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"Nicht via Öffentlichkeit": Log-File, Verdacht des Parlamentsdienstes
Fall Thüring und mehr: Basler SVP vor Zerreissprobe
Die Strafanzeige von Nationalrat Sebastion Frehner belastet die Führung der SVP Basel-Stadt
Von Peter Knechtli
Vor ihrer Generalversammlung steckt die Basler SVP in stürmischen Zeiten: Es knistert an mehreren Ecken. Der Verdacht der Mail-Spionage gegen Geschäftsführer Joël Thüring, die geplante Amtszeit-Beschränkung und die Erhöhung der Mandatsabgaben sind nur Puzzles von Vorgängen in einer Partei, die derzeit alles andere als ein gutes Bild abgibt.
Der frühere Basler SVP-Kantonalpräsident Sebastian Frehner (44), seit 2010 Nationalrat, hatte spätestens am 5. März die Gewissheit, dass er nicht exklusive Einsicht in die Mails seines parlamentarischen Accounts "@parl.ch" hatte. Ein Fremder las mit. Ein Mitarbeiter der Parlamentsdienste des Bundes beschied dem Parlamentarier an jenem Tag, die Wahrscheinlichkeit werde als "sehr hoch" eineschätzt, dass der "unerlaubte Zugriff" auf Frehners Mailbox durch den Internet-Anschluss von Herrn Thüring verursacht wurde.
Den Hinweis auf diesen Verdacht gab die übereinstimmende IP-Adresse. Die Zugriffe erfolgten über Webmail im Prüfungs-Zeitraum zwischen 1. August und 17. November und hauptsächlich während den Bürozeiten.
Keine Stellungnahme zu Verdacht
Frehner hatte Verdacht geschöpft, weil plötzlich Personen aus dem Umfeld des Parteivorstands Dinge wussten, deren Quelle seine eigene Mail-Datenbank war. Frehner reichte am 5. April Strafanzeige gegen Unbekannt ein. Sein Verdacht richtete sich aber gegen seinen früheren Geschäftspartner und Parteisekretär Joël Thüring, mit dem er in friedlicheren Zeiten die 2009 gegründete Beratungsfirma "Aspero AG" betrieb, bis es 2015 zur Trennung kam.
Die Zugriffe weisen eine beträchtliche Intensität auf, doch bewiesen ist nichts. Thüring schweigt dazu auf Anraten seines Anwalts, somit blieb eine Bestätigung wie ein Dementi aus.
Verhältnis äusserst angespannt
Das Verhältnis zwischen dem Duo Thüring und Kantonalpräsident Lorenz Nägelin (Bild) einerseits und dem einzigen Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner anderseits ist, wenn nicht zerrüttet, so doch äusserst gespannt. Das zeigt sich an Thürings Behauptung, dass Frehner die Strafanzeige absichtlich knapp vor der Generalversammlung eingereicht habe. Frehner weist diese Behauptung zurück: Er habe die Ergebnisse der Zugriffs-Untersuchung gar nicht früher zur Verfügung gehabt.
Ein weiteres Beispiel für emotionale Distanz ist der grotesk langfädige Mail-Verkehr, allein um einen Besprechungs-Termin zu finden: Mal hat Nägelin keine Zeit, mal Frehner. Er sagte zu OnlineReports, er sei letzten Sommer nach seinem Rücktritt als Präsident "aus dem Vorstand geekelt" worden. Dabei figurierte Frehner auf der Basler SVP-Website bis vor wenigen Wochen in der Bildergalerie der Parteileitung.
"Parteischädigendes Verhalten"
In die Tasten greifen musste auch der auf die Generalversammlung vom 24. Mai zurücktretende Kassier Stefan Bissegger, der seit anderthalb Jahren in Allschwil wohnt und auch der SVP Baselland angehört. Er erhielt erst auf Rückfrage eine Einladung und Unterlagen zur GV. Zuvor hatte er in einem Schreiben an Nägelin angekündigt, den Mitgliedern seinen Kassenbericht "auf dem Korrespondenzweg zukommen zu lassen", falls er nicht Gelegenheit erhalte, diesen vor versammelter Basis zu kommentieren.
Bissegger hatte im Vorstand Unmut ausgelöst mit seiner Kritik am Finanzgebaren der Partei: Dem Umgang mit einem Legat, dem teuren Grossratspräsidenten-Fest von Thüring und dessen ultimativer und vom Vorstand bewilligten Forderung auf Erhöhung seines Monats-Honorars von 3'000 auf 5'700 Franken letzten November. Nägelin warf Bissegger deswegen "parteischädigendes Verhalten" vor.
Der Kassenwart weiss noch nicht, ob er seinen Parteifreunden die Kritikpunkte wird erklären dürfen: Als Traktandum ist bloss "Bericht der Revisionsstelle und Genehmigung der Jahresrechnung" aufgeführt – und nicht etwa "Jahresbericht des Kassiers". Um Klarheit gebeten, ob der Finanzchef auftreten dürfe, sagte Partei-Chef Nägelin zu OnlineReports: "Ja, er wird die Kasse 2017 vorstellen können."
Erhöhung der Mandatssteuer
Kantonalpräsident Nägelin ist offensichtlich bemüht, seine Führungs-Handschrift rasch erkennbar zu machen und die Parteifinanzen zu stärken, nachdem bereits ein überraschendes Legat von 900'000 Franken eingegangen war. So wird die Mandatssteuer von fünf auf zehn Prozent erhöht, was Frehner und die beiden SVP-Gerichtspräsidenten ebenso trifft wie etwa die Grossräte, Bürgerräte und Schulräte. Diesen Beschluss fasste der Vorstand letzten Winter. Die Generalversammlung hat dazu – was Kassier Bissegger ebenso stört – nichts zu sagen.
Wie Nägelin dazu ausführte, sei es sein Vorgänger Frehner gewesen, der die Mandatssteuer von damals zehn auf fünf Prozent gesenkt habe. Dies habe der Vorstand "nun wieder rückgängig gemacht". Eine zehnprozentige Abgabe – Mandatsträger anderer Parteien gäben bis 50 Prozent ab – sei "vertretbar und für Prestigeämter, welche nur durch eine Partei möglich sind, nun wirklich nicht hoch". Nägelin: "Bei den Wahlen macht dies die SVP schlagfertiger."
Ungemütliche Situation
Was Frehner ebenso widerstrebt, ist die Beschränkung der Amtszeit auf vier Legislaturen, wie sie in gut einer Woche durch eine Statutenrevision festgeschrieben werden und für Mandatsträger auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene gelten soll. Pikant: Für die Riehener SVP-Politiker ist diese Beschränkung nicht gültig. Allerdings steht dies nicht in den Statuten, sondern nur im Kommentar dazu.
Die Lage ist für das Führungs-Duo Nägelin/Thüring derzeit ungemütlich. Zwar liess Thüring seinen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Computer versiegeln; ebenso kann er gegen eine Entsieglung Rechtsmittel bis vor Bundesgericht ergreifen. Aber den Verdacht, möglicherweise einen Straftatbestand erfüllt zu haben, kann er dadurch bis zu dessen Entkräftung nicht zum Verschwinden bringen. Er minimiert so lange auch die Ambitionen Thürings, sich als SVP-Regierungsrats-Kandidat ins Spiel zu bringen.
"Dafür gibt es die Justiz"
Ob die Strafanzeige an der Generalversammlung Thema wird, ist noch unklar. "Nein", sagt Nägelin, die Generalversammlung sei nicht Teil einer juristischen Auseinandersetzung. "Dafür gibt es die Justiz, welche den Fall bearbeitet."
Auf die Frage, wie belastend die Strafanzeige für die Partei sei, sagte der SVP-Präsident zu OnlineReports: "Am meisten belastend ist, dass es Personen gibt, die alles in der Öffentlichkeit austragen, um der Partei gezielt zu schaden. Juristische Dinge sind juristisch zu klären und nicht via Öffentlichkeit." Die Journalisten als deren Vertreter sind zur Generalversammlung, an der ein Machtkampf offen ausgetragen wird, nicht eingeladen.
15. Mai 2018
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