© Fotos by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
![]() "Konturen verwischt": Kritiker Dölf Brodbeck, Naturschutz-Massnahme
Nach dem Prattler Schwingfest: Wortgefechte an der Panzersperre"Schutthaufen": Die Infanterie-Vereinigung Baselland kritisiert die Wiederherstellung der "Haifischzähne" Von Peter Knechtli Ein Teil der Panzersperre im Raum Hülften musste dem Schwing- und Älplerfest in Pratteln weichen. Nach Wiederherstellung des Geländes ist eine Kontroverse über den Zustand des militärischen Denkmals ausgebrochen: "Invasiver Naturschutz" klagt die Infanterie-Vereinigung Baselland, "hoher Biodiversitäts-Wert" sagen die Naturschützer. Wir stehen an jener Stelle, an der sich letzten August Hunderttausende an den Kämpfen des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests amüsierten. Mal eine Joggerin, sonst aber weit und breit kein Mensch. Die Tribünen sind längst abgeräumt, keine Spur mehr von Sägemehl, der Rückbau ist abgeschlossen. Im Gebiet Hülften zwischen Pratteln und Frenkendorf ist wieder flaches, landwirtschaftlich genutztes Gelände. Es wirkt friedlich.
Doch bei Dölf Brodbeck aus Binningen mag keine freudige Stimmung aufkommen. "Ich stamme aus einer alten Solatenfamilie", schildert er während wir der Bahnlinie entlang zum Objekt marschieren, das ihm in seinem heutigen Zustand fast das Herz bricht.
Nichts dokumentiert heute die damalige schweizerische Wehrbereitschaft gegen die nationalsozialistische Bedrohung markanter als die "Grenzbefestigung Liestal-Hülften": Insbesondere die Panzersperre war so markant, dass das Verteidungsdepartement sie im Jahr 2002 als ein "System von nationaler Bedeutung" inventarisierte. Sie hatte das einzige Ziel, ein Eindringen nationalsozialistischer Panzerverbände zu verhindern.
Das Gespräch mit Dölf Brodbeck wird sehr schnell zur Geschichts-Lektion in Heimatkunde der Vorkriegsjahre. Und sehr schnell wird klar, mit wieviel Verteidigungswillen, strategischer Überlegung und Aufwand die damaligen Armee-Planer mit der 1937 vom Bund beschlossenen Grenzbefestigung am Unterlauf der Ergolz ans Werk gingen.
Nicht weniger als 62 früher streng geheime Waffenstellungen sind in diesem Raum belegt, zwei Drittel von ihnen sind heute, wenn auch teils nur in Fragmenten, noch erkennbar, weiss Dölf Brodbeck. Sie boten Maschinengewehren und der Panzerabwehr Schutz, dienten als Personenunterstände, Kommandoposten oder Munitionsmagazine.
Eine dieser exponiertesten Stellungen ist der als Bauernobjekt getarnte und heute im Auftrag des Kantons von der Infanterie-Vereinigung betreute Hauptbunker Hülften in unmittelbarer Nähe des Hülftenhofs. Am augenfälligsten ist heute noch ein Teil der einst tausend Meter langen, von Genietruppen gebauten und aus 300 Neun Tonnen-Blöcken bestehenden Panzersperre. Sie reichte vom Prattler Gebiet "Buholz" westlich über die Ergolz bis in den Raum "Riedacher" auf Füllinsdörfer Bann – für damalige Tanks unüberwindbar, sagt Dölf Brodbeck.
Diese Sperre – allmählich zu einer Hecke verwachsen, aber in den Herbst- und Wintermonaten gut erkennbar – ist Offizier Brodbeck als eindrückliches Zeugnis der Militär- und Gesellschaftsgeschichte besonders ans Herz gewachsen. Vom Fussweg entlang der SBB-Linie aus ist sie derzeit besonders gut sichtbar.
Zwar mussten Teile der Befestigung vorübergehend dem Schwing- und Älpler-Schauplatz weichen, doch die meisten verbliebenen armierten "Haifischzähne" (Volksmund) wurden nach Fest-Ende wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt . Vom Hülftenhof-Bunker aus bietet sich gerade eine prächtige Aussicht auf das nahegelegene Anschauungsobjekt.
Trotzdem hat die Infanterie-Vereinigung damit jetzt ein Problem. Denn die Leitung des letztjährigen Folklore-Festes hatte die Auflage, die für den Aufbau von Tribünen und Sportplatz nötige Hecken-Rodung gemäss dem Natur- und Heimatschutzgesetz rückgängig zu machen – sprich:
"MerNatur"-Geschaftsführer Lukas Merkelbach hält die historische Sichtweise der Infanterie-Vereinigung für "nachvollziehbar", nicht aber ihre Kritik am Bepflanzungskonzept. Die frühere Hecke entlang der Sperre sei "spontan entstanden, weshalb weniger wertvolle Arten wie Hartriegel, Ahorn, Esche und Brombeeren vorherrschend waren". Seine Firma aber habe sich im Sinne der Biodiversität zum Ziel gesetzt, "die neue Hecke artenreicher sowie strukturell wertvoller auszugestalten als die vorher bestehende".
Nach seiner Wahrnehmung habe man sich mit den Vertretern der Infanterie-Vereinigung "auch in diesem Punkt besprochen und war sich zu jeder Zeit einig". Merkelbach betont, die Planung sei auf die Forderungen der Infanterie-Vereinigung eingegangen, "vor allem, was die vollständige Wiederherstellung der lückenlosen Panzersperre anging". Auch seien an ihrem Ost-Ende wunschgemäss einige Zahne nicht bepflanzt worden.
Der grüne Prattler Gemeinderat Philipp Schoch, damaliger Leiter der ESAF-Stabsstelle "Nachhaltigkeit", verweist gegenüber OnlineReports darauf, dass es sich beim jetzigen Zustand um eine "Momentaufnahme" handle, räumt aber ein: "Es sieht jetzt schon komisch aus." Doch schon in einigen Jahren werde die Sperre überwachsen sein.
Schoch weiter: "Diese Hecke ist beim Kanton angemeldet und wir waren verpflichtet, sie wiederherzustellen". Merkelbach sei, was Biodiversität betreffe, "der Beste in der Region", die Sperren-Hecke werde "ökologisch absolut top".
Denn in der Pflanzenauswahl wurden laut Merkelbach "auch Arten wie die Steinweichsel und Feld-Ulme eingesetzt, deren nacheiszeitliche Einwanderungsgeschichte in den Raum Basel erst über die Burgunderpforte und anschliessend über die Oberrheinebene erfolgt ist". Sie seien "typisch für die Region Basel und damit eine Bereicherung der Biodiversität". 28. April 2023
![]() "Lassen Sie die Natur wirken" Manchmal ärgere ich mich, lieber Infanterieverein, lieber Herr Offizier Brodbeck. Diese Welt kennt Tausende von Problemen. Lassen Sie die Natur wirken, geben Sie ihr Zeit. Walter Buess, Ormalingen |
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