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"Bahn ab!": BLT-Chef Büttiker, Stellvertreter Schödler
"Die Waldenburgerbahn soll wieder einen Ruck durchs Tal auslösen"
Nach nur 20 Monaten Bauzeit wird die komplett erneuerte Bahnlinie Liestal-Waldenburg am 11. Dezember eröffnet
Von Peter Knechtli
Nach einer spektakulär kurzen Bauzeit von nur 20 Monaten steht eines der grossen Verkehrsprojekte im Baselbiet vor seiner Eröffnung: Die komplett erneuerte 13 Kilometer lange Bahnlinie von Liestal nach Waldenburg. Die wirtschaftlich etwas abgehängte Talschaft erhofft sich vom ultramodernen Verkehrsmittel eine gewerbliche Belebung.
Im Jahr 1880 in Betrieb genommen, war die Waldenburgerbahn mit einer Spurbreite von 75 Zentimetern als die schmalste Schmalspurbahn Europas berühmt. Dies war wohl auch der Hauptgrund, weshalb sie im Volksmund liebevoll als "Waldenburgerli" bekannt war. Sie war klein, aber eine Bahn, und darauf legten die Anrainer Wert.
Etwas heruntergekommen wie die gesamte Talschaft an der Vorderen Frenke, war Erneuerung angesagt, nachdem sie im Jahr 2015 in der Baselland Transport AG (BLT) aufgegangen war.
Die WB bleibt auch als Tram die WB
In wenigen Tagen wird im Viertelstunden-Takt ein Verkehrsmittel in Betrieb gehen, das mit einer Spurweite von einem Meter zwar unverkennbar und auch verkehrsjuristisch ein Tram der BLT ist, aber aus Rücksicht auf sentimentale Gefühle der Talbewohner auch weiterhin "Waldenburgerli" heisst. Das goldene WB-Signet an der Tramschnauze ist ein unverrückbares Versprechen an die Bevölkerung und ihre Politiker, die sich vehement gegen eine dauerhafte Umstellung auf Busbetrieb, wie er während der Bauzeit galt, gewehrt hatten.
Als am 6. April 2021 um 0.55 Uhr das letzte "Waldenburgerli" den Bahnhof Liestal in Richtung Süden verliess, dauerte es nicht lange, bis sozusagen das ganze Tal auf einer Länge von 13,1 Kilometern zu einer einzigen Baustelle umgepflügt war: alte Bahn raus, neue rein. 20 Monate später ist das völlig neu konzipierte Verkehrsmittel auf einem neuen Trassee und auf drei Kilometern Doppelspur einsatzbereit.
Acht Prozent Kostenüberschreitung
Auf der Autofahrt durch die Talstrasse sind zwar noch einige Baustellen und Rotlichter anzutreffen. Aber auf der ganzen Länge fallen die nagelneuen, silbern glänzenden Ausleger auf, an denen die Fahrleitungen befestigt sind. Betriebsbereit sind auch die neuen Haltestellen mit ihren der Enge des Tals entsprechenden Wartehäuschen, die Windschutz bieten.
Am frühen Morgen des 11. Dezember, um 5,06 Uhr, wird es heissen: "Bahn ab!" Zwar müssen noch einige behördliche Auflagen als bestätigt erfüllt werden, aber die Betriebsaufnahme eines Meisterwerks der Bahnbaukunst, der Rollmaterial-Innovation und des Verhandlungsgeschicks wird nicht mehr zu stoppen sein.
Budgetiert war ein Investitionsvolumen von 320 Millionen Franken, Stand heute sind es 345 Millionen Franken (+ acht Prozent). Die Zusatzkosten führte BLT-Direktor Andreas Büttiker auf veränderte Rahmenbedingungen beim Hochwasserschutz, den beträchtlichen Zeitdruck und die ausserordentliche Bauteuerung zurück. 116 Millionen Franken für Tiefbau-Arbeiten wurden an lokale Anbieter vergeben.
Mit 54 Millionen Franken lag dafür das von "Stadler Rail" bestellte und im spanischen Valencia produzierte Rollmaterial dank einer Kooperation mit der "Aargau Verkehr AG" um sechs Millionen Franken unter Budget.
Grundwasserproblem in Hölstein
Büttiker sprach an einem Medientermin heute Donnerstagmorgen im neuen Bahnhof Waldenburg von der "modernsten Meterspurbahn Europas" und zeigte sich überglücklich, als er die gemeisterten Schwierigkeiten Revue passieren liess. So die umfangreichen Plangenehmigungs-Verfahren und eine Hang-Abtragung auf 400 Metern Länge mit Linienverschiebung bei Hölstein, weil eine Verschiebung der Frenke ins Gebiet der Liestaler Grundwasserfassung das behördliche Plazet nicht erhielt.
Der BLT-Chef, ganz im Element, erwähnte auch die Einigung mit 256 Landeigentümern in der siebenjährigen Planungs- und Bauzeit, die massiven Eingriffe zum Schutz vor Hochwasser in Niederdorf und den beharrlichen Goodwil der Bevölkerung, den er auf einen intensiven Dialog über Absichten und Planungsstand zurückführte.
Bisher liessen sich rund zwei Millionen Passagiere jährlich durch das "Waldenburgerli" transportieren. Projektleiter und Vizedirektor Fredi Schödler geht davon aus, dass sich die Fahrgastzahlen in den nächsten Jahren positiv entwickeln werden.
Hoffnung auf wirtschaftliche Belebung
Chef Büttiker hofft sogar auf eine wirtschaftliche Belebung der Region, in der früher mechanische Spezialbetriebe und Uhrenfabriken für Wohlstand sorgten, die teils heute noch überlebt haben. Die neue WB, so hofft er, "soll wieder einen Ruck durchs Tal auslösen". Dabei denkt er weniger an Grossbetriebe, sondern eher an das Potenzial der Bau- und Kreativwirtschaft. Schödler ergänzt: "Die Wirtschaft lebt von der Mobilität."
Als Transportmittel dienen dem Tal zehn Tram-Einheiten der modernsten Generation. Eine 44 Meter lange und 2,4 Meter breite Traktion kann 265 Fahrgäste aufnehmen, in Stosszeiten kann die Kapazität mit einer Zweier-Formation verdoppelt werden. Die Fahrt vom Anfangs- bis zum Endpunkt dauert vorerst noch – wie bisher – 23 Minuten. In wenigen Monaten nach erfolgreichem technischem Finish werden es noch 20 Minuten sein.
Ende Rumpelkiste
Anders als die Vorgängerin, die einigen als "Rumpelkiste" erschien, sollen die neuen Fahrzeuge mit Doppelverglasung, Helligkeit, Vollklimatisierung und ebenerdigem Ein- und Ausstieg einen "hohen Fahrkomfort" bieten. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 Stundenkilometer.
Wie Fredi Schödler, Infrastruktur-Chef Reto Rotzler und Fahrzeug-Chef Philipp Glogg ausführten, kommen nahezu volldigitalisierte Trams nach dem Prinzip der datenbasierten Zugssteuerung (CBTC) mit Assistenz-Systemen zum Einsatz, die dem Fahrpersonal wenig manuelle Tätigkeiten abverlangen. Die klassischen Fahrsignale sind entlang der Strecke nicht mehr zu sehen.
Fast total digital
Radar, Videoüberwachung und Künstliche Intelligenz sind weitgehend für den sicheren Betrieb verantwortlich, auch wenn das führerlose Tram in Überland-Bahntechnik laut Schödler noch über zehn Jahre auf sich wird warten lassen.
Obschon sich im Führerstand das Schwergewicht auf die Überwachung und Kontrolle verlagert, "freuen sich die jungen Angestellten auf die neue Technologie", so Glogg. Die BLT legt aber Wert darauf, dass die Digital-Drämmler zwischendurch immer wieder als Bus-Chauffeure eingesetzt werden.
Ein Viertel selbstproduzierte Energie
Mit Stolz verwies die BLT-Spitze auch auf die hohe Energie-Effizienz, zu der nicht nur der Einsatz von Photovoltaik gehört, sondern auch ein Hochleistungs-Generator. Diese "Superbatterie" (so Büttiker) gewinnt Bremsenergie und speist sie wieder ins System ein. Somit können 25 bis 30 Prozent (eine halbe Gigawattstunde) der verbrauchten elektrischen Energie von jährlich zwei Gigawattstunden selbst produziert werden.
Als Dank an die "volle Unterstützung durch die Menschen im Tal" (so Büttiker) offeriert die BLT ihr ein Fest (siehe Box unten). Auf eine Forderung wollte die Waldenburger Bevölkerung aber nicht verzichten: Der Bahnhof-Kiosk müsse bleiben! Er ist der einzige Einkaufsladen im Städtchen am Fusse des Oberen Hauensteins.
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1. Dezember 2022
Weiterführende Links:
Fest für Bevölkerung
Die BLT lädt die Öffentlichkeit am Samstag, 10. Dezember, von 12 bis 21 Uhr zum grossen WB-Eröffnungsfest rund um den Bahnhof Waldenburg ein. Mit einem bunten Rahmenprogramm sagt sie der Bevölkerung des Waldenburgertals Danke für ihre Geduld und ihr Verständnis, das sie während der zweijährigen Bauphase entgegenbrachte. Festprogramm herunterladen.