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© Foto by Ruedi Suter und Peter Knechtli, OnlineReports.ch
Buch und Literatur bilden einen Archipel"Buch.08" in Basel: Schreibende und Lesende trafen sich rund um das Buch und lieferten den Beweis für dessen ungebrochene Ausstrahlung Von Aurel Schmidt Die erstmalige Verleihung des Schweizer Buchpreises an Rolf Lappert sowie der Auftritt von Bundesrat Moritz Leuenberger bildeten zwei Höhepunkte an der "Buch.08". Während drei Tagen fanden 150 Veranstaltungen mit spannenden und weniger spannenden Lesungen, Diskussionen und Präsentationen statt. Am heutigen Sonntag, um 11.45, nach einem langen Präsentationsverfahren, verkündete Marianne Sax, Präsidentin des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands, den Namen des von einer unabhängigen Jury erkorenen Gewinners des (ersten) Schweizer Buchpreises: And the winner is ... Rolf Lappert (50), der für seinen Roman "Nach Hause schwimmen" ausgezeichnet wurde. Tosender Applaus, Gratulationen, laufende Kameras, Blitzlichter. Das öffentliche Interesse war riesengross.
Jetzt aber kam er nicht darum herum. Unglücklich gewesen sein wird er darüber kaum. In einer schönen Geste der Kollegialität bat er die anderen Mitbewerber oder eigentlich Mitnominierten zu sich auf die Bühne: Lukas Bärfuss, Anja Jardine und Peter Stamm. Adolf Muschg (Bild, beim Eintreffen an der "Buch.08"), ebenfalls nominiert, hatte sich am Vorabend zur allgemeinen Irritation kurzfristig und mit kritischen Bemerkungen ("mein Buch ist kein Saisonartikel") aus dem Wettbewerb zurückgezogen. Nach OnlineReports-Informationen wollte Muschg gar an der Preisverleihung eine Erklärung verlesen, was Veranstalter und Jury ablehnten.
Auf die Frage der Moderatorin und Journalistin Christine Richard nach den Gründen des politischen Engagements, antwortete Leuenberger, von dem 2007 das Buch "Lüge, List und Leidenschaft. Ein Plädoyer für die Politik" erschienen ist, ambivalent: Es geschehe kaum aus Selbstlosigkeit, sondern um einen gewissen Narzissmus zu befriedigen; andererseits könne die Übernahme von Verantwortung Freude bereiten.
Letztes Jahr fanden Buchmesse und Literaturfest noch in den geräumigeren Messehallen am Messeplatz statt, dieses Jahr waren beide Ereignisse in einer reduzierten Form in der e-Halle auf dem Gelände des Badischen Bahnhofs untergebracht. Egon Ammann, Präsident des Vereins Literaturfestival und Festivalleiter der "Buch.08", sprach von einer "Verschlankung", was vieles heissen kann, zum Beispiel, dass vieles noch ausbau- und verbesserungsfähig ist. Zum Beispiel war der Lärm in der Halle so gross, dass eine Veranstaltung die andere gleich nebenan empfindlich störte.
Zahlreiche Verlage nahmen an der Messe teil, oft nur mit einem Sparprogramm. Vor allem aber lag der Akzent auf den etwa 150 Lesungen, Diskussionen, Präsentationen an der Messe selbst und ausserhalb davon. Ob das nicht eine Überforderung war, müssen sich die Veranstalter wahrscheinlich für nächstes Jahr ebenfalls überlegen.
Bei allen Elogen ist das Buch manchmal eine Massenware. Es geht aber auch anders. An seinem Stand sagte mir der Verleger Klaus G. Renner: "Ich mache ein Buch pro Jahr", und erst noch in einer bibliophilen Ausgabe von 60 Exemplaren. Jedes Buch ist ein Forschungsprojekt. Stolz zeigte er mir das Opus.08: Einen grossformatigen Band mit dem Gedicht "onze mille verbes, cent virgules" des englischen Dichters und Multitalents Stanley Chapman, das Felix Philipp Ingold übersetzt beziehungsweise nachgedichtet hat ("Elf Tausend Verben/Ein Hundert Virgeln"), das aus dem Geist der Pataphysik kommt (siehe "Pataphysik" bei "Wikipedia" oder "Google") und bei dem die Zeilen unter Wahrung des Reims ausgewechselt werden können. Hier wird Literatur zu einer operativen Kunstkonstruktion und Lesen zu einer Montagewissenschaft.
Nicht zuletzt gehört zur Agenda, dass die Aufhebung des Buchpreises wieder rückgängig gemacht wird. Sie macht das Geschäft kaputt beziehungsweise übt eine nivellierende Wirkung aus, was im Interesse von niemandem liegen kann.
Im Schwabe Verlag ist auch ein Auszug aus der "Astronomia Magna" von Paracelsus, herausgegeben von Gunhild Pörksen, erschienen, in dem der umstrittene Gelehrte schrieb, dass der Mensch aus der Schöpfung, die eine Beschreibung des Menschen sei, erkenne, wie er gemacht ist. Durch den Körper nimmt nach Paracelsus, verkürzt gesagt, der Mensch die geistige Welt wahr: Ein bewegender, aktuell gebliebener oder wieder aktuell gewordener Text.
Google, der unheimliche Datenfresser
Weil weiter oben der Begriff "Google" gefallen ist, noch folgender Hinweis: Peter Knechtli, verantwortlicher Editor von OnlineReports.ch (Sie lesen gerade auf dieser Site), unterhielt sich mit dem Journalisten Gerald Reischl über die versteckten Machenschaften der Suchmaschine Google und die Falle, in die das Unternehmen seine User und Userinnen führt, aufgedeckt hat (daher der Titel "Die Google-Falle"). Bedenken müssen allen kommen, die das Buch lesen. "Google" ist der grösste Datensammler der Welt. Was mit den Daten geschieht, ist eine brennende und immer noch unbeantwortete Frage.
Jeder Verlag hat seine Autoren, Projekte, Fachbereiche und arbeitet an seinen Visionen. Es muss nicht immer ein Roman sein, obwohl viele, vor allem belletristische Verlage heute pausenlos auf der Suche nach dem "grossen neuen Erfolgsroman" sind.
Der Archipel Buch und die Literatur ist eine Welt voller Geheimnisse und Schätze, die entdeckt und gehoben werden müssen. Lesen ist wie reisen im Kopf. Man muss nur damit anfangen und sich auf den Weg machen. Dies zur Frage: Warum Bücher? Antwort: Weil sie die Welt erschliessen.
Ach ja, richtig, wir wollten ja von Büchern sprechen. Also gut, hier sind die Fortsetzung und der Schluss dieses Artikels. Jean Ziegler stellte in seinem Eröffnungsvortrag die Frage: Warum braucht die Welt Intellektuelle beziehungsweise was tun diese Intellektuellen eigentlich?
Zieglers Antwort war: Sie sind die Verwalter des Traums, der Hoffnung (Ernst Bloch), der Utopie beziehungsweise des "vorgelagerten Bewusstseins" (Max Horkheimer). Sie halten die "Sehnsucht nach dem ganz Anderen" (der gleiche Horkheimer) am Leben. Der moralische Imperativ, der in jedem Menschen vorhanden ist, trägt dazu bei, dass der Traum nicht stirbt. Darum Intellektuelle, darum Autoren und Autorinnen, darum Bücher. Und darum viele und viele unterschiedliche Bücher. 16. November 2008
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