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"Recht, in Würde zu altern": Drogenarbeits-Pionier Jürg Lützelschwab.
"Haus Harmonie": Gründer Jürg Lützelschwab fristlos entlassen
An der Spitze des Langenbrucker Sucht-Wohnheims kommt es zu heftigen Dissonanzen. Der Streit dreht sich um öffentliche Gelder, Führungsqualitäten und die Ablösung in der Geschäftsleitung.
Von Peter Knechtli
Jürg Lützelschwab (72) ist mit fast fünfzig Jahren Erfahrung eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Bereich der regionalen Drogenarbeit. Kaum eine Funktion – ob Gassenarbeit, Gefängnisbetreuung oder staatliche Beratung –, in der er nicht tätig war.
Der gelernte Pöstler, der die Gasse kennt wie den Weg daraus heraus, hatte sich in der Arbeitserziehungsanstalt Arxhof zum Sozialpädagogen und Heimleiter ausbilden lassen und später selbst Verantwortung übernommen.
In der ehemaligen Liestaler Giesserei gründete er mit dem Selbsthilfe-Verein "Abri" das "Wohnheim Erzenberg" für Suchtkranke, das seit einiger Zeit im Gelterkinder "Ochsen" untergebracht ist. Daraus entstand 2006 in Langenbruck das therapeutisch orientierte "Haus Harmonie". Der Betrieb wird von öffentlichen Institutionen (IV, Ergänzungsleistungen) finanziert.
Speziell für ältere Suchtabhängige
Trägerschaft dieser Institution ist ein aus wenigen Mitgliedern bestehender privater Verein. Die Institution ist spezialisiert auf ein strukturiertes Angebot für Drogenkranke im fortgeschrittenen Alter.
Diese Menschen hätten "ein Recht, in Würde zu altern, an einem Ort, der speziell für sie erschaffen wurde". Dafür setzte sich Lützelschwab leidenschaftlich ein. Als Gitarrist und früherer Band-Keyboarder ("Ertlif") machte er in der "Harmonie" mit Suchtkranken Musik.
Teilansicht des Langenbrucker "Haus Harmonie".
Vor dreieinhalb Jahren kam es dort zu einem Führungswechsel: Seine Vollzeitstelle als Geschäftsführer gab Lützelschwab auf, blieb aber mit einem 30-Prozent-Pensum als Gründervater, Mentor und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit auf Geschäftsleitungs-Ebene in der Institution.
Kritik an fehlender Heimleiter-Ausbildung
Die Führungsfunktion wurde von Hassibulah Rasuli übernommen und vor einem Jahr mit Caroline Gerster in eine grosszügig honorierte Doppelbesetzung im Vollamt ausgebaut. Doch die Harmonie in der Zusammenarbeit mit Lützelschwab erlitt Brüche.
Die eingeführten Konzeptänderungen und persönliche Reibereien führten dazu, dass sich Lützelschwab in der zweiten Juli-Woche gedrängt fühlte, in einem Schreiben (wovon OnlineReports Kenntnis hat) an den Baselbieter Suchtbeauftragten Joos Tarnutzer von "schweren Missständen" im "Haus Harmonie" zu berichten.
In diesem Brief, der in Kopie auch an Kantonsarzt Aref Al-Deb'i ging, moniert der "Harmonie"-Gründer, dass weder Arbeitsagoge Rasuli noch Sozialarbeiterin Gerster über eine Heimleiter-Ausbildung verfügen. Eine versprochene Ausbildung habe Rasuli bisher nicht absolviert.
Investition in gescheitertes Laden-Projekt
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Anmietung des kleinen Laden- und Bistrolokals in Oberdorf, das für externe "Harmonie"-Aktivitäten geplant war. Doch die Pläne, die der Institution während rund zwei Jahren Mietzinse von gegen 30'000 Franken bescherten, wurden nie umgesetzt.
Gemietete Laden-Lokalität in Oberdorf.
Lützelschwab kritisierte diese "Geldverschwendung", was zu einem Eklat und im Mai zur Kündigung durch den Arbeitgeber führte. Vermietungs-Plakate an der Oberdörfer Ladenlokalität lassen aber den Schluss zu, dass die "Harmonie"-Leitung ihre Pläne anschliessend fallen liess.
Ein dritter Kritikpunkt betrifft die behauptete Abkehr von der bisherigen Betreuungskultur: Das Prinzip der offenen Kommunikation und der offenen Türen sei "weitgehend verschwunden".
"Sämtliche Vorwürfe bestritten"
So weit der Standpunkt von Jürg Lützelschwab. OnlineReports hatte auf Anfrage Einblick in Belege und wollte die Vorwürfe bei der Institution gegenchecken. Die Co-Geschäftsführung geht auf die sieben Fragen nicht ein, sondern antwortet pauschal:
"Sämtliche Vorwürfe werden bestritten und aufgrund laufender Verhandlungen und einer ferienbedingten Abwesenheit des Gegenanwalts können keine weiteren Angaben gemacht werden. Unabhängig davon ist die Co-Leitung der Ansicht, dass von allen Seiten dafür zu sorgen ist, dass der Schutz von physisch und psychisch instabilen Personen, wie unsere Bewohner*innen, unantastbar bleibt."
Christian Burkhardt, Präsident des "Harmonie"-Vereinsvorstands, glaubt nicht, "dass ein Arbeitskonflikt mit einem Mitarbeiter einer therapeutischen Institution in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden sollte".
"Gegen alle Prinzipien dieser Branche"
Fakt und belegbar sei, dass Herr Lützelschwab die jetzige Co-Heimleitung "selbst ausgewählt hat und sie bis vor Kurzem in den höchsten Tönen lobte". Es sei zu "Vorkommnissen" gekommen, "die das Vertrauensverhältnis so zerstört haben, dass der Vorstand Herr Lützelschwab mit 72 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat".
Dies habe er nicht akzeptieren wollen und "probiert überall, die jetzige Leitung schlecht zu machen". Ausserdem dränge er Bewohnerinnen und Bewohner, "sich mit ihm zu solidarisieren, was sie aber ablehnen". Mit diesem Verhalten habe er "Unruhe ins Haus gebracht. Das ist ein No-Go und verstösst gegen alle Prinzipien dieser Branche".
Zur Frage nach dem offenbar gescheiterten Oberdörfer Ladenprojekt äusserte sich Burkhardt nicht. Wie er aber weiter ausführt, ist der Vereinsvorstand, laut Website "der Fels in der Brandung", "mit dem Kanton als Oberaufsicht dieser Institution in Kontakt". Das Amt für Gesundheit in der Direktion von Thomi Jourdan (EVP) erteilt dem Heim die Bewilligung und prüft die Auflagen. Eine Leistungsvereinbarung besteht nicht, es fliesst somit auch kein Geld aus der Kantonskasse.
Lucia Mikeler Knaak (SP) ist Präsidentin der für Gesundheit zuständigen landrätlichen Kommission. Gegenüber OnlineReports erklärt die Politikerin, alles über die Aufsicht hinausgehende – wie der jetzige Konflikt – "ist Arbeitsrecht und Sache des Vereins: Der muss das lösen".
Gute Referenzen für geschassten Heimleiter
In Gesprächen mit Personen aus seinem Umfeld erfuhr OnlineReports gute Referenzen über Lützelschwab. Udo Kienzel, der als Beauftragter für Gesundheitsförderung Baselland über zehn Jahre mit Lützelschwab zusammengearbeitet hat, bezeichnet diesen als "Profi" mit "wertschätzender Ausstrahlung". Er habe "Feingefühl im Umgang mit Behörden" gezeigt.
Der Psychiater Urs Hafner, ehemaliger Leiter der Drogenberatungsstelle Baselland, spricht von einem "unglaublich kreativen, initiativen Menschen".
Eine frühere "Harmonie"-Mitarbeiterin bezeichnet Lützelschwab als eine "Koryphäe auf dem Gebiet der Suchterkrankung" in beiden Basel. Er habe seine Tätigkeit "nicht nur als Arbeit verstanden, sondern als Lebenseinstellung". So habe er eine Bewohnerin bis zu ihrem letzten Atemzug im Spital begleitet.
Ein ehemaliger "Harmonie"-Bewohner lobt gegenüber OnlineReports: "Er hat etwas auf die Beine gestellt, das vielen Leuten geholfen hat."
Für die neue Wohnheim-Leitung ist das nicht erheblich: Nachdem OnlineReports bei ihr die Recherche aufnahm, sprach sie die fristlose Entlassung Lützelschwabs aus.
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22. Juli 2024
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