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© Foto by Thomas Gubler
"Solange man mit Mayall über Musik sprach, war immer alles unkompliziert": Dinu Logoz.

Dinu Logoz über John Mayall: "Es brauchte schon Glück, ihm die Namen seiner Kinder zu entlocken"

Der 72-jährige Schweizer Blues-Musiker und Mayall-Biograf zum Tod der grossen Blues-Legende.


Von Thomas Gubler


Dinu Logoz, Sie waren Mitglied der ersten Schweizer Bluesgruppe "Freeway 75" und sind so etwas wie der Vater des Schweizer Blues. Kürzlich ist John Mayall, der "Godfather of the European Blues”, gestorben. Wie haben Sie seinen Tod erlebt? 

Dinu Logoz: So richtig überraschend kam sein Tod ja nicht. Schliesslich war John Mayall 90 Jahre alt. Es gab schon seit längerer Zeit Hinweise, dass es ihm nicht mehr gut gehe. Der Mailverkehr brach ab, sein Umfeld verhielt sich sehr diskret. Von einem ehemaligen Mitmusiker erfuhr ich dann, dass er pflegebedürftig sei. Ich war also darauf vorbereitet.

 

2015 haben Sie unter dem Titel "John Mayall – The Blues Crusader" die einzige Biografie des Musikers veröffentlicht. Wie war Ihre Beziehung zu John Mayall?

Eigentlich sehr positiv. Es hat mir Spass gemacht, einen so guten Draht zu ihm zu haben. Unsere Beziehung ging zurück auf das Jahr 1974, als Mayall im Zürcher Volkshaus auftrat und ich für Good News das Konzert ansagte. Im Anschluss kamen wir ins Gespräch, und daraus entwickelte sich eine interessante Freundschaft. Mayall gab insgesamt 78 Konzerte in der Schweiz; elf Mal habe ich ihn dabei zu längeren Gesprächen getroffen.

 

John Mayall trat über 70 Mal in der Schweiz auf. © Foto by David Gomez

 

Es heisst, Mayall sei zwar ein grosser Musiker gewesen, aber auch etwas eitel. Und er habe seine schwierigen Seiten gehabt. Welche?

Solange man mit ihm über Musik sprach, war immer alles unkompliziert. Dann war es leicht, an ihn heranzukommen. Sobald man jedoch sein Privatleben ansprach, seine Familie, seine Kinder, seine zwei Ehen, wurde er zugeknöpft und gab nicht mehr viel preis. Und eitel war er durchaus. Er schaute auf gutes Aussehen und wollte der Chef sein. So war es nicht möglich, dass nach den Konzerten das Buch signiert und verkauft wurde, obschon ihm 30 Prozent des Erlöses zugestanden wären. Mayall wollte nur seine Tonträger verkaufen.

"Er war in erster Linie ein begnadeter Bandleader."

Als Ihre Biografie erschien, monierten Kritiker, man erfahre darin etwas gar wenig über den Menschen Mayall und sein Privatleben. Haben Sie nicht mehr aus ihm herausbekommen?

Es brauchte schon Glück, ihm für das Buch die Namen und Jahrgänge seiner Kinder zu entlocken.

 

Mayalls Musikerkarriere hat rund 60 Jahre gedauert – mit Ups und Downs. Welches war seine beste Zeit?

Das war sicher die berühmte sogenannte Decca-Periode, in der Mayall mit Grössen wie Eric Clapton, Peter Green und Mick Taylor spielte. Er hat aber auch danach – in der Polytor-Phase – hervorragende Musik gemacht, wenn ich an das schlagzeuglose Album "The Turning Point" mit dem berühmten "Room To Move" oder an "Jazz Blues Fusion" denke. Während der Disco-Welle verschwand er dann für eine gewisse Zeit in der Versenkung.

 

Hören Sie hier "Room to Move" von John Mayall. 

 

In den 90er-Jahren erlebte er wieder einen Aufschwung, der im Wesentlichen bis ins Alter von über 80 Jahren anhielt. Eigentlich schon phänomenal.

Total. Mit dem Rückbesinnen auf die Wurzeln und einer Band mit einem oder zwei Lead-Gitarristen stellte sich auch der Erfolg wieder ein. Und es zeigte sich, dass er es verstand, sich immer wieder mit hervorragenden Musikern wie Coco Montoya, Walter Trout, Buddy Whittington oder Rocky Athas zu umgeben. Das Experimentieren liess er dann sein.

 

Mayall selbst war nie ein guter Gitarrist. Ausser auf der Mundharmonika war er auf keinem Instrument virtuos. Und dennoch war er ein grosser Musiker. Was war sein Geheimnis?

Er war in erster Linie ein begnadeter Bandleader. Wie erwähnt hatte er das Gespür für die richtigen Musiker. Und er war zum Teil auch ein origineller Songwriter – und zwar in Bezug auf Musik und Text.

"Mayall sorgte dafür, dass der Blues in den USA auferstand."

Mayall hat bis ins hohe Alter CDs herausgegeben und spielte pro Jahr bis zu 100 Konzerte. War das eine ökonomische Notwendigkeit, oder war er schlicht ein Getriebener?

Finanziell brauchte er das sicher nicht. John Mayall war einigermassen wohlhabend. Sicher war er ein Getriebener. Dabei lag ihm an den Live-Konzerten wesentlich mehr als an den Platten. Letztere waren eher für die Fans. Er hatte ja auch nie einen grossen Hit. Er selbst war vor allem gerne unterwegs und konnte so auch seine Frauengeschichten haben. Womit wir wieder bei der Eitelkeit wären.

 

Welche historische Bedeutung hat John Mayall für den Blues?

Er war in Europa die führende Figur des Blues zu einer Zeit, in der der Blues in seinem Mutterland USA quasi am Sterben war. Mayall spielte den Blues – neben Alexis Korner – in Europa nicht nur weiter, sondern er sorgte mit anderen zusammen dafür, dass er in den USA auferstand. Das ist sein ganz grosses Verdienst. Ohne Figuren wie John Mayall würde man heute möglicherweise gar nicht mehr vom Blues reden.

 

Auch heute führt der Blues wieder eher ein Nischendasein. Wird er nach John Mayalls Tod überleben?

In einer gewissen Form sicher. Aber es ist schon so: Das Blues-Publikum ist tendenziell überaltert. Gleichwohl besteht Grund zur Hoffnung, weil eine neue Generation von hervorragenden Musikern die Bühne betreten hat, die dem Blues hierzulande neuen Schwung verleiht. Ich denke deshalb, dass uns der Blues schon noch eine Weile erhalten bleiben wird.

3. August 2024

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