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"So kann es nicht weitergehen": Liestaler Schnellfüll-Deponie "Höli"
Ein Deponievolumen vergössert sich wundersam um einen Fünftel
Die Betreiber der Liestaler Inertstoff-Deponie "Höli" fanden zusätzliche 600'000 Kubikmeter / WWF prüft Einsprache
Von Peter Knechtli
Die in der Kritik stehende Liestaler Inertstoff-Deponie "Höli" soll erweitert werden: Die Betreiber haben am bestehenden Standort plötzlich ein riesiges Zusatz-"Volumen" gefunden. Per Baugesuch wollen sie weitere 600'000 Kubikmeter Material lagern. Der WWF prüft eine Einsprache. Der Kanton Baselland dürfte rigide Auflagen machen, um seine Kreislauf-Strategie anzukurbeln.
4,7 Hektar Wald wurden 2009 auf der Anhöhe nördlich von Liestal – unweit des Aussichtsturms – gerodet. Im Mai 2010 nahm die Deponie für Aushubmaterial und Bauabfällen im Mittleren Baselbiet ihren Betrieb auf. Geplant und in den offiziellen Dokumenten notiert war ein Volumen von 3,2 Millionen Kubikmetern Material, das schadstoffbelastet ist und aus anderen Gründen nicht verwertet werden kann (Deponie-"Typ B").
Innerhalb von rund 35 Jahren, so die Vorgaben, hätte das "Höli"-Loch gefüllt werden sollen. Doch schon Ende Mai, nach gerade mal elf Jahren, ist der wertvolle Deponieraum voll. Für die Liestaler Bürgergemeinde, die sowohl Landeigentümerin wie auch Mehrheits-Aktionärin der Betriebsgesellschaft "Deponie Höli Liestal AG" und somit Inhaberin der Baubewilligung ist, kein Problem.
"Ungenaue Volumenberechnung"
Sie reichte am 29. April ein Baugesuch für die Deponierung von zusätzlichen 600'000 Kubikmetern ein. Grund: Die Betreibergesellschaft habe bei der Neuvermessung und Berechnung des "finalen Deponievolumens" festgestellt, dass "die Gesamt-Auffüllmenge rund 600'000 Kubikmeter grösser ist als das bewilligte Deponievolumen von rund 3,2 Millionen Kubikmeter".
Ein bemerkenswerter Vorgang: Die Deponie-Erweiterung um rund einen Fünftel, so begründet die Bürgergemeinde, habe mit einer "ungenauen Volumenberechnung im Originalprojekt" zu tun. Doch eine langfristige Linderung des Deponieraum-Mangels ist nicht in Sicht: Innerhalb von nur zwei Jahren wäre das jetzt gefundene Zusatzvolumen auch gefüllt.
WWF-Einsprache gegen "Buebetrickli"
Das gefällt dem WWF Region Basel gar nicht. Auf Anfrage von OnlineReports sagte Geschäftsführer Jost Müller, der Verband werde gegen das Projekt allenfalls Einsprache erheben. "Das schmeckt nach einem Buebetrickli, um noch vor der Einführung der neuen Recyclingstrategie rasch eine weitere Deponiemöglichkeit nach dem alten System zu schaffen, das grundlegend versagt hat, aber für die Betreiber gewinnbringend ist."
Tatsächlich treiben die beiden Basel den Aufbau einer Baustoff-Kreislaufwirtschaft voran. Statt 60 bis 70 Prozent sollen künftig 80 bis 90 Prozent des Bauschutts rezykliert werden, wie Dominic Utinger, Leiter Ressort Ressourcenwirtschaft und Anlagen des Baselbieter Amtes für Umwelt und Energie (AUE) gegenüber OnlineReports erklärte. Ende 2020 schickte der Kanton ein "Massnahmenpaket zur Förderung des Baustoff-Kreislaufs Regio Basel" in die Vernehmlassung.
Nach Meinung des WWF würde die Erweiterung der "Höli"-Deponie aber genau "die Recyclingstrategie des Kantons unterlaufen". Müller: "Wir werden die Auflage genau anschauen und sicher fordern, dass eine Bewilligung erst nach Umsetzung der kantonalen Recyclingstrategie erteilt werden darf."
Regierung ungewohnt kritisch
Auch die Baselbieter Regierung steht dem noch bestehenden Betreibermodell der Deponie "Höli" wie auch ihrer "marktbeherrschenden Stellung" und der Diskriminierung von Nicht-Aktionären kritisch gegenüber, wie sie auf eine Interpellation von CVP-Landrat Simon Oberbeck unmissverständlich schreibt. Die an der AG beteiligten Baufirmen hätten von "Spezialkonditionen" und einem "intransparenten Gebührenmodell" profitiert.
Das bisherige Regime der "Höli"-Deponie, die sich im Eil-Tempo füllte, steht politisch unter Druck. Der viel zu tiefe Preis für die Endlagerung von Bauabfällen habe zu "völlig falschen Anreizen" geführt und – neben dem Import aus anderen Regionen – zur raschen Füllung der Deponie geführt: Statt zu vermeiden und zu rezyklieren, sei "billig deponiert" worden, so die Kritiker.
Neue Umweltverträglichkeits-Prüfung erforderlich
Gleichzeitig habe die öffentliche Hand die Kosten und Aufwendungen für die Planung, Projektierung und politische Umsetzung der Deponiestandorte zu tragen gehabt, während sich die Bürgergemeinde und beteiligte Baumeister in die Erträge geteilt hätten.
"Dieses Betreibermodell ist weder nachhaltig noch zukunftsträchtig und muss künftig so angepasst werden, dass die öffentlichen Interessen ausreichend in den Deponiebetrieb eingebunden werden", sagt Müller, dessen Verband "auch zusätzliche ökologische Ersatzmassnahmen fordert, da die bisher geleisteten minimal sind".
Die unter Druck stehende Deponie-Betreiberin sicherte der Bau- und Umweltschutzdirektion künftig auch für Dritte einen diskriminierungsfreien Zugang zur Deponie zu. Im Raum steht sogar die Forderung, dass der Kanton künftig die Deponie betreibt. Die Regierung hält es für möglich, dass das Amt für Industrielle Betriebe schon die neutrale Verrechnung "auf Knopfdruck" realisieren könnte.
Lenkungswirkung über den Preis
Wie Dominic Utinger vom AUE gegenüber OnlineReports erklärte, wird die jetzt konkretisierte Deponie-Erweiterung eine Umweltverträglicheits-Prüfung bestehen müssen. Das jetzige Betreiber-Modell sei "nicht mehr zeitgemäss" und "so wie bisher wird es nicht weitergehen können". Die Zukunft gehöre der Lenkungswirkung über den Preis.
Zwar benötige die Region fraglos Deponieraum, aber das künftige Preismodell soll so lenkungsorientiert sein, dass es "nicht die Verwertung unterläuft". Denn: "Wenn Deponie günstiger als die Verwertung, dann landet das Material auf die Deponie."
Einzigartiger Standort
Prinzipielle Bedenken gegen eine Volumen-Erweiterung der "Höli" äussert Utinger nicht. Eine Erweiterung sei "immer sinnvoller als neue Deponie irgenwo". Das Entscheidende aber sei, "dass alles korrekt bewilligt wird". Den Standort der "Höli" mit einer eigenen Autobahnzufahrt bezeichnet der amtliche Ressourcen-Fachmann als "einzigartig".
Allerdings dürfte eine Bewilligung für die Deponie-Aufstockung schon jene scharfen Auflagen enthalten, die die Regierung bisher skizziert hat. Damit die ökologische Kreislaufwirtschaft aber in die Gänge kommt, müssen Bauherren künftig auch bereit sein, mit hochwertigen Recycling-Stoffen zu bauen.
Dass der Wind im Bauschutt-Geschäft dreht und künftig nur noch gelagert werden kann, was nicht verwertbar ist, haben auch mittlere und grosse Baufirmen entdeckt – sogar solche, die im "Höli"-Aktionariat sitzen: Sie beginnen, sich an den sieben Aufbereitungs-Anlagen zu beteiligen, die im Kanton in Bau, Planung oder schon in Betrieb sind.
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3. Mai 2021
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