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© Fotos by Walter Mair
Beethoven war nicht immer im Frieden mit den Vermietern und den Nachbarn.

"Tiefer Graben 8" am Theater Basel: Der Unbehauste in seinen Wohnungen

Der Schweizer Regisseur Christoph Marthaler bringt Beethovens Wiener Lebensphase auf die Bühne – und macht dabei aus Filet Hackfleisch.


Von Sigfried Schibli


Kein Komponist der Musikgeschichte ist vor dem mittlerweile 73-jährigen Schweizer Regisseur Christoph Marthaler und seiner Bühnenbildnerin Anna Viebrock sicher. Auch Ludwig van Beethoven nicht. Seine einzige Oper "Fidelio" hat Marthaler schon 1997 in Frankfurt am Main inszeniert, und jetzt hat er am Theater Basel einen weiteren Beethoven-Abend nachgereicht: "Tiefer Graben 8". So lautete die Adresse, an welcher der nach Wien emigrierte Bonner Meister 1799 gezogen war. Es ist eine von über dreissig Strassen, die er bis zu seinem Todesjahr 1827 bewohnen sollte. Nicht immer im Frieden mit den Vermietern und den Nachbarn.

Da liegt der Kalauer auf der Hand: "Tiefer Graben 8", eine Art Musik-Collage von Christoph Marthaler, könnte den Fall des Regie-Routiniers Marthaler bezeichnen, von dem manche sagen, dass er immer wieder dasselbe Stück inszeniere, mal unter diesem und mal unter jenem Titel. Was natürlich so nicht stimmt, auch wenn der opernerfahrene Zürcher längst seinen unverwechselbaren Personalstil ausgebildet hat und beharrlich an ihm festhält. Ebenso wie an seiner Ausstatterin Anna Viebrock und an einigen Schauspielerinnen und Sängern wie Nikola Weisse, Ueli Jäggi und Martin Hug, mit denen er seit Jahrzehnten arbeitet.

Aber es ist schon wahr: Man hat in den letzten 40 Jahren schon inspiriertere, spannendere, gewagtere Marthaler-Abende gesehen. Der Beethoven-Kanon "Wir irren allesamt, nur jeder irret anders" (Werk ohne Opus 198), der vom Opernchor unter Michael Clark beherzt gesungen wird, gibt dem pausenlosen zweistündigen Abend ungewollt das Motto. Hübsch ist allerdings der Einfall, das Violinkonzert von Beethoven ohne Violine und ohne Orchester, nur mit chorischen Stimmen aufzuführen. Natürlich nur stückweise, denn an diesem Abend gilt die Maxime: Was nicht Fragment ist, soll zum Fragment werden. Marthaler macht aus Filet Hackfleisch.

Das soll es nun gewesen sein,
Christoph Marthalers endgültiger
Kommentar zu Ludwig van?

Das Konzept, eine Anzahl Beethoven-Stücke an seinen Wohnsitzen aufzuhängen wie Lampions an einer straff gespannten Schnur, wirkt bemüht. Zentrale Aspekte wie Beethovens Verhältnis zur Obrigkeit und zu Frauen sowie seine avantgardistische Haltung der Musiktradition gegenüber bleiben ausgespart. Und Beethovens ständige Umzugsmanie wird nicht zum Thema. Das Publikum reagierte nach dem überraschenden Schluss, an welchem Beethovens Schwerhörigkeit angetönt wird, verunsichert. Das soll es nun gewesen sein, Christoph Marthalers endgültiger Kommentar zu Ludwig van?

 

Bringt ihre leuchtkräftige Stimme zum Blühen: Sopranistin Kerstin Avemo.

Neben besagtem Kanon wird viel im Ensemble und im Chor gesungen, gelegentlich auch solistisch, was der schwedischen Sopranistin Kerstin Avemo Gelegenheit gibt, ihre leuchtkräftige Stimme zum Blühen zu bringen. Andrew Murphy verströmt baritonalen Wohlklang, und der junge Lulama Taifasi vom Opernstudio macht mit seiner ebenso kräftigen wie kultiviert geführten Tenorstimme nachhaltig auf sich aufmerksam – mal im Sololied, dann wieder in enger Verzahnung mit Chor und Orchester. 

Wenn etwas nervt, dann wiederhole es bis zum Gehtnichtmehr!

Letzteres, das Sinfonieorchester Basel, spielt unter der Leitung von Sylvain Cambreling ungemein farbig und schmissig, so vor allem die "Siegessymphonie" aus der Schauspielmusik zu Goethes "Egmont". Sie hat dem Regisseur und dem musikalischen Bearbeiter Johannes Harneit offenbar so imponiert, dass sie gleich mehrfach zum Klingen gebracht wird. Als typisches, aber auch ein wenig wohlfeiles Beispiel für den triumphalen Beethoven-Sound. Und getreu der Marthaler-Devise: Wenn etwas nervt, dann wiederhole es bis zum Gehtnichtmehr!

Denn das Klischee will eben auch bedient werden. Daher sieht man bisweilen eine verwitterte Männergestalt über die Bühne schlurfen, mal mit und mal ohne Tuba, hinter welcher man Beethoven vermuten muss. Und der Perücken-Pianist (Bendix Dethleffsen) spielt nicht nur seinen Ausschnitt aus dem vierten Klavierkonzert, sondern auch eine späte Bagatelle von Beethoven akkurat ohne Starpianisten-Allüren, als hätte er das selbst komponiert.

Dem musikalischen Bearbeiter Johannes Harneit sind einige Kostbarkeiten aus dem Fundus des Beethoven-Nachlasses aufgefallen, und er hat sie vertrauensvoll dem Allesverwerter Marthaler vor die Füsse geworfen. Dieser hat dies alles geschickt in das Ganze integriert und mit seinem Slapstick-Theater der obsessiven Langsamkeit amalgamiert. Herausgekommen ist ein durchaus sehenswerter Abend, dem aber der Zündstoff fehlt.

16. Dezember 2024

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"Trotz aller Vorbehalte"

Vielen Dank für diese lesenswerte und informierte Kritik zum neuen Marthaler-Abend. Aufgrund Ihrer, wie immer, fein geschriebenen Zeilen werde ich mir diese zündstofflose Darbietung trotz aller Vorbehalte doch ansehen beziehungsweise -hören.


Erwin Schönholzer, Basel



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