© Fotos by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Wunderwerk der Metall-Extraktion": Anlage auf dem Elbisgraben
Die Verwerter an der Endstation der Konsumgesellschaft
Auf dem Gelände der Liestaler Deponie Elbisgraben steht die modernste Metallrückgewinnungs-Anlage der Schweiz
Von Peter Knechtli
Abgeschieden auf dem Deponiegelände Elbisgraben oberhalb von Liestal steht die landesweit leistungsfähigste Anlage zur Rückgewinnung von Metall. Bau- und Umweltdirektor Isaac Reber und seine Fachleute liessen Medienvertreter bei einem Augenschein staunen.
Es rotiert und rattert, es schüttelt und rüttelt, es luftet und lärmt – und am Schluss kommt alles gut: Der Abfall des Abfalls ist fein säuberlich aufgeteilt in feinkörniges Deponiematerial und in Metall, das in den Rezyklierungs-Kreislauf zurückgeführt wird. Wir befinden uns auf dem Gelände der Deponie Elbisgraben, wo sich eine riesige Anlage damit beschäftigt, aus dem, was die Konsumgesellschaft als "Abfall" betrachtet, das Beste herauszuholen. Hier wird die feuchte Schlacke aus der Basler Kehrrichtverbrennung angeliefert und vorerst in Kompartimenten deponiert. 4'000 Tonnen Metall zurückgewonnen Nach einer gewissen Trocknungszeit greift eine mächtige Baggerschaufel zu und schüttet die Rückstände in den Eingangs-Schacht der Anlage. Hier nun nimmt die trostlose Ware ihren Weg zur Wiederbelebung über Fliessbänder, Abscheider und Wirbelstrom. Von Hand werden grössere Chromstahl- und Nichteisen-Metallteile aussortiert – eine anstrengende Fliessbandarbeit (Bild links). In einem für den Erstbetrachter kaum durchschaubaren Labyrinth wird das Material zerkleinert, gespalten, gesiebt, weggeblasen und durch Magnetfelder getrennt, so dass aus den jährlich angelieferten 40'000 Tonnen Schlacke 4'000 Tonnen Metall extrahiert, auf eine Grösse von bis zwei Millimeter verkleinert und wiederverwendet werden können (Bild unten). Rückgewinnung weit unter Grenzwert Wie Meeressand wirkt die nahezu metallfreie Schlacke, für die nur eine Endstation bleibt: die Deponie. Laut der eidgenössischen Abfallverordnung darf das Deponiegut nicht mehr ein Prozent Nichteisenmetall und Edelstahl enthalten. Auf dem Elbisgraben konnte dieser Wert dank der neuen Anlage weit darunter gesenkt werden, auf 0,13 Prozent. Laut Betriebsleiter Heinz Schaub habe die letzte Analyse gar einen Wert von 0,07 Prozent ergeben. Diese Anlage lässt keinen kalt, denn sie zeigt einerseits eindrücklich, wozu Technik fähig ist, um die immer knapper werdenden Rohstoffe in die Wiederverwertung zurückzuführen. Anderseits führen allein die Schlacke-Berge vor Augen, wie gross das Siedlungsabfall-Volumen erst sein muss. Ein fünf Kilogramm schwerer Abfallsack produziert ein Kilogramm Schlacke. Kostendeckender Betrieb Dass sich in jedem Kilogramm Schlacke über 100 Gramm Metall befinden, die eigentlich nicht in den Siedlungsabfall gehören, zeigt ein immer noch vorhandenes Rezyklierungsdefizit in der Bevölkerung auf. Zwei Drittel dieses Metalls sind Eisen, ein Drittel Nichteisenmetalle wie Aluminium, Kupfer, Edelstahl, selbst Silber und Gold. Regierungsrat Isaac Reber stellte der von nur gerade vier Personen betriebenen Anlage ein gutes Zeugnis aus ("sie läuft recht gut") und mit Genugtuung fest, dass "dieses Pionierverfahren" mittlerweile zahlreiche Nachahmer findet. Für Recycling-Metall bestehe durchaus ein Markt, wobei sich die Preise sehr volatil entwickeln. Auf die Frage von OnlineReports war zu erfahren, dass im ersten Betriebsjahr ein Verkaufsertrag von 756'000 Franken erzielt worden sei, was erlaube, die Betrieb kostendeckend zu führen. Antrieb noch mit Generatoren Noch suboptimal ist der energetische Antrieb: Zum Betrieb der Anlage werden noch Generatoren mit einem Verbrauch von jährlich 50'000 Liter Dieselöl eingesetzt. Grund: Ungenügende elektrische Leitungskapazität. Bei der bevorstehenden Sanierung des zum Deponiegelände führenden Tunnels in den nächsten Jahren aber sollen laut Schaub genügend leistungsfähige Kabel eingezogen werden. Gebaut wurde die Anlage durch die holländische Firma TRS, die Ingenieurplanung leistete die Gelterkinder Firma K. Bitterli & Partner. Betrieben wird sie durch das kantonale Amt für industrielle Betriebe. Ihr steht als Experte Rainer Bunge als Professor für Verfahrenstechnik zur Seite. Der Landrat hatte im September 2017 den Baukredit von 5,2 Millionen Franken bewilligt. Teil der Recycling-Strategie Es mag etwas erstaunen, dass die Anlage schon seit September 2019 in Betrieb ist, ohne dass die Politik und Medien sie bisher als Wunderwerk der Metall-Extraktion zur Kenntnis genommen haben. Mit möglicher Publizität im Vorfeld von Wahlen habe die Medienorientierung am Donnerstag nichts zu tun gehabt. Vielmehr hätten die Betreiber erst Erfahrungen mit dem Rückgewinnungs-Erfolg sammeln wollen. Sicherlich fügt sich die Anlage perfekt in die kantonale Recycling-Strategie ein. Batterien und Münzen im Abfallsack Bei der Besichtigung war auch sichtbar, dass nicht alles verbrennt, was in der Basler KVA landet. Betriebsleiter Schaub griff mit sicherem Blick in einen Metallberg und präsentierte noch klar erkennbare Batterien, aber auch Münzen – die definitiv nicht in den Aballsack gehören. Mehr über den Autor erfahren
29. Oktober 2021
"Metall aus dem Zweiten Weltkrieg"
Man sollte mal schauen, wieviele Tonnen Metall vom Zweiten Weltkrieg zu Land und in den Meeren lagern. Das gibt nämlich eine Riesenmenge, die nur darauf wartet, geborgen zu werden. Es ist erstaunlich, dass das noch nicht umgesetzt wird.
Peter Isler, Basel
"Rohstofflücke bereits spürbar"
Am 29.7. war der “Earth Overshoot Day”. Seit dem 30.7. nutzen wir demnach Ressourcen der Zukunft, mit denen wir unseren Konsum, die Gegenwart und deren Energiewende bezahlen. Der Rohstoffhunger ist immens, die Rohstofflücke bereits spürbar. Der gigantische Bedarf an Material ist ein weitherum unterschätzter Faktor bei allen neuen Technogien. Ihre Herstellung benötigt Unmengen an Rohstoffen (in einem "Tesla Mod S" soll – so ist zu lesen – eine Lithiummenge stecken, wie in 10’000 Handys). Grüne Technologien sollen den Planeten retten, der aber dafür erst einmal massiv geplündert wird; man ahnt aber nicht, wie extrem belastend die Produktion von Rohstoffen ist (beispielsweise entweichen 77 Tonnen Kohlendioxyd bei der Produktion einer Tonne Neodym (wird in Windrädern verbaut) oder: In eine Million Quadratmetern Solarpark stecken elf Tonnen Silber. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) prognostiziert, dass der Bedarf an Rohstoffen bis 2040 sich weltweit vervierfachen wird Bei Lithium beträgt dieser Faktor sogar 42! Nach Mathis Wackernagel wären im Moment 1,75 Erden nötig, damit sich der Planet regenerieren kann; misst man das nur am Verbrauch der Deutschen, dann wären sogar drei Erden notwendig. Die Balance zwischen Verbrauch und Bestand ist ernsthaft in Frage gestellt. IEA-Chef Fatih Birol spricht von drohender "Diskrepanz zwischen Ambition und Angebot”. Klimaschutz stosse auf die Schwierigkeit, genügend und bezahlbares Kupfer, Nickel oder Lithium zu bekommen. Die Versorgung mit Rohstoffen spitze sich zu einem globalen Sicherheitsthema zu: "Es könnte zu Disruptionen führen." China macht es deutlich: Investitionen in Rohstoffe (vor allem in Afrika!) gehören hier zum Instrument der Aussenpolitik. Im Zusammenhang mit dieser globalen Rohstofflücke gewinnt Recycling zunehmen an Bedeutung. Bei Aurubis zum Beispiel werden jährlich eine Million Tonnen Kupferprodukte hergestellt; Ausgangsstoff ist neben Erz zu etwa der Hälfte auch Recycling-Material. Was die Baselbieter also "betreiben", verdient Lob und Anerkennung. Könnte diese Anlage nicht als Region-Nord-West-Anlage konzipiert werden und wäre so ein Bespiel für weitere Anlagen in anderen Schweizer Regionen?
Dieter Troxler, Rünenberg
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