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"Jetzt kommt etwas Neues": Unter Corona-Bedingungen tagendes Basler Parlament
Für 20 Köpfe ist Schluss: Die Gewissheit schon vor Grossrats-Wahlen
Wegen Amtszeitbeschränkung oder persönlichen Gründen: Kein Antritt zu den Wahlen im Herbst mehr
Von Peter Knechtli
Zu den Basler Parlamentswahlen in drei Monaten werden 20 derzeit noch amtierende Grossrätinnen und Grossräte nicht mehr antreten: Entweder hindert sie die Amtszeitbeschränkung an der Entfaltung weiterer Aktivitäten im Rathaus oder sie verzichten aus persönlichen Gründen auf einen Antritt zur Wiederwahl.
Um zu verhindern, dass gewählte Politikerinnen und Politiker nie genug bekommen, es auch nach Jahrzehnten des Abgeordneten-Daseins noch immer nicht gesehen haben und ihren Sitz im Grossrats-Saal Nachwuchskräften blockieren, gilt in Basel-Stadt – ebenso wie im Baselbiet – eine gesetzliche Amtszeit-Beschränkung von 16 Jahren. Nach vier Amtsperioden, wovon die angefangenen auch mitzählen, ist Schluss.
Wer noch immer nicht genug hat, muss eine ganze Amtszeit pausieren, um danach wieder kandidieren zu können.
Begehrtes "Bisherigen"-Etikett
Unterschiedlich beliebt ist die Praxis, ein knappes Jahr vor der gesetzlichen Guillotine zurückzutreten, um so Nachrückenden die Chance die Wahl mit dem "Bisherigen"-Bonus zu ermöglichen. So machte vor vier Jahren der "Basta"-Grossrat Urs Müller – ein "animal politique", das sicherlich gern noch Jahre weiter im Rathaus gesessen wäre – nach knapp 15 Jahren ein halbes Jahr vor den Wahlen 2016 dem Mieterverbands-Aktivisten Beat Leuthardt Platz machte.
Auch "Basta"-Grossrätin Patrizia Bernasconi und die heutige Co-Präsidentin Heidi Mück traten vorzeitig zurück, um neuen Kräften des Grünen Bündnisses Platz zu machen: Für Mück kam Harald Friedl, für Bernasconi kam Daniel Spirgi, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Die grössere Rochade hat nicht nur zur Folge, dass alle vier "Basta"-Volksvertretenden keiner Amtszeit-Beschränkung unterliegen und erneut kandidieren, vielmehr treten drei führende ex "Basta"-Grossrätinnen nach einer Rathaus-Pause erneut an: Neben Mück und Bernasconi auch die frühere Grossrats-Präsidentin Brigitta Gerber. Folge: Die Chancen auf einen Sitzgewinn steigen enorm. "Eine Verdoppelung auf acht Mandate wäre toll", träumt sich Chefin Mück.
Guillotine trifft SVP besonders hart
Auch die Grünen, die mit "Basta" eine Fraktionsgemeinschaft bilden, befinden sich derzeit in einer relativ komfortablen Situation. Von ihren neun Abgeordneten trift einzig Thomas Grossenbacher die Amtszeit-Guillotine. Allerdings gehört er zu den kämpferisch profiliertesten Parlamentariern, dessen Stimme den Grünen fehlen dürfte. Die Grünliberalen treten mit allen drei Amtierenden wieder an, zwei von ihnen sitzen erst wenige Monate (Sandra Bothe) beziehungsweise seit gut einem Jahr im Parlament (Esther Keller).
Nicht alle Parteien können aber in diesem Mass vom Bisherigen-Bonus profitieren. Die proportional stärkste Erneuerung steht bei jenen Franktionen an, die sich die Stellung als "stärkste bürgerlichen Partei Basels" streitig machen: bei den Liberalen LDP und der SVP, deren Fraktion mit 15 Sitzen gleich stark sind.
Bei der SVP schlägt die Guillotine heftig zu. So wird Kantonalpräsident Eduard Rutschmann (66) der ab kommendem Frühjahr dem Grossen Rat nicht mehr angehören und darum sein Präsidium in absehrbarer Zeit abgeben. Auch der frühere Grossratspräsident (2009/2010) Patrick Hafner (55), der 83-jährige Roland Lindner, der 2009 von der EVP übergetretene Heinrich Ueberwasser, Rudolf Vogel und Alexander Gröflin dürfen die Basler Politik künftig aus der Distanz verfolgen.
LDP-Fraktions-Chef geht vorzeitig
Bei den Liberalen LDP sind mit dem früheren Grossratspräsidenten Heiner Vischer und Thomas Strahm (Riehen) nur zwei Grossräte, die wegen der Amtszeit-Beschränkung nicht mehr mittun dürfen. Fraktionspräsident Michael Koechlin und der erst seit dreieinhalb Jahren politisierende, sehr unauffällige René Häfliger verzichten aus persönlichen Gründen auf eine erneute Kandidatur.
In der achtköpfigen CVP-Gruppe – ihr gehört auch der einzige EVP-Vertreter im Grossen Rat an – geht mit dem früheren Fraktionspräsidenten Oswald Inglin (67) und dem parteipolitisch von der FDP über die SVP zu den Christdemokraten mäandernden Felix Meier ein Viertel der Fraktion in Polit-Pension.
SP mit aktivstem Wechsel-Management
Das mit Abstand aktivste Wechsel-Management mit 15 neuen Mitgliedern hat die 35-köpfige SP-Fraktion im Verlaufe der laufenden Legislatur betrieben. In zwei Fällen waren es zwei vor vier Jahren Gewählte, die den Sprung in die Kantonsregierung (Tanja Soland) oder in den Nationalrat (Mustafa Atici) geschafft haben. Somit betrifft die Amtszeit-Limitierung bloss Sibylle Benz-Hübner, Ursula Metzger, Franziska Reinhard, Jörg Vitelli und Ugur Camlibel, der 2017 von den Grünen zur SP wechselte.
Für zwei der elfköpfigen FDP-Fraktion steht heute schon fest, dass sie ihr Rathaus-Nest verlassen werden. Der frühere Fraktions-Chef Christophe Haller (Grossbasel Ost) wird bald 16 Grossrats-Jahr auf dem Buckel haben und darf nicht mehr. Martina Bernasconi (Grossbasel West), die noch eine Amtszeit "zugute" hat, will nicht mehr.
Die einstige Regierungsrats-Kandidatin der Grünliberalen war Ende 2016 zunächst als Parteilose in die freisinnige Fraktion eingetreten. Inzwischen reguläres FDP-Mitglied hat sie "das Gefühl, das Feuer sei etwas erloschen", wie sie OnlineReports ihren Abschied aus dem Basler Kantonsparlament ankündigte. Der Abschied von der Politik kann aber auch Schönes bedeuten, wie Bernasconi sage: "Jetzt kommt etwas Neues."
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27. Juli 2020
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Bisherige werden straucheln
pkn. Soviel steht heute schon fest: Jedes fünfte amtierende Basler Grossrats-Mitglied wird sich nicht der Wiederwahl stellen – sei es wegen der Amtszeit-Guillotine oder aus persönlichen Gründen.
In den Basler Grossratswahlen vom 25. Oktober 2020 kommt ein neues Wahlgesetz zur Anwendung, in dem das Wahlkreis-Quorum von vier Prozent der Gesamtstimmen fällt. Die bisherige Regelung benachteiligte kleine Parteien wie etwa die EVP oder eher unkonventionelle politische Gruppierungen, in denen eine Einzelperson besondere Bedeutung hat.
Weil die Wahrscheinichkeit gross ist, dass bisherige Quorums-Benachteiligte mit der neuen Regelung den Sprung in den Grossen Rat schaffen, dürfte auch der eine oder andere Bisherige über die Klinge springen müssen. Die Erneuerung des Grossen Rates in der Amtsperiode 2021-2025 wird somit deutlich über 20 Prozent liegen.
Das "Bisherigen"-Etikett ist also kein Wahlgarant, es erhöht nur die Wahlchancen.