© Fotos by Ruben Hollinger und Monika Jäggi, OnlineReports.ch
"Wir packen zusammen an": Basler "Foodyblutt"-Betreibende
Plastic- und kartonfrei: "Foodyblutt" will Basel West erobern
Ökologisch, unverpackt und vielseitig: An der Kreuzung St. Johanns-Ring/Mittlere Strasse öffnet ein Nahrungsmittel-Laden der neuen Art
Von Monika Jäggi
Ein bunt zusammengewürfeltes Team lanciert an der schönsten Kreuzung Basels einen neuartigen Laden für Lebensmittel des täglichen Bedarfs. "Foodyblutt": Seine Name ist auch Programm. Die fair und ökologisch produzierten Produkte werden unverpackt verkauft. Idealismus und ein fairer Mietpreis machen den zukunftsgerichteten Einkaufs-Tipp möglich. Gleichzeitig soll der Laden auch Begegnungsort werden.
Es duftet nicht mehr nach Rosen, der Raum ist dunkel. Der Blumenladen "La Vie en Rose", der den hübschen Platz an der Kreuzung Mittlere Strasse / St. Johanns-Ring zusammen mit dem Coiffeur-Salon "Hairy Coo", der Café Bar Rosenkranz und der Vinothek mitgeprägt hat, ist weggezogen, das Lokal steht leer. Was nun?
Bewusster Hausbesitzer
"Uns war klar, dass wir das Lokal wieder an ein Kleingewerbe vermieten wollen", erklärt Hauseigentümer Erich Frösch. Das habe in seiner Familie Tradition. Entsprechend sei sie auf der Suche nach einem Angebot gewesen, "das unseren Werten entspricht und nach Menschen, die zum Platz passen und ihn beleben".
"Foodyblutt" machte das Rennen um den begehrten Geschäfts-Standort an Basels attraktivster Kreuzung. Es handelt sich um einen in den neunziger Jahren verkehrsberuhigten Platz – der sich seither zu einer lebendigen Piazza entwickelt hat: Bäume wurden gepflanzt, Baumscheiben bepflanzt und Trottoirs verbereitert. Nach und nach entstand um die Kreuzung ein charmantes kleines Dienstleistungszentrum mit dem Brunnen als Sommer-Badeattraktionen (OnlineReports berichtete).
Neu dazu kommt jetzt also der Laden mit dem Namen "Foodyblutt". Der Schriftzug am Schaufenster mit dem ausgefallenen Namen des zukünftigen Lokals fällt auf. Ein Zweimal-Hingucker.
Die Kunden bringen Gebinde mit
Der Name suggeriert aber keineswegs Rotlicht-Millieu: Ein Lebensmittel-Verkauf wird es sein, im Stil und Konzept ähnlich wie das "Unverpackt" am Erasmusplatz (Bild links). Dieses Geschäft verkauft seit zwei Jahren Produkte ohne Plastic- und Kartonhüllen: Reis, Pasta und Hülsenfrüchte, Nüsse und Olivenöl, Salz, Zucker und weitere Grundnahrungsmittel, die Kunden aus grossen Glasgefässen, Kanistern oder Tonnen in selbst mitgebrachte Behälter füllen.
Aeneas Hürlimann (30), Mit-Initiant von "Foodyblutt" hat über das "Unverpackt" vom leerstehenden Raum mit Vorplatz an der Mittleren Strasse 82 erfahren. Nach der Besichtigung sei klar gewesen, dass der Standort für ein ähnlich gelagertes Konzept ideal sei, erkärt er gegenüber OnlineReports.
"Foodyblutt", so Hürlimann weiter, wolle damit einen Begegnungsort für die Quartierbevölkerung schaffen. Das Team arbeitet unabhängig von "Unverpackt", will aber auch lokal produzierte Produkte des täglichen Bedarfs anbieten.
Aufbau einer alternativen Ökonomie
Das neunköpfige Team von "Foodyblutt" – drei Frauen und sechs Männer im Alter zwischen 25 und 60 Jahren – haben unterschiedliche Biographien: von der Designerin, Innenarchitektin und Mutter über Sportlehrer, Zimmermann und Apotheker bis zur Sozialarbeiterin und zum Physiotherapeuten.
Sie wollen mit ihrer Gründung einen Beitrag zum Aufbau einer alternativen Ökonomie leisten, so den Nahrungsmittel-Kreislauf mitgestalten und Verantwortung übernehmen. "Allerdings wollen wir nicht, dass sich die Leute in unserem Lokal ein reines Gewissen erkaufen", mahnt Hürlimann. Dazu wäre weit mehr Engagement von der Gesellschaft erforderlich.
Der Name, ein Wortspiel, entstand in Teamarbeit: "Wir wollen einerseits Transparenz schaffen, erklärten, woher die Produkte kommen und wie sie produziert wurden". Deshalb das Wort "blutt", erklärt der Mitinitiant. Gleichzeitig handle es sich um ein Wort aus dem Basler Dialekt, womit auch der Bezug zu den lokal produzierten Produkten und der Lokalbevölkerung, die damit angesprochen werden soll, hergestellt sei. Das englische Wort "Food" steht für Essen oder Lebensmittel.
Konkurrenz für Grossverteiler
Das Lokal soll die kleinen Lebensmittelläden im Quartier nicht konkurrenzieren. Frischkäse oder Milch werden nicht angeboten, eine Kooperation mit den Läden sei jedoch erwünscht. Klar ist hingegen, dass "Foodyblutt" eine Konkurrenz zu den Grossverteilern im Quartier sein will. Grund, so der Sportlehrer: "Wir teilen ihre Werte der Arbeitshierarchie und das Rendite-Denkens nicht."
Das Ziel von "Foodyblutt" seien faire Preise und erschwingliche Lebensmittel. In dem als Kollektiv organisierten Team gebe es keine Hierarchie zwischen den Mitgliedern, sagt Hürlimann, sondern Arbeitsgruppen. Der Einzelne sei in diesem Projekt unwichtig: "Hauptsache, wir packen zusammen etwas an."
Minimallohn nach Aufbauphase
Bei soviel Idealismus stellt sich die Frage, wie die Anfangsmiete im "Foodyblutt" beglichen wurde. Der Mietvertrag ist seit Mitte August 2019 unterzeichnet, Produkte werden aber noch keine verkauft, die Einnahmen gleich Null. "Die erste Miete bezahlten wir aus Einnahmen aus einem Quartier-Flohmarkt, den wir organisierten", sagt Hürlimann. Das Team habe Privatgegenstände verkauft, der Preis wurde jeweils vom Käufer festgelegt. Die nächste Miete werde über Crowdfunding organisiert.
Aeneas Hürlimann, wie auch alle anderen Team-Mitglieder, arbeiten teilzeitig: "Unsere Lohnarbeit gibt uns die Freiheit, nicht gewinnorientiert, sondern vorerst kostendeckend arbeiten zu können", erklärt er. "Wir wollen uns nicht bereichern – uns ist das Gemeinwohl wichtig." Es sei ein Privileg, ein solches Angebot aufbauen zu können.
Das Team hofft, sich nach der Aufbauphase einen Minimallohn auszahlen zu können. Drüben, beim "Unverpackt" am Erasmusplatz, habe das gut geklappt, bestätigt Nathalie Rheinau, die im Kleinbasler Lokal Vollzeit arbeitet: "Nach einem halben Jahr konnten wir uns einen Minimallohn auszahlen." Heute könne zumindest sie davon leben.
Fairer Mietzins
Ein Grund, weshalb sich Idealismus und privilegierte Geschäftslage vertragen, "ist die faire Miete, die es dem Kollektiv ermöglichen soll, von seinem Gewerbe zu leben", erklärt Hauseigentüer Frösch. Das Projekt müsse eine Chance erhalten. "Ich bin selber Kleingewerbler und weiss, was es bedeutet, vom Gewerbe leben zu müssen." Der Platz an der Kreuzung liegt der Familie am Herzen: "Er muss von Menschen belebt werden", bekräftigt er.
Das schwebt auch dem Kollektiv vor. Erreichen will es dies im Lokal und auf dem Platz mit Veranstaltungen, auch abends. Die erste Abendaktivität, eine Kleidertauschaktion, stiess kürzlich, auch ohne Werbung, bereits auf grosse Resonanz. Auch so kann Quartier- und Stadtentwicklung funktionieren.
Positive Reaktionen
Nachdem im Quartier bekannt geworden sei, dass ein "Unverpackt"-Laden das Lokal übernehmen werde, sei der Zuspruch positiv gewesen, freut sich der Frösch: "Ein solches Angebot habe hier noch gefehlt", sei die Reaktion aus der Bevölkerung gewesen.
Wann die Eröffnung stattfinden wird, ist noch nicht klar, sicher aber noch dieses Jahr. Derzeit erarbeitet das Team das Lokal-Konzept und entscheidet, welche Produkte ins Angebot aufgenommen werden sollen. Die Lokalfläche ist mit 35 Quadratmetern eher klein, die Produktepalette somit beschränkt. Auch ein Hygienekonzept muss dem Lebensmittelinspektorat noch eingereicht werden. Besser so, denn die staatliche Kontrollstelle liegt nur einen Steinwurf vom Lokal entfernt.
9. Oktober 2019
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