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2 Millionen statt 300'000 Franken: Die EBL gibt den Gemeinden mehr Geld für die Nutzung der Allmend.

Neue Strom-Konzessionen: Mehr Geld für 50 Baselbieter Gemeinden

Ein neuer Vertrag beschert den Gemeinden zusätzliche 1,7 Millionen Franken pro Jahr. Die Elektra Baselland hat die Gebühr zwar bisher bei ihren Kunden erhoben, aber nicht vollständig weitergegeben.


Von Marc Gusewski


Nach zweijähriger Beratung kommt der neue Strom-Konzessionsvertrag der Elektra Baselland (EBL) nun in die Gemeinden. Den Anfang machte am Mittwoch der Einwohnerrat Liestal.

Der Stadtrat beantragte, dem Vertrag zuzustimmen. Das Parlament lässt das Geschäft aber noch von seiner Finanzkommission behandeln. Stadtpräsident Daniel Spinnler, der die Verhandlungen von Anfang an mitgestaltete, sagt: "Für die Stadt ist das vorliegende Geschäft wichtig. Es gehört aber auch zur Kultur unseres Rats, kompliziertere Geschäfte in seinen Kommissionen zu prüfen. Wir gehen davon aus, dass der Rat im Dezember beschliessen kann."

Für Liestal und die anderen angeschlossenen Gemeinden ist die Lösung lukrativ, denn die Entschädigungen für die Konzession werden auf ein übliches Niveau angehoben. Die EBL zahlt ihnen künftig rund zwei Millionen Franken pro Jahr. Bisher schüttete sie nur 300'000 Franken aus. Im Fall von Liestal bedeutet das neu 300'000 Franken Einnahmen statt wie bisher rund 50'000 pro Jahr.

Konzessionen spielen für eine Gemeinde eine wichtige Rolle. Damit verleihen sie einem Unternehmen das Recht, im Gemeindebann zum Beispiel Werbung zu betreiben oder Strom-, Erdgas- und Fernwärmeleitungen auf Allmend zu legen und zu pflegen. Es gibt zwar wenige gesetzliche Grundlagen dazu, aber eine ganze Menge Kantons- und Bundesgerichtsurteile, weil gerade um den Wert von Konzessionen immer wieder gestritten wird.

Die bisherige EBL-Konzession stammt aus dem Jahr 1988. Der Kanton legte diese damals als sogenannten Mustervertrag vor, weil sich EBL und Gemeinden über den ursprünglichen Vertrag zerstritten hatten. Seit den 90er-Jahren ermöglicht das Baselbieter Energiegesetz den Gemeinden eine Stromkonzession.

 

Höchst ungleich entschädigt

 

Urs Kaufmann, Gemeinderat von Frenkendorf, SP-Landrat und als Energiespezialist bekannt, erklärt: "Wir haben gesehen, dass es Zeit war, den Vertrag den aktuellen Erfordernissen anzupassen, und haben mit Liestal und Pratteln nach Lösungen gesucht." Damit soll er im Sinne der Energiewende und dem geltenden Stromversorgungsgesetz angepasst werden. Andererseits realisierten die von Finanzsorgen geplagten Gemeinderäte, dass sie höchst ungleich für ihre Konzession entschädigt werden.

Heute erhalten die von der EBL versorgten Gemeinden rund drei Franken pro Einwohner und Jahr als Konzessionsentschädigung. In den Gemeinden mit Dorf-Elektras – Augst, Itingen, Reigoldswil, Sissach – gibt es gar keine Abgabe. Hingegen erhalten die Laufentaler Gemeinden durch die Berner Energieversorgerin BKW eine Entschädigung von umgerechnet rund 45 Franken pro Einwohner und Jahr. Die Unterbaselbieter Energieversorgerin Primeo Energie schüttet rund 14,60 Franken pro Einwohner und Jahr aus. Nur im Oberbaselbiet blieben die Vergütungen tief. Das soll sich jetzt aber ändern.

Kernpunkt der revidierten Konzessionsvereinbarung ist ein neuer Vergütungsschlüssel. Verteilte die EBL bisher einen Prozentsatz ihres Umsatzes aus dem Energieverkauf, legen neu die Gemeinden die Höhe der Abgabe in Eigenregie fest. In Liestal soll der Stadtrat künftig die Vergütung zwischen 0,34 und 0,4 Rappen pro Kilowattstunde und Jahr festlegen, beantragt der Stadtrat. Füllinsdorf hat ausgerechnet, dass es im vergangenen Jahr 24'929 Franken von der EBL erhielt, mit dem neuen Verteilschlüssel werden es 80'000 Franken.

 

Pratteln: 500'000 statt 50'000

 

Zu den treibenden Kräften bei den Neuverhandlungen zählte auch der Prattler SVP-Gemeinderat Urs Hess, der im Sommer seine Polit-Karriere beendete. In Pratteln schenkt der neue Verteilschlüssel massiv ein: Die Gemeinde kann mit einer halben Million Franken Entschädigung rechnen statt wie bisher mit 50'000 Franken.

Insgesamt erwarten die Gemeinden pro Jahr zusätzlich 1,7 Millionen Franken oder rund 20 Franken pro Einwohner. Damit liegen sie dann im schweizerischen Mittelfeld. Bei zwei Informationsveranstaltungen im Sommer und Herbst stiessen die Vertragsentwürfe bei den betroffenen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten auf breite Zustimmung, heisst es bei den Beteiligten. Während die meisten Gemeinden noch mit der Vorbereitung beschäftigt sind, ist der neue Vertrag in Liestal seit einer Woche öffentlich.

Damit die Gemeinden frühzeitig von den neuen Abgaben profitieren, drängt die EBL nun darauf, dass die Verträge möglichst rasch unterzeichnet werden. So könnten die ersten Auszahlungen gemäss neuem Vertrag im Jahr 2026 erfolgen. In den kommenden Monaten wird der EBL-Vertrag in vielen Gemeindeversammlungen ein wichtiger Verhandlungspunkt werden.

 

EBL-CEO Andrist nimmt Stellung

 

Trotz der neuen Millionen: Für die Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt alles beim Alten. Sie bezahlen die "neuen" Abgaben nämlich schon heute. Wie das?

Seit der Einführung des Stromversorgungs-Gesetzes berechnet die EBL ihren Kunden Abgaben und Leistungen an das Gemeinwesen, kurz AGW genannt. Die EBL bezeichnet diese unüblicherweise als "KAL". Damit sammelt sie rund zwei Millionen Franken pro Jahr ein. Doch bisher hat die EBL pro Jahr 1,7 Millionen Franken einbehalten und nur 300'000 Franken an die Gemeinden ausgeschüttet.

Tobias Andrist, CEO der EBL seit 2018, kann auf Anfrage jedenfalls nicht erklären, wie sich diese Verteilpraxis etabliert hat. Er vermutet, dass seine Vorgänger davon ausgingen, die öffentliche Energieberatung, für die die EBL nur zu einem kleinen Teil bezahlt wird, und die Förderung der Solarenergie seien "ebenso" Leistungen ans Gemeinwesen – und die Vereinnahmung der Konzessionsentschädigung damit rechtens.

"Das hat natürlich Diskussionen ausgelöst, aber wir müssen uns diesen stellen", sagt Andrist. Er begrüsst die neuen Konzessions-Verhandlungen "sehr" und erkennt darin "einen guten Schritt vorwärts". Tatsächlich könnte sogar eine Rückzahlung der nicht konform eingesammelten AGW-Gelder drohen.

 

Plötzlich von Sissachs Rechnung verschwunden

 

Das würde nicht nur in Liestal zu reden geben, sondern auch in Sissach. Die Elektra Sissach, eine eigenständige Dorfgenossenschaft, führte 2011 eine AGW-Abgabe in Höhe von zuletzt 0,2 Rappen pro Kilowattstunde ein. Sie entschädigte aber nicht die Gemeinde, die eine solche Abgabe zu keinem Zeitpunkt kannte oder je ein gesetzlich nötiges Reglement erlassen hätte, sondern finanzierte damit ihre Solarstromanlagen.

"Sissa-Strom" zu fördern, erklärten der damalige Verwaltungsratspräsident Peter Nyfeler und Geschäftsleiter René Bongni sinngemäss, sei Gemeinwohl im Sinne einer Konzessionsentschädigung. Auf der Stromrechnung war dies im Kleingedruckten ausgewiesen. Dabei dürften 800'000 bis 1 Million Franken zusammengekommen sein, die aber nie separat ausgewiesen wurden.

Die gleichlautende Argumentation der Energieversorger ist nachvollziehbar, denn Nyfeler war nicht nur Chef in Sissach, sondern auch Verwaltungsrat der EBL.

Nachdem Sissach die Abgabe jahrelang kassierte, verschwand sie Anfang 2024 sang- und klanglos von der Stromrechnung. Eine Erklärung dafür gab es für die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher bisher weder an der Jahresversammlung noch auf eine andere Weise.

Für die Energieversorger könnte die eigenwillige Interpretation der AGW Folgen haben: 2017 verpflichtete das Bundesgericht in einem schweizweit beachteten Fall, dass Basel seine "unreglementierte" Konzessionspraxis nachträglich gesetzlich anpasst. In einem weiteren AGW-Fall zwangen Bundesgericht und Eidgenössische Elektrizitätskommission das Stadtberner EWB, zu viel vereinnahmte Gelder den Verbrauchern zurückzugeben.

Der neue Konzessionsvertrag der EBL bringt nicht nur neue Entschädigungen, sondern fördert gleich noch neue rechtliche Erkenntnisse zutage.

31. Oktober 2024

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