© Fotos by OnlineReports.ch
"Macht-Kartell knacken": Gewählter Grüner Regierungsrat Isaac Reber*
Der Grüne Isaac Reber verdrängt Jörg Krähenbühl (SVP) aus der Regierung
Dem Grünen gelang das Unmögliche: Das "Machtkartell" der Regierung im Alleingang zu knacken / SVP wird Oppositionspartei
Von Peter Knechtli
Sensation bei den Baselbieter Regierungsratswahlen: Der Grüne Isaac Reber verdrängt den bisherigen SVP-Regierungsrat Jörg Krähenbühl aus dem Amt. Finanzdirektor Adrian Ballmer muss mit dem Schlusslicht Vorlieb nehmen.
Bei den Baselbieter Regierungsratswahlen von diesem Wochenende erzielt die freisinnige Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro das Spitzenergebnis. Nach Auszählung aller 86 Baselbieter Gemeinden führt sie vor Gesundheitsdirektor Peter Zwick (CVP), dem sozialdemokratischen Bildungsdirektor Urs Wüthrich, dem grünen Neubewerber Isaac Reber und dem freisinnigen Finanzdirektor Adrian Ballmer, der auf dem letzten fünften Platz liegt. Auf Platz sechs liegt abgeschlagen Baudirektor Jörg Krähenbühl (SVP) vor der neu kandidierenden Pia Fankhauser.
Damit ist die Riesen-Überraschung im Baselbiet perfekt: Der 49-jährige Reber konnte im Unterbaselbiet noch kontinuierlich zulegen. Derzeit liegt der Grüne über 2'000 Stimmen vor dem SVP-Regierungsrat, für den eine Wiederwahl in immer weitere Fernen rückt. Selbst in Krähenbühls Wohngemeinde Reinach erzielt Reber über 150 Stimmen mehr als Krähenbühl.
Auffällig ist die hohe Zahl an "einzelnen Stimmen": Mit 22'242 hat sich die Zahl gegenüber 2007 verdoppelt. Es dürfte sich dabei zur Hauptsache um Reber-Sympathisanten gehandelt haben, die durch die Wahl Einzelner das Absolute Mehr anheben wollten.
Reber: "Das Team muss funktionieren"
Reber, der privat lockere Kleidung vorzieht, zeigte sich bei seinem Einzug im Regierungsgebäude schwarz gekleidet und blau krawattiert ganz als Staatsmann. "Ich bin ein optimistischer Mensch, ich glaubte von Anfang an an eine Chance", sagte er gegenüber OnlineReports. Aber "es hätte genauso anders heraus kommen können". Reber glaubt aufgrund der relativ tiefen Wahlbeteiligung von rund 33 Prozent nicht daran, dass die Atomkatastrophe in Japan eine grosse Mobilisierung zu seinen Gunsten ausgelöst habe. Die Gründe dafür, dass er die Riesenüberraschung geschafft hatte, sieht Reber an einem andern Ort: "Wir zeigten im Parlament, dass wir eine konstruktive Kraft mit guten Köpfen sind. Das Volk hat erkannt, dass wir ein breites Themenspektrum wie Finanzen und Gesundheit mit Kompetenz besetzen können."
Ins einer Regierungsarbeit sieht sich Reber als "Brückenbauer und Teamplayer". Spass mache Regieren nur, "wenn das Team funktioniert". Auf eine Direktions-Präferenz will er sich nicht festlegen. "Ich hätte an jeder Direktion Freude."
Wie stuft er die künftige Regierungsarbeit angesichts des Rauswurfs der SVP aus der Regierung ein? "Umso wichtiger ist die Zusammenarbeit mit den Parlament. Auch strebe ich eine bessere regionale Zusammenarbeit an." Heisst das, Reber will eine SVP-freundliche Politik machen, um Referenden zu verhindern? "Nein, wir machen eine tragfähige Politik, die den Interessen des Kantons dient", meinte er – bestrebt, keine Aussagen zu machen, an denen er später gemessen wird. Wird die Politik der Baselbieter Regierung jetzt wieder etwas grüner? Reber ausweichend: "Das Prinzip der Nachhaltigkeit gilt in der Energiepolitik wie auch bei den Finanzen." Welche Haltung wird er in der Frage des Basler Bahn-Herzstücks einnehmen? "Erst müssen wir die Finanzen in Ordnung bringen, dann kann man wieder von neuen Projekten reden."
Krähenbühl: "FDP und CVP wählten mich nicht"
Aus ersten Reaktionen heute Sonntagnachmittag ging Bedauern darüber hervor, dass die Abwahl SVP-Regierungsrat Krähenbühl (Bild) traf, der nach einer vierjährigen Amtsperiode sein Pult wieder räumen muss. Krähenbühl hatte in seiner Legislatur keine gravierenden Fehler begangen. Die Grünen kritisierten, unter seiner Ägide sei die kantonale Energiepolitik "praktisch zum Erliegen gekommen". Die Ursache seiner Niederlage ortete Krähenbühl im eigenen bürgerlichen Lager: "Es ist klar, dass ich von FDP und CVP nicht gewählt wurde."
Nach Bekanntwerden der ersten fünf Ergebnisse in Oberbaselbieter Gemeinden habe er "gemerkt, dass ich nicht zulegen konnte". Eine Nichtwiederwahl habe er in keiner Weise erwartet, sagte der enttäuschte Noch-Regierungsrat gegenüber OnlineReports. Finanziell könne er den Volksentscheid verkraften. Eine eigentliche Pension steht ihm nicht zu, einzig einbezahlte Pensionskassen-Beträge.
Der gewählte Grüne Reber zeigte sich "überrascht" von Krähenbühls Abwahl. "Er ist ein pragmatischer SVP-Vertreter, der es geschafft hat, eine gewisse Ruhe in die Direktion zu bringen." Eine Wahl sei anderseits eine Wahl und alle müssten sich ihr stellen. Reber: "Persönlich hätte ich ihm ein besseres Ergebnis gegönnt." Erste Abwahl seit 61 Jahren
Das Ergebnis der Regierungsratswahlen kommt einer Sensation gleich: Erstmals seit 61 Jahren verdrängte ein Neukandidierender einen amtierenden Regierungsrat aus der Exekutive. Somit ergibt sich im Baselbiet die Situation, dass die SVP – die im Landrat neu die stärkste Fraktion stellt und die SP überholt – in der Kantonsregierung nicht mehr vertreten ist und künftig als Oppositionspartei auftreten wird.
SVP-Präsident Dieter Spiess sagte gegenüber OnlineReports, die SVP werde auch als Oppositionspartei "in unseren politischen Themen weiterhin unseren Kurs fahren". Die Fraktion werde "versuchen, die Regierung einzubinden, dass sie nicht anders kann". Es sich jetzt sicher, dass die SVP bei der nächsten Regierungs-Vakanz – als nächster Rücktritt wird jener von Andrian Ballmer erwartet – antreten. Spiess zeigte sich beeindruckt über den Wahlkampf seines Pfadi-Kollegen Reber: "Ich muss heute sagen: Vielleicht hätten wir die drei bürgerlichen Kaniddaten von FDP und CVP unterstützen sollen und für Krähenbühl einen eigenen Wahlkampf führen müssen."
Baader: "Von CVP und FDP abgestraft"
Auch SVP-Nationalrat und Fraktionschef Caspar Baader vertrat die Meinung, dass "uns die Mitte-Parteien abgestraft" haben. "Ein bedeutender Teil der FDP- und CVP-Wähler hat Krähenbühl nicht unterstützt". Gleichzeitig hätten diese Parteien vor allem an BDP und Grünliberale Wahlanteile verloren.
Baader bedauerte, dass seine Partei nun "in die Opposition geworfen worden ist, wie das bei der Abwahl von Christoph Blocher auf Bundesebene geschah". Jetzt müsse die SVP "konsequente Oppositionspolitik" machen: Beschlüsse der Regierung prüfen, bei Ablehnung mit einem Nein im Parlament und dann per Referendum bekämpfen. Diese "harte Arbeit" scheut Baader nicht: "Manchmal kann man in der Opposition mehr ausrichten als wenn man in der Regierung ist."
Der Wahlausgang ist für Baader dennoch "ein gutes Signal, weil wir vor allem bei den Proporzwahlen gewinnen". Sicher sei aber, dass die SVP im Herbst zu den Ständeratswahlen mit einem Kandidaten antreten werde.
Zufriedener Peter Zwick
"Sehr zufrieden" über sein Ergebnis zeigte sich CVP-Gesundheitsdirektor Peter Zwick. Schon vor vier Jahren hatte er den dritten Platz erzielt. Dieses Ergebnis habe er erzielt, weil "meine absichtlich nicht medienwirksam vermarkteten Bemühungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Arbeitslosigkeit ganz allgemein vom Volk honoriert wurden". Auch habe er "in der Spitalpolitik immer eine klare Linie vertreten".
Dass sein Kollege Krähenbühl, mit dem vor vor vier Jahren erstmals gewählt wurde, gehen muss, "das berührt mich schon". Zwick zu OnlineReports: "Er war ein guter Kollege und wir hatten eine gute Zusammenarbeit." Ob die Regierungsarbeit jetzt schwieriger werde, könne er nicht sagen. Die Frage der Zusammenarbeit müsse jetzt "mit allen politischen Kräften diskutiert werden".
Für den Frenkendörfer SP-Nationalrat Eric Nussbaumer zeigt das Ergebnis, "dass es nicht mehr reicht, wenn eine ganze Partei wie die SVP ihr Tätigkeit auf drei Botschaften – Alleingang, 'Europa ist bös' und 'die Ausländer machen das Land kaputt' – reduziert". In der Atomfrage habe die SVP "noch keinen Pips gemacht". Nussbaumer über die SVP: "Sie drückt sich um alles, was nicht in ihre Marke passt."
Nussbaumer ist "glücklich, dass es eine andere Konstellation in der Regierung gibt und dass das Wahlsystem, an das ich fast nicht mehr glaubte, doch noch eine Veränderung zuliess". Auf die OnlineReports-Frage, ob er zur möglichen Ersatzwahl nach einem Rücktritt von Adrian Ballmer antreten werde, sibyllinisch: "Das schauen wir dann, wenn es so weit ist."
Kommentar
* Gewählter Isaac Reber (Mitte), Parteipräsident Philippp Schoch (rechts), grüne Nationalrätin Maya Graf
Ergebnisse 2007
| Ergebnisse 2011 | 1. Adrian Ballmer (FDP, 40'503) 2. Urs Wüthrich (SP, 33'863) 3. Peter Zwick (CVP, 32'173) 4. Sabine Pegoraro (FDP, 31'379) 5. Jörg Krähenbühl (SVP, 29'704)
• Nicht gewählt: 6. Eric Nussbaumer (SP, 26'852) 7. Regula Meschberger (SP, 23'794) 8. Isaac Reber (Grüne, 20'793) 9. Rudolf Keller (SD, 7'694) | 1. Sabine Pegoraro (FDP, 31'148) 2. Peter Zwick (CVP, 30'138) 3. Urs Wüthrich (SP, 29'829) 4. Isaac Reber (Grüne, 28'444) 5. Adrian Ballmer (FDP, 27'028) • Nicht gewählt: 6. Jörg Krähenbühl (SVP, 25'946) 8. Pia Fankhauser (SP, 24'398)
|
27. März 2011
Weiterführende Links:
"Über Toleranzfähigkeit nachdenken"
In der geschmacklosen Verknüpfung des nicht wiedergewählten Regierungsrates Jörg Krähenbühl, der äusserst tragischen Katastrophe in Japan und den jetzt cleverer gewordenen Hinterwäldlern aus dem Oberen Baselbiet disqualifiziert sich die Leserbriefschreiberin Murbach selbst. Es sei ihr empfohlen, das "Schulreisli" nach dem Katastrophenort in Japan zu rekognoszieren, oder nach dem näheren Tschernobyl, und dort über ihre Toleranzfähigkeit nachzudenken. Wenn ihr das dort zu gefährlich ist, kann sie auch einen Spaziergang zum Hülftenschanz-Denkmal unternehmen, das sie wahrscheinlich noch nie gesehen hat.
Hans Peter Straumann, Liestal
"SVP-Sprüche grösser als die Leistung"
Die Bürgerlichen sind Schuld, behauptet Caspar Baader zur Abwahl des SVP-Riegierungsrates Jörg Krähenbühl. Da werden CVP- und FDP-Wähler von den SVP-Strategen ständig als "Bünzli-Parteien" tituliert, und nun sollen diese Wähler Schuld sein an der Abwahl eine SVP Regierungsrates.
Da bringt es also die grösste und stärkste Partei im Baselbiet nicht einmal fertig, 27'000 Wähler zu mobilisieren und einen Sitz im Regierungsrat zu halten. Da scheinen die Sprüche auch grösser zu sein als die Leistung.
Und nach dieser beschämenden Wahlniederlage soll es im Herbst auch noch zu einem SVP-Ständerat reichen. Natürlich mit Hilfe der "Bünzli-Parteien".
Bruno Honold, Basel
""Eigennutz war ihm wichtiger"
"Selbst in Krähenbühls Wohngemeinde Reinach erzielt Reber über 150 Stimmen mehr als Krähenbühl." Das ist nicht verwunderlich, goutierten doch viele Stimmbürger seinen privaten "Einsatz" als Regierungsrat betreffs Tramhaltestelle vor seinem Geschäft überhaupt nicht. Er fand es nicht für nötig, bei diesem Geschäft in Liestal in Ausstand zu treten, Eigennutz war ihm wichtiger. Kommt noch dazu, dass seine Antwort an die Öffentlichkeit in seiner zynischen und höhnischen Art nicht zu überbieten war. Fingerspitzengefühl war noch nie seine Stärke. Nun bekam er die Quittung.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Mein Rat: Schulreisli nach Fukushima"
Es grünt so grün im Baselbiet, und das weckt die Hoffnung, dass man auch oberhalb der Hülftenschanz die Zeichen der Zeit erkannt hat. Der SVP-Fraktion rate ich zu einem Schulreisli nach Fukushima unter der Leitung von Jörg Krähenbühl.
Esther Murbach, Basel
|