© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Im Quartier gut vernetzt": Gärtnerhaus im Schwarzpark, Vereins-Engagierte
Die Basler Schwarzpark-Pioniere im Banne des amtlichen Imperativs
Departement verbannt "Gärtnerhuus Schwarzpark"-Verein von der Betreiber-Ausschreibung: Entscheid jetzt beim Verwaltungsgericht
Von Peter Knechtli
Seit einem Vierteljahrhundert kümmert sich ein Verein um die Erhaltung und den Ausbau des Gärtnerhauses am Rande des Basler Schwarzparks. Jetzt, da es um eine volksnahe Aktivierung des denkmalgeschützten Gebäudes geht, wird die Pionier-Initiative aus dem Quartier durch eine Amtsstelle des Bau- und Verkehrsdepartements ausgeschaltet. Nun entscheidet das Gericht.
Eine Spur von Fassungslosigkeit spricht immer noch aus ihren Augen. Der Steinbildhauer Michele Cordasco (65), ein unermüdlich aktiver Quartierbewohner, und der Metallbauunternehmer und frühere Breite-Bewohner Stephan Töngi (59) schildern im Sattelraum des Gärtnerhauses, was sie in den vergangenen Wochen erlebt haben. Cordasco ist Co-Präsident des Vereins und wie Töngi Mitglied der Betreibergruppe. Beide gehören zum 80-köpfigen Verein "Gärtnerhuus Schwarzpark". Diese Initiative aus den Urtiefen des Quartiers Breite-Lehenmatt wurde vor genau einem Vierteljahrhundert gegründet. Ihr Ziel auf gemeinnütziger Basis: Die Erhaltung, Umbau und Betrieb des Ökonomiegebäudes mit "Werk- und Begegnungsstätte für einzelne Betriebe, Organisationen und Gruppen sowie für quartierbezogene und eigene Anlässe" (so die aktuellen Statuten). Ein 159-jähriges Haus lockt Wie ein vergessenes Relikt aus vergangenen Zeiten steht das 1863 erbaute Gebäude am südlichen Rand des Schwarzparks. Es wäre längst dem Abbruch geweiht gewesen, hätte nicht 1991 die Basler Stimmbevölkerung eine Überbauung des im Jahr 1920 durch die Familie des Konsuls Fritz Schwarz erworbenen Geländes verhindert: Die Volksinitiative zur Grünerhaltung des Schwarzparks obsiegte in einer heftig umstrittenen Volksabstimmung. Wichtigen Vereins-Akteuren ist aufgrund ihres Engagements in jenem Abstimmungskampf zu verdanken, dass der Park ebenso erhalten blieb wie das Gärtnerhaus mit seinen weit über einem Dutzend meist kleinerer Räume. Viele Elemente seines Ursprungszwecks wie Stallungen oder Geräteräume sind noch zu erahnen. Nutzbar sind sie derzeit aufgrund des Sanierungsbedarfs kaum. Umso grösser ist ihr Potenzial. Seit 20. Januar 1997 wartet der Verein darauf, seine Zweckbestimmung endlich einlösen zu können. Lange seien die "Gärtnerhüsler" durch die staatliche Liegenschaftsverwaltung vertröstet worden, wie sich Gründungsmitglied Max Pusterla (80), früherer FDP-Politiker und Strafrichter, erinnert. Dennoch liessen sie es sich nicht nehmen, ein breites Sortiment an Aktivitäten für die Quartierbevölkerung anzubieten – von der "Kinderwerkstatt" (kleines Bild) über das öffentliche Pizza-Essen bis zur Obsternte mit Mosten, vom Setzlings-Tauschmarkt über den Färber-Workshop bis zum Strickclub-Abend. Etwas verloren wirkende Quartiere Dass die "Gärtnerhüsler" robust verankert sind, zeigt der vierköpfige Beirat mit seinen klingenden Namen: Der frühere Regierungsrat Christoph Brutschin (er war Mitinitiant der Schwarzpark-Initiative), Anwalt Andreas Miescher, LDP-Grossrätin Annina von Falkenstein und die Architektin Catherine Gschwind. Die niederschwelligen Tätigkeiten gelten als wertvoll an einer Schlüsselstelle am östlichen Stadtrand, die die beiden etwas verloren wirkenden, komplementären Quartiere Breite/Lehenmatt (Arbeiterquartier, auffällig: viele Coiffeursalons und Pizzerien) und Gellert (früheres Villenquartier, viele Privatschulen und einige Kunsthandlungen) miteinander verbindet: Kaum kreative Aktivitäten von unten, mangelhaftes Angebot an gastronomischer Geselligkeit. Zwei Neutrale Quartiervereine sind geblieben, aktiv jener von St. Alban und Gellert, mit defizitärer Jahresrechnung jener von Breite und Lehenmatt. Der durch die Autobahn getrennte Lebensraum "als Vorort von Birsfelden" (Quartierschalk) hat ausser dem von 40 Damhirschen bewohnten Park kein Zentrum. Bewerbung mit Nonprofit-Projet Endlich sah der Verein "Gärtnerhuus" die Chance gekommen, seinen gemeinnützigen Zweck zu erfüllen: Nachdem die Regierung vor vier Jahren 2,1 Millionen Franken für Sanierung und Ausbau des denkmalgeschützten Bijous bewilligt hatte, suchte das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) "eine Betriebsorganisation, die das Gärtnerhaus nach der Sanierung führt". Diese Organisation soll das Haus als Ganzes "bespielen", ein Parkcafé betreiben und die "verschiedenen Nutzungen" koordinieren. Laufzeit: fünf Jahre, mit Option auf Verlängerung um weitere fünf Jahre. Der Verein "Gärtnerhuus" gab unter dem Motto "Mensch-Kultur-Natur" eine Bewerbung mit einem umfassenden soziokulturellen Angebots-Konzept ein. Im Kern geht es um ein Nonprofit-Projekt, das "Brücken zwischen alt und jung" bauen und "den Austausch von historischem und neuem Wissen fördern" will. Im GATT/WTO-Formulardschungel Doch am 15. Dezember folgte der Schock: Die Fachstelle für öffentliche Beschaffungen teilte dem Verein mit, er werde "nicht zur Einreichung eines Angebotes zugelassen". Grund: Der Verein habe mit mangelhaften Angaben den geforderten Eignungsnachweis "klarerweise nicht erbracht". Dies führe zum Ausschluss vom weiteren Verfahren und der Verein werde "nicht zur Einreichung eines Angebots zugelassen". Offensichtlich war der Verein damit überfordert, die umfassenden Formulare nach GATT/WTO-Verfahren in jeder Beziehung korrekt auszufüllen. "Wir haben einen Formfehler begangen", räumen die Anbieter ein. "Aber wir wollen die Chance haben, dass die Jury unser Konzept beurteilt." Die Bürgerbewegung, die noch nie in seinem 25-jährigen Bestehen ein GATT/WTO-Formular gesehen hat, vereinigt Knowhow, seltenes Quartier-Engagement und jahrzehntelange Erfahrung. Der Betreibendengruppe gehört beispielsweise der Gastronom Simon Müller an, der in der Stadt drei "Café Finkmüller" betreibt und auch im "Gärtnerhaus" das kulinarische Angebot übernähme. Auf Anfrage von OnlineReports sagt Beata Wackernagel, die Präsidentin des Neutralen Quartiervereins St. Alban-Gellert: "Die Aktiven des Vereins Gärtnerhuus sind durch ihr jahrelanges Engagement sehr vertraut mit dem Ort. Sie wissen, welche Aktivitäten in den Schwarzpark und das Haus passen, und was dort nicht möglich ist." Im Quartier seien sie "gut vernetzt und auch wir vom Quartierverein schätzen die Zusammenarbeit". Rekurstermin über die Weihnachtstage Irritation ausgelöst hat das fragwürdige amtliche Termin-Arrangement. Am 8. Dezember erfuhr das "Gärtnerhuus"-Präsidium aus dem BVD, dass die Entscheide über die Vorausscheidungen ("Präqualifikation") nicht wie angekündigt am 9. Dezember erlassen werden können. Offizieller Grund: "Hohe Arbeitslast." Am 16. Dezember traf der Einschreibe-Absagebrief des BVD-Generalsekretariats ein. Rekursfrist: Zehn Tage – mitten in die Weihnachts-Festtage. Das Departement schreibt OnlineReports dazu: "Dass für die Verwaltungsrechtspflege – auch um die Weihnachtstage - keine Gerichtsferien gelten, ist ein Entscheid des Gesetzgebers." Die Rechtsmittel der Anbietenden seien "in keiner Weise eingeschränkt" worden. Es bestehe das "öffentliche Interesse, rechtzeitig eine Betreiberorganisation für das Gärtnerhaus verfügbar zu haben". Auf die OnlineReports-Frage, ob die "Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen" formal nicht die Möglichkeit habe, im Falle von Unklarheiten oder Missverständnissen nachzufragen oder Klärungen durch den Anbieter zuzulassen, schreibt das BVD: "Die Auftraggeber haben im öffentlichen Beschaffungsrecht unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit, Abklärungen bei den Anbietenden vorzunehmen, zum Beispiel um Unklarheiten zu klären." Es sei Anbietenden aber nicht möglich, "auf diesem Wege Kernelemente ihres Angebots, wie zum Beispiel Preise oder Referenzen, nachträglich anzupassen". Das Departement verneint auch, schon einen bestimmten Favoriten im Auge zu haben. Rekurs beim Verwaltungsgericht hängig "Unter Aufbietung all seiner Kräfte und Kontakte" legte der Verein vor Jahresende beim Verwaltungsgericht Rekurs ein. Sein Ausschluss aus dem Verfahren, so heisst es darin, sei "unzulässig und willkürlich". Würde der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung erteilt, bestünde die Gefahr, "dass die Vergabestelle die weiteren Anbietenden zur Angebots-Einreichung einlädt und den Zuschlag verfügt". In einem kürzlich ergangenen Vorentscheid lehnte das Gericht die aufschiebende Wirkung ab, untersagte aber gleichzeitig dem Departement vorläufig, über den Zuschlag bereits zu entscheiden. Harter Umgang mit Partizipation Das Eine ist in diesem Fall der formal korrekte Verfahrensablauf, den die Behörde auf gesetzlicher Basis zu garantieren hat. Das Andere ist der sogar in der Kantonsverfassung verankerte edle Anspruch des Staates, die Partizipation der Bevölkerung zu fördern – und diesen Anspruch durch Tatbeweis zu erfüllen. Das Departement von Regierungsrätin Esther Keller (GLP) sieht in diesem Fall jedoch keinen Spielraum: "Da es sich um eine Ausschreibung im offenen Verfahren nach GATT/WTO handelt, ist es zweifelhaft, ob es zulässig gewesen wäre, die Verwurzelung im Quartier als Kriterium anzuwenden."
Der Verein "Gärtnerhuus" ist hingegen der Auffassung, seine Eigeninitiative aus dem Quartier dürfe "nicht an solchen Formalitäten scheitern". Hätte der Ausschluss aus dem Bieterverfahren Bestand, sagt Medien-Koordinator Jan Kirchhofer, "dann müssten wir unseren Verein auflösen". Mehr über den Autor erfahren
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26. Januar 2022
Weiterführende Links:
"Ein Affront"
Gute Recherche zum Gärtnerhaus im Schwarzpark. Es ist ein Affront, dass ein Verein, der sich seit rund 25 Jahren darum bemüht hat, Leben in ein Quartier zu bringen, das mit Kultur- und Begegnungszentren nicht gerade gesegnet ist, aus formaljuristischen Gründen vom künftigen Betrieb des "Gärtnerhuuses" ausgeschlossen wird.
Beat Stauffer, Basel
"Gesunder Menschenverstand gefragt"
Müssen wir denn in die Verfassung schreiben, dass jegliches Handeln der staatlichen Verwaltung dem gesunden Menschenverstand unterzogen werden muss? Aber eben (wie der Engländer bzw. ursprünglich Voltaire sagte): "Common sense is not so common!" Erinnert auch an die Geschichte der 30 Jahre Flexity > Kaphaltstellen > Velofahrer ->Abriss der Kaphaltstellen.
Heinrich Heusser, Basel
"Gesunder Menschenverstand gefragt"
Müssen wir denn in die Verfassung schreiben, dass jegliches Handeln der staatlichen Verwaltung dem gesunden Menschenverstand unterzogen werden muss? Aber eben (wie der Engländer bzw. ursprünglich Voltaire sagte): "Common sense is not so common!" Erinnert auch an die Geschichte der 30 Jahre Flexity > Kaphaltstellen > Velofahrer ->Abriss der Kaphaltstellen.
Heinrich Heusser, Basel
"Warum nur?"
Warum nur kommt mir nach dem Lesen dieses Artikels das vielsagende Wort "Schreibtischtäter" in den Sinn?
Bruno Heuberger, Oberwil
"Muss alles 'nach GATT/WTO' ausgeschrieben werden?"
"Verfahren nach GATT/WTO": Bedeutet das, dass unter Umständen irgendjemand aus einem Umfeld (Ausland oder anderswo in der Schweiz) den Zuschlag erhalten kann, der/die weder Basel noch das Quartier kennt, nicht hier wohnt, geschweige denn verwurzelt oder vernetzt ist? Sind wir tatsächlich so weit, dass alles "nach GATT/WTO" ausgeschrieben werden muss und lokale, gut vernetzte, engagierte Vereine über diese Schwelle stolpern, bloss weil sie kein global tätiges Unternehmen und deshalb mit dem GATT/WTO-Papierkrieg überfordert sind? Haben die Buvetten am Rhein auch ein Verfahren nach GATT/WTO durchlaufen müssen, um den Zuschlag für den Betrieb zu erhalten?
Der Verein habe mit "mangelhaften Angaben" den geforderten Eignungsnachweis nicht erbracht. Wenn die Angaben mangelhaft, also unvollständig sind, sagt das überhaupt nichts über die Eignung des Vereins "Gärtnerhuus" aus, dieses Ökonomiegebäude als Quartiertreffpunkt zu betreiben – es zeigt höchstens, dass der Verein "nicht geeignet" ist, den Ansprüchen des GATT/WTO-Verfahrens hinsichtlich der Eingabe zu genügen, ein Anspruch, dem offenbar nur (globale tätige) Unternehmen zu genügen vermögen. Ziemlich überheblich finde ich auch Frau Kellers Zweifel, ob die Verwurzelung im Quartier in einem Verfahren nach GATT/WTO ein zulässiges Kriterium wäre. Meiner bescheidenen Meinung nach wäre dies sogar das wichtigste Kriterium bei dieser Vergabe.
Gaby Burgermeister, Basel
"Namensänderung für Basel"
Es ist Zeit, dass Basel über eine Namensänderung nachdenkt. Mein Vorschlag : Byrokratograd.
Hans-Ulrich Iselin, Riehen
"Schildbürgerstreich der Verwaltung"
Ein weiterer klassischer Schildbürgerstreich der Verwaltung, der aber auch zeigt, dass der Kanton vor lauter gesetzlichen Vorgaben, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen zu den Verordnungen, usw. bald nicht in der Lage sein wird, seinen Bürgerinnen und Bürgern ein normales Leben einem adäquaten Umfeld zu bieten.
Dies sollten sich vor allem die aktiven Grossräte vor Augen führen, bevor wieder neue Rahmenbedingungen für irgendwas erlassen werden, und man immer neue Motionen, Anzüge und Interpellationen einreicht, welche oft zu neuen Regelwerken führen.
Wenn schon eine neue Motion für ein lebenswertes Basel, dann diese: "Für jedes neue Gesetz, jede neue Verordnung, jede neue Ausführungsbestimmung sind entsprechend zwei bestehende ausser Kraft zu setzen."
Lucas Gerig, Bürgerrat, Basel
"Diener als Herren"
Wieder mal ein Beispiel, dass "gewisse" Ämter (längst nicht alle!) erwarten, dass die Bürger für sie und nicht die Behörden für die Bürger da sind. Wenn sich Diener als Herren wähnen.
Peter Waldner, Basel
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