst und nur in geringem Ausmass für die regionale Gesundheitsversorgung. Jourdan hat mit dem Standort Bruderholz einen Klotz am Bein.

 

Sie haben schon immer gesagt, das Bruderholz sei überflüssig.

Ich habe einmal einen kleinen Anlauf genommen und erwogen, mit der Merian Iselin Klinik den jetzigen Standort zu verlassen und aufs Bruderholz zu ziehen, um dort ein gutes orthopädisches Zentrum für die Nordwestschweiz anzubieten. Man hätte das Bruderholz auf elegante Art neu gestalten können.

 

Kurze Zwischenfrage: Seit 28 Jahren Chef der Merian Iselin Klinik, aber Sie tragen immer noch ein Namensschild?

(Lacht.) Es ist die Erwartung, dass alle ein Namensschild tragen, und ich trage natürlich auch eins.

 

Aber im Haus wissen alle, wer Sie sind.

Ich gehe davon aus.

 

Ordentlich: Stephan Fricker an seinem Arbeitsplatz.

 

Zurück zu Pratteln. Was bräuchte es, damit die Idee eines neuen, ambulanten Zentrums im Umland von Basel umgesetzt wird?

Ein ambulantes Zentrum darf nicht allein von einer kantonalen Verwaltung dekretiert und organisiert werden. Wir planen mit der Merian Iselin Klinik ein zweites Projekt in Oberwil und wollen dort im Mühlematt-Center eine grössere, hausärztlich orientierte Struktur aufbauen. Die Gesundheitsdirektion hat uns signalisiert, dass das ins Gesamtkonzept passen würde.

 

Das sind News!

Ja. Und ich glaube, so muss sich das entwickeln: Es braucht kein grosses ambulantes Zentrum, sondern mehrere punktuelle, dezentrale Strukturen, vorzugsweise an den Pendlerströmen. Denn je grösser ein Zentrum ist, desto grösser sind auch wieder die Strukturen mit Direktion, Vizedirektion und so weiter.

 

Wir spüren: Sie sympathisieren mehr mit Thomi Jourdan als mit seinem Basler Amtskollegen Lukas Engelberger.

Ja. Engelberger macht Raumschutz für sein Unispital. Punkt.

 

Haben Sie ihm das so gesagt?

Ich habe ihn das sicher spüren lassen.

"Die Stadt schafft Fakten, während das Land strampelt."

Was sagen Sie zu den Spannungen zwischen den beiden Gesundheitsministern? Es knistert hörbar.

Die Ausgangslage in den beiden Kantonen ist sehr unterschiedlich. Der Stadtkanton ist weiter und arbeitet am Neubau des Klinikums 2. Das ist dringend notwendig. Aber wir betrachten das immer auch sehr kritisch. Vor allem der staatliche Kredit mit langer Laufzeit und äusserst günstigen Konditionen stört. Zum Glück hat das Basler Parlament verhindert, dass das Geld später in eine Art Schenkung umgewandelt werden kann. Mit einem solchen Vorgehen verärgert man natürlich alle, auch die Landschäftler. Die Stadt schafft Fakten, während das Land strampelt. Nun bin ich gespannt, welche Entscheide die Politik zum Standort Bruderholz trifft. Das Unispital und den KSBL-Standort Liestal braucht es zwingend. Aber die Gesundheitsversorgung würde auch ohne gewisse Andere funktionieren.

 

Also auch ohne die Privatspitäler?

Die private Alternative ist zwingend, sonst machen sich die meist defizitären staatlichen Spitäler erst recht breit. Ein gesunder Wettbewerb ist wichtig und unterstützt Wahlmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten.

 

Diese Entwicklung besteht bereits: Das Unispital kauft das Bethesda, das Bethesda wiederum das Hildegard. Die staatliche Spitalmacht breitet sich aus. Das kann Ihnen kaum Freude bereiten.

Definitiv nicht. Ich frage mich: Mit welchem Geld kaufen die öffentlichen Spitäler das? Ohne Rückendeckung aus der Kantonsverwaltung ginge das wohl nicht; ein Privatspital könnte sich das kaum leisten.

 

Könnten die Privatspitäler allein die Gesundheitsversorgung sicherstellen?

Der Kanton hat die Aufgabe, die Gesundheitsversorgung zu organisieren. Ob das mit privaten oder öffentlichen Spitälern umgesetzt wird, ist völlig wurst. Ich bin eigentlich zufrieden damit, dass es beides gibt. Das Problem ist allerdings, dass der Regulator gleichzeitig Eigner der öffentlichen Spitäler ist und daher in Verdacht kommt, dass er die verschiedenen Rollen zulasten der Privatspitäler ausübt. Das hat man am Beispiel des sogenannten Phantomspitals beim Bethesda gesehen: Lukas Engelberger hat dies als Regierungsrat erlaubt, als damaliger Vizepräsident der Gesundheitsdirektoren-Konferenz war er jedoch vom Prinzip her dagegen. Diese Rollen-Vielfalt ist heikel.

 

"Bei uns stimmt die Nachfrage": Stephan Fricker.

 

Wie beurteilen Sie die Qualität der öffentlichen Spitäler?

Ich möchte nicht die Qualität der Konkurrenz bewerten. Bei uns stimmt die Nachfrage. Vor sechs Jahren haben wir den spezialisierten Ortho-Notfall eröffnet. Der funktioniert wahnsinnig gut, weil wir einen schnellen und qualitativ hochwertigen Zugang bieten. Die Diagnostik im Hintergrund ist so schnell, dass man nach zwei oder drei Stunden weiss, was Sache ist.

 

Mit dem Ortho-Notfall haben Sie prophylaktisch auf die drohende Fusion von Unispital und KSBL reagiert.

Eigentlich entstand die Idee vor einem anderen Hintergrund. Das Claraspital hatte noch einen kleinen Teil Orthopädie, wollte diesen aber abstossen. Dann einigten wir uns darauf, dass wir den orthopädischen Teil des Notfalls übernehmen. Der Regulator hielt das zu Beginn für sinnvoll. Doch als es um die Leistungsaufträge ging, hiess es plötzlich, das sei nicht kompatibel mit der Systematik der Spitalliste. Man wollte uns Auflagen aufbürden, zum Beispiel keine Menschen über 75 zu behandeln. Wo ist hier die Evidenz? Man wollte einfach den Ortho-Notfall verhindern. Also begannen wir, den Notfall auf eigene Rechnung und eigenes Risiko umzusetzen.

 

Warum gibt es ihn immer noch?

Wir liessen uns das nicht bieten und hielten argumentativ dagegen. Manchmal braucht es eben Geduld und nette Formulierungen. Bis anhin klappte es tipptopp. Nun aber, seit dem 1. September, betreibt das Bethesda-Spital einen Ortho-Notfall. Bei uns hiess es, das sei überflüssig. Jetzt gibt es einen zweiten. Ich würde meinen: völlig überflüssig. Aber daran stört sich offenbar niemand.

"Für die Linken bin ich ein Rechter und umgekehrt."

Sie haben einige Gesundheitsdirektoren erlebt. Mit wem haben Sie gerne zusammengearbeitet?

Ich fand Thomas Weber einen coolen Typen, auch wenn die SVP überhaupt nicht meine Partei ist. Thomi Jourdan hat es zwar schwer, aber ich kaufe ihm ab, dass er etwas bewegen will. Carlo Conti war ein schlauer Fuchs, ein politisches "Tier".

 

Sind Sie selbst parteipolitisch engagiert?

Gar nicht. Für die Linken bin ich ein Rechter und umgekehrt. Daher passt die Mitte nicht schlecht. Aber ich bilde mir eine Meinung zu den Sachgeschäften, und es ist mir egal, ob das dann links oder rechts ist. Tendenziell versuche ich, sozialen Anliegen ein Gewicht zu geben. Im Haus bin ich der Ober-Gewerkschafter. Müsste ich aber mit Gewerkschaften einen Gesamtarbeitsvertrag ausarbeiten, würde es unseren Leuten weniger gut gehen – davon bin ich überzeugt. Aktuell diskutiert man, ob alle Spitäler GAV haben sollten. Aber es geht auf anständige Weise auch ohne.

 

Anfang Jahr gehen Sie in Rente. Steht die Yacht parat?

Ich bin mir noch nicht sicher, mit welchem Jet ich nach Südfrankreich fliegen will (lacht) … Nein, ehrlich, von Ende April bis Anfang Juli bin ich ganz hinten in der Bretagne und mache nichts. Das ist mein Start in die Rente.

 

Nichts – glauben Sie daran?

Ich nehme Literatur mit, vielleicht gibt es noch zwei Sitzungen über Teams. Aber ja: sonst nichts. Ich kann in einer materiell abgesicherten Situation in Rente gehen. Das ist ein Privileg.

 

Sie haben aber bereits ein neues Amt und sind Verwaltungsrat der Klinik Gut im Kanton Graubünden. Kommen weitere hinzu?

Ich glaube nicht, dass noch allzu viel hinzu kommt. Nach erfolgter Wahl durch die Verantwortlichen gehe ich noch in den Stiftungsrat der Merian Iselin Stiftung. Ich werde aber meinem Nachfolger Fernando Imhof nicht reinreden. Das werde ich auch kaum müssen: Ich glaube, wir haben eine gute Wahl getroffen.

"Aussitzen bringt nichts."

Sie haben Ihren Nachfolger ohne Headhunter gefunden?

Nicht ganz, mit ein bisschen externer Unterstützung, insbesondere im Backoffice. Als kleine Anekdote: Wir haben in der Stellenausschreibung Humor als Voraussetzung erwähnt. Sie glauben nicht, wie oft ich darauf angesprochen wurde!

 

Solche Positionen leben von den Personen, die sie innehaben.

Ja, und ich habe mich auch als Gesicht dieser Klinik verstanden. Ich nehme das Telefon ab, wenn eine Journalistin oder ein Journalist anruft. Ich muss auch hinstehen, wenn es unangenehm ist. Da muss ich keinen Mediensprecher vorschicken.

 

Was war Ihnen unangenehm?

Zum Glück gab es nicht viel. Oft konnten wir die Probleme schon lösen, bevor sie öffentlich ausgetragen wurden. Ganz zu Beginn meiner Amtszeit etwa gab es Ungereimtheiten im Stiftungsrat. Und einmal verübte ein Arzt sexuelle Übergriffe. Aber wir konnten in beiden Fällen frühzeitig handeln und die Situationen mit den Beteiligten transparent regeln. Es ist wichtig, schwierige Geschichten rasch und klar zu lösen. Aussitzen bringt nichts.

 

Sie sind zum zweiten Mal verheiratet und haben zwei Kinder. Hatten Sie trotz Chefposten genug Zeit für Ihre Familie?

Ja, da ich mich zeitlich und mental recht gut von der Arbeit abgrenzen kann. Meine Kinder machen Freude.

 

Und jetzt im Februar steigt eine grosses Abschiedsparty?

Ich wünsche mir einen weissen Schimmel, auf dem ich angeritten komme. Nein, im Ernst, es gibt ein Fest im kleineren Rahmen für die Belegärzte. Und von den Mitarbeitenden werde ich mich an der jährlichen Klinik-Feier im Allschwiler Zic Zac verabschieden.

 

 

OnlineReports veröffentlicht fortan immer am ersten Samstag des Monats ein grosses Interview. Hier kommen Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport zu Wort.

2. November 2024

Weiterführende Links:


Ökonom aus Biel-Benken

Stephan Fricker ist 66 Jahre alt und wohnt in Biel-Benken. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und hat zwei Kinder.

Nach seinem Studium der Ökonomie hat er einen Master of Health Administration absolviert.


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Melanie Nussbaumer

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vom 4. Dezember 2024
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