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© Foto by Thomas Aurin
Slapstick statt Zeitkritik: Satirische Oper aus der frühen Sowjet-ÄraDas selten zu hörende Werk "Die Nase" von Dimitri Schostakowitsch aus dem Jahr 1928 begeistert am Theater Basel Von Sigfried Schibli Am Ende der Premiere gestern Samstagabend im Basler Stadttheater war kein Halten mehr: Auf der Bühne tanzten vielleicht achtzig Darstellerinnen und Darsteller einen Kosakentanz, und das Publikum liess sich nach der rund hundertminütigen Aufführung zu rhythmischem Klatschen hinreissen.
Schostakowitsch selbst sprach von einer "Satire auf die Epoche Nikolaus' I", auf das Zarenreich mit seinem repressiven Apparat also. Aber liegt es nicht viel näher, darin eine Kritik am Sowjetregime mit seiner Unterdrückung der individuellen Freiheiten zu sehen? So argumentiert Michail Schischkin, ein aus der Sowjetunion emigrierter, heute im Kanton Solothurn lebender Schriftsteller, der sich in seinem klugen Buch "Tote Seelen, lebende Nasen" mit diesem Werk auseinandersetzt.
"Die Nase" wurde in der Sowjetunion Jahrzehnte lang nicht gespielt, bis sie 1974 wieder zugelassen und in zahlreichen Ländern nachgespielt wurde. Vor 17 Jahren hat man sie auch am Theater Basel gegeben, und jetzt hatte die dreiaktige Oper in zehn Bildern in einer Neuinszenierung von Herbert Fritsch im vollbesetzten Stadttheater Premiere.
Die Bühne wird dominiert von einer siebenteiligen Rahmenkonstruktion nach dem Modell der ineinander verschachtelten russischen Matriochka-Puppen. Aus dieser springen die Figuren auf die Bühne, als wären sie von einer Sprungfeder angetrieben. Die Gangarten sind die grosse Spezialität des Bühnenzauberers Herbert Fritsch: Da gibt es alle erdenklichen Arten von überspannter Fortbewegung, nur nicht das, was man als normal bezeichnet. Das Regieteam lässt keine Gelegenheit aus, die skurrilen Charaktere der Handlung in ausgefeilte Personenregie zu übersetzen.
Im Stück erlebt man die Nase im Kleid eines Staatsrats (hier: einer Staatsrätin), die Nase im frommen Gebet, den vergeblichen Versuch, eine Zeitungsannonce für eine vermisste Nase aufzugeben, ein Kutschenpferd, das vor der Nase erschrickt, tumultartige Strassenszenen – und der junge Avantgarde-Musiker vertonte diese fast hundert Jahre alte Geschichte des fast gleich jungen Gogol mit allen Mitteln der Tonkunst.
Michael Borth singt mit ökonomisch eingesetztem, nie ermüdendem Bariton und unerhörtem spielerischen Einsatz die Hauptpartie des nasenlosen Kowaljow. Die Partitur von Schostakowitsch sieht neben der Hauptfigur nicht weniger als 58 Nebenrollen vor, die aber so zusammengefasst werden können, dass "nur" 16 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stehen beziehungsweise tänzeln. 28. November 2021
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