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"Der Preis ist im Keller": Alteisenhändler Graf, Recycling-Kunstwerk
Putins Krieg trifft auch den Gelterkinder Schrotthändler Markus Graf
Die Ukraine-Invasion der Russen und ihr weltweites Preisdiktat schlagen bis zum Oberbaselbieter Alteisen-Mann durch
Von Peter Knechtli
Der Gelterkinder Markus Graf (65) zählt zur besonderen Berufsgruppe der kleinen Schrotthändler. Viel Geld ist damit nicht zu machen. Jetzt sorgt auch noch die Russen-Invasion für tiefe Preise, so dass kaum noch ein Überschuss herausspringt. Dafür wird der Frischpensionierte anderweitig entschädigt, wie er OnlineReports im Gespräch schilderte.
Fünfmal jährlich stand er am Samstagmorgen auf dem Vorplatz seines Baugeschäfts an der Allmendstrasse vor grossen Behältern, die "Constellations"-Zigarillo der Marke "Villiger" im Mund: So dirigierte Markus Graf während zwei Jahrzehnten die per Gemeindeanzeiger mobilisierte Kundschaft, welches Alteisen und welcher Elektroschrott in welche Tonne gehört, während er meist noch mit einem Passanten einen Schwatz abhielt.
Gelterkinden entprivatisiert Sammlung
Nachdem die in dritter Generation geführte Baufirma "Graf Söhne AG" 2021 samt Land verkauft wurde, verlegte Graf seine Altmetallsammlung noch dreimal jährlich auf das Zeughaus-Areal am Dorfrand. Die Bewohner brachten allerhand Haushaltgeräte, Staubsauger, Geschirrwaschanlagen, Lautsprecherboxen, Blei-Batterien und Leuchtstoffröhren.
Doch dieser kommunale Auftrag fällt ab neuem Jahr überraschend weg. Die Gemeinde beschied Graf Anfang Dezember, sie sammle den Schrott nun in eigener Regie, nur noch zweimal jährlich und gleichzeitig mit der Styropor-Sammlung auf dem Areal des – engen – Werkhofs "Fääli". Anders als bisher werden dort Leuchtstoffröhren nicht mehr angenommen.
Sein Geschäft als Werkstoff-Sammler führt Markus Graf mit seinem Hebebühnen-Lieferwagen aber weiter: Er fährt zu Oberbaselbieter Gewerbebetrieben – insbesondere Garagen und Elektrikerfirmen – und holt verwertbares Material ab, das er in seinem eigenen Triage-Werkhof in Tecknau für die Weiterverteilung in grössere Zentren vorbereitet.
"Ich bin nicht der häusliche Mann"
Weder künstliche Knie- und Hüftgelenke noch eine Schulteroperation halten ihn von dieser Arbeit ab. "Das ist mein Hobby. Nur zu Hause herum zu hocken bringt's nicht. So würde mir langweilig. Ich bin nicht der häusliche Mann, sondern gern draussen", sagt er im Gespräch, während er sich in Ordnern durch allerlei amtliche Formulare blättert, die seinen Status als behördlich bewilligten Altstoffhändler belegen.
"Mir gefällt es, ein bisschen am Alteisen herumzurupfen und Zeugs und Sachen." Damit meint er "Händelen und Preise machen", beschreibt er, was ihm in der Summe "eine Erfüllung" bietet: "Andere lesen Bücher, ich sammle Alteisen."
Job vom Nachbarn übernommen
Man schrieb das Jahr 2003, als ihn sein Nachbar Ernst Kaufmann, damals Wegmacher bei der Gemeinde Gelterkinden, fragte, ob er das Alteisengeschäft übernehmen wolle. Kaufmann hatte den Nebenjob selbst während fast dreissig Jahren ausgeübt, bis körperliche Gründe ihn zu einer Nachfolgeregelung bewogen. Markus Grafs Antwort war knapp, aber verbindlich: "Also gut, ich mache das."
Diese Tätigkeit ist ihm, manchmal etwas wortkarg, auf den Leib geschnitten. Als gelerntem Mechaniker waren seine Allrounder-Fähigkeiten gefragt, sei es im Tunnelbau, als Service-Mann, Baggerfahrer oder Kran- und Baustelleneinrichter.
Jetzt steht er selbst schon im zwanzigsten Jahr als Schrotthändler. "Ich mache das, solange ich noch gesund bin", schildert er und lacht dabei in schnellem Staccato. Früher hatte er viel geraucht ("mit diesem Geld hätte ich ein Auto kaufen können"). Vor anderthalb Jahren schwor er dem Nikotin ganz ab, weshalb er auch etwas "aufgegangen" sei.
Manchmal Glück, manchmal Pech
Aber noch immer ist er wöchentlich einen bis zwei Tage mit seinem Metall beschäftigt. "Ich kann jetzt meine Beschäftigung nach eigenem Gutdünken steuern", sagt Markus Graf und spricht von "etwa einem 20 Prozent-Pensum".
So bleibt er unter den Leuten bei seinen Lieferanten und Geschäftspartnern: dem Muldenservice- und Transportbetrieb Grieder in Tecknau, der Recyclingfirma Thommen in Kaiseraugst als Abnehmerin von Altmetall und der Imark in Frenkendorf für Elektroschrott und Grossbatterien.
Bei ihm, dem Einmann-Betrieb, der Arbeitsabläufe nicht skalieren kann und nur das Nötigste an Maschinen hat – beispielsweise keine eigenen Bagger, um "Mulden zu stampfen" –, bleibt keine grosse Marge. So kann er in einem Werkhof aus Platzmangel nur jeweils eine 40 Kubikmeter-Mulde füllen, und muss dann verkaufen, wenn der Behälter voll und nicht der Preis am interessantesten ist. "Manchmal habe ich Glück, manchmal Pech."
Russen monopolisieren den Alteisenmarkt
Die Preise sind höchst volatil. Vor einigen Jahren mussten Schrottlieferanten fürs Deponieren bis 20 Franken pro Tonne Alteisen zahlen. "Ich als Händler blieb davon verschont. Aber es hiess: Du kannst es hinstellen und fertig ist."
Vergangenes Jahr war sein Geschäft kurze Zeit richtig rentabel, als er pro Tonnen Alteisen 400 Franken löste. Doch lange hielte die Hausse nicht an, und schon sauste der Preis auf die Hälfte hinunter: "Der Preis macht manchmal Sau-Gümp."
Aktuell liegt der Tonnen-Preis gerade mal um die hundert Franken. Markus Graf ist überzeugt, dass die Russen seit der Invasion in die Ukraine den börsenkotierten Alteisen-Weltmarkt monopolisieren. Mit den zu Schrott zerschossenen Panzern und Häusern liege viel Metall herum. Die Europäer dagegen seien seit der russischen Bombardierung des Asow-Stahlwerks von Mariupol "hintenab geraten". Der gebürtige Gelterkinder gibt sich aber nicht verdrossen, denn es könne "rasch zu Preisschwankungen kommen" – auch nach oben.
Der Alteisenmann als "Pestalozzi"
Im Jahr 2021 sammelte Markus Graf 100 Tonnen Eisen und 4,5 Tonnen Kupferkabel, dazu etwas Aluminium. Er macht ein Beispiel auf: Für eine Mulde Eisen, die mit sieben Tonnen gefüllt war, erhielt er 875 Franken, der Transport nach Kaiseraugst durch Grieder kostete mehrere hundert Franken. Es bleibt somit ein Ertrag von 650 Franken. Sein Aufwand liegt in zahlreichen Transport-Fahrten nach Tecknau, bis die Mulde gefüllt ist.
Um die Transportkosten in Grenzen zu halten, schränkt er den Radius seines Hol-Services ein. Anfragen aus Binningen oder dem Solothurnischen wies er ab. Und hier bricht etwas Sentimentales aus diesem gestandenen Handwerker heraus, wenn er den Namen des gemeinnützigen Schweizer Philanthropen Heinrich Pestalozzi gebraucht: "Der Alteisenmann wird als Pestalozzi betrachtet. Das war schon früher so. Dabei sollte er von seiner Arbeit auch leben können. Die Leute meinen, man könne alles gratis abgeben, ohne den Aufwand zu erkennen."
Sackgeld für ein Reisli
Zu diesem Aufwand gehören auch die amtlichen Anforderungen an den Transport oder Sicherheits-Einrichtungen im Werkhof wie Betonböden, Trennschächte, Ölabscheider oder Fugen: "Es wird behördlich einiges verlangt."
Was bleibt, sind kleine Brötchen. Von einem "Gewinn" aus der ökologisch sinnvollen Kreislaufwirtschaft mag Markus Graf nicht reden. Viel eher von einem "Sackgeld". Das setzt er ein für "einen Kaffee in der Beiz, ein Reisli oder mit der Frau mal essen gehen".
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2. Januar 2023