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© Fotos by Peter Knechtli und Fabian Schwarzenbach, OnlineReports.ch
FDP und LDP: Sie können nicht fusionieren – und sie wollen nichtDie einst führenden Basler Freisinnigen sind nur noch Juniorpartner in der bürgerlichen Allianz Von Peter Knechtli Ein Drittel der Grossrats-Sitze verloren und aus der Regierung geflogen: Der Basler Freisinn ist an einem historischen Tiefpunkt angelangt. Derweil setzt die liberale Schwesterpartei LDP mit zwei Regierungs-Sitzen ihren Siegeszug fort. Die Fusion der beiden Parteien könnte die Lösung sein. Sie scheitert aber an Animositäten und tiefsitzenden Selbstbehauptungs-Gefühlen. Selten hat ein Basler Parteipräsident so schonungslos Wahlbilanz gezogen wie FDP-Chef Luca Urgese nach der Abwahl von Sicherheitsdirektor Baschi Dürr, dessen Regierungstätigkeit Ende Januar nach acht Jahren endet: "Für die FDP ist heute das Worst case-Szenario eingetreten. Wir wussten von Anfang an, dass das passieren konnte. Dass es heute tatsächlich passiert ist, ist für uns sehr schmerzhaft."
Ebenso schmerzhaft wie das persönliche Mitgefühl ist für die Basler Freisinnigen die Symbolkraft des Volksverdikts: Mit Beginn der neuen Legislaturperiode am 1. Februar 2021 ist die Basler FDP erstmals seit 1881 nicht mehr Regierungspartei. Sie muss, zusätzlich bitter, erleben, wie ihre bürgerliche Schwesterpartei LDP mit gleich zwei Sitzen in die siebenköpfige Exekutive einzieht.
Der damalige FDP Schweiz-Präsident Fulvio Pelli hatte sich zum Ziel gesetzt, mit der neuen Marke vor allem ein "junges urbanes Publikum" anzusprechen. Sie bilde den Auftakt zu einem "grossen Effort, eine neue FDP zu bilden". Auch die Basler Sektion übernahm das Logo – unausgesprochen mit dem Anspruch, die liberale Gedankenwelt künftig exklusiv im Einflussbereich der Freisinnigen zu vereinigen.
Ihre Parteileitung sprach von "Ideen-Klau", nahm das binnenbürgerliche Machtkämpfchen aber zähneknirschend hin. Sie fühlte sich stark genug, sich der Vereinnahmung durch den Freisinn zu entziehen.
Tatsächlich schmolz die Stärke der Freisinnigen kontinuierlich dahin, bis im Jahr 2016 die LDP die Führung übernahm und heute doppelt so viele Grossratssitze besetzt wie ihre Schwesterpartei FDP. Der Logo-Streit ist inzwischen längst verflogen. Die vor 115 Jahren gegründeten Liberalen überliessen den Freisinnigen die inflationär begehrte "Liberalen"-Marke, während sie sich nun schlicht als "LDP" positionieren.
Aufgrund der jetzigen Kräfteverhältnisse ist nur schon undenkbar, dass eine der beiden liberalen Parteien ihren Namen aufgäbe: Die Freisinnigen nicht, weil sie in eine eidgenössische Partei eingebettet sind – die traditionsbewussten LDP-ler nicht, weil sie keine Freisinnigen werden und vor allem ihren Namen nicht verlieren wollen. Schon vor 14 Jahren sagte der damalige Basler FDP-Vorsitzende Daniel Stolz zu OnlineReports: "Die Frage einer Fusion mit den Liberalen stellt sich für mich heute nicht."
Dasselbe gilt umgekehrt für die Liberalen: "Wenn die Freisinningen so weitermachen, schaffen sie sich selbst ab." Dieser Satz von LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein gegenüber OnlineReports zeigt, wie mässig die Empathie gegenüber dem engsten bürgerlichen Allianzpartei ist. Auch umgekehrt: Bisher ist trotz des FDP-Absturzes kein Freisinniger zur LDP übergetreten.
"Für uns gibt es keinen Grund für einen Zusammenschluss" und "Solange ich Präsidentin bin, gibt es keine Fusion", sagt die LDP-Kapitänin und lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig, obschon die Basler LDP eine Kantonalsektion der FDP Schweiz ist.
Unter dem Druck der SVP öffnete sie die rechte Flanke, wie Autor Felix E. Müller richtig feststellt, während sie anderseits den ökologischen Wandel komplett verschlief.
Sie verpasste es beispielsweise, die von Parteipräsidentin Petra Gössi angemahnte Umwelt-Sensibilisierung spürbar werden zu lassen und als Treiber einer durchaus an Unternehmen und Nutzern des motorisierten Individualverkehrs orientierten Nachhaltigkeits-Politik in Erscheinung zu treten. Als wären Klimawandel immer noch Pfui! Die Wirkung nach aussen: Sorglosigkeit in einer existenziellen Menschheits-Frage.
Dabei waren es klingende Namen aus der bürgerlichen Basler Bourgeoisie, die in der Schweiz als Pioniere des Naturschutzes auftraten. Unter dem Präsidium von Fritz Sarasin war es die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft, die das Projekt zur Gründung eines Nationalparks initiierte. Sein Cousin Paul Sarasin war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der erste Präsident des Schweizerischen Bundes für Naturschutz (SBN).
Der 2011 verstorbene Basler Zoologe und Forscher Dieter Burckhardt war erster Sekretär und späterer Stiftungsrat der Vogelwarte Sempach und schliesslich SBN-Zentralsekretär. Unter seinem Einfluss entstanden in der Schweiz zahlreiche Naturschutzgebiete.
Solche Figuren sind im stark männerlastigen Basler Freisinn kaum zu finden. Die wenigen Ökoliberalen, die ihm angehören, sind im Kampf auf der Leiter nach oben chancenlos. Die Grünliberalen, die mit Esther Keller soeben ihren ersten Regierungssitz errungen haben, freut's.
Nach dem ersten Wahlgang hatte sich Urgese arg verschätzt. "Die Türe zum Rathaus steht im zweiten Wahlgang nun weit offen", schrieb er im Parteiblatt, kurz bevor sein Regierungsrat Dürr in Volkes Ungnade fiel. 9. Dezember 2020
"Blicke in die Vergangenheit sind nötig" Einmal mehr gelingt es Knechtli hervorragend, die Situation der FDP seit den letzten Wahlen zu analysieren. Blicke in die Vergangenheit müssen dabei erlaubt sein und sind sogar nötig. So ist es der FDP nicht gelungen, ihre diversen Flügel unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen. Die Gründung einer grünliberalen Partei ist eine offensichtliche Folge. Peter Bächle, Basel "Mit Leidenschaft für das Thema" Ich habe schon lange nicht mehr einen so gut recherchierten und gut geschriebenen Artikel über die Basler Bürgerlichen gelesen. Man merkt Dir nicht nur den soliden Journalisten, sondern auch den sehr erfahrenden politischen Begleiter und präzisen Analytiker an. Erika Paneth, Berlin "Alles richtig gemacht" Der langen Rede kurzer Sinn: Die Basler FDP hat in den letzten Jahren alles richtig gemacht. Die blöden Wählerinnen und Wähler und die bösen Journalisten haben es einfach nicht gemerkt. Roland Stark, Basel "Zu fest in der Vergangenheit verfangen" Peter Knechtli präsentiert einmal mehr eine breite politische Auslegeordnung, wie ich sie durchaus schätze. Sie ist gewohnt kenntnisreich und umfassend. Diesmal ist sie aber zu fest in der Darstellung vergangener Ereignisse und zu wenig in der Darstellung der Gegenwart verfangen.
Der Vorwurf, die FDP werde vor allem über das Thema Parkplätze wahrgenommen, ist inzwischen eigentlich nur noch langweilig. Er trifft nur dann zu, wenn man standhaft die politische Arbeit der FDP in den letzten vier Jahren ignoriert. Die FDP setzt sich für eine zukunftsorientierte Mobilität ein. Sie hat in einem Vorstoss die Förderung von Wasserstoff-Fahrzeugen gefordert, den Ausbau der Veloinfrastruktur unterstützt und die Förderung der Elektromobilität befürwortet. In letzterem Punkt schritt ihr Regierungsrat trotz einiger Kritik als nationaler Pionier voran.
Der FDP ein "Modernitäts-Problem" zu unterstellen bedeutet, die unzähligen Digitalisierungs-Vorstösse der letzten Jahre – digitale Steuererklärung, digitales Baubewilligungsverfahren, digitales Einbürgerungsverfahren, digitales eSteuerkonto, digitale Kompetenzen von Lehrpersonen, Ausbau von 5G oder transparente Einwohnerdaten – völlig auszublenden.
Schliesslich die Unterstellung, für das Thema Umwelt nicht sensibilisiert zu sein. Abgesehen von den oben genannten Beispielen, wie die FDP eine zukunftsorientierte und dadurch auch klimafreundlichere Mobilität vorantreiben will, sei daran erinnert, dass der Klimanotstand im Grossen Rat nur dank einem Änderungsantrag der FDP das nötige Zweidrittelsmehr erreicht hat. Das fortschrittlichste Energiegesetz der Schweiz trägt auch eine freisinnige Handschrift. Bei den letztjährigen Nationalratswahlen hatten zwei von fünf Kandidierende den Umweltschutz seit vielen Jahren zu ihrem wichtigsten Thema gemacht. Sie wurden von den Mitgliedern nominiert und haben am Wahlsonntag die ersten beiden Plätze belegt.
Um klar zu sein: Es geht mir nicht darum, eine anspruchsvolle Situation schönzureden. Die FDP hat einige Hausaufgaben. Diese werden wir mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt erledigen. Dass wir dabei von der Öffentlichkeit auch kritisch begleitet werden, gehört zum politischen Geschäft. Wenn man das tut, erwarten wir aber die Bereitschaft, sich mit dem auseinanderzusetzen, was wir tatsächlich politisch leisten. Luca Urgese, Parteipräsident FDP.Die Liberalen Basel-Stadt, Basel |
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