© Fotos by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Es muss eben schnell gehen": Velobahn-Pilotmodul
Bis 2022: Ein Velo-Highway von Augst nach Pratteln
Klaus Kirchmayr und Christoph Häring sind treibende Projekt-Köpfe hinter der intelligenten Holz-Infrastruktur
Von Peter Knechtli
Der Kanton Baselland steht vor einem schweizweit einmaligen Velo-Schnellbahn-Test: Bis 2022 soll zwischen Pratteln und Augst eine rund drei Kilometer lange hochgelagerte vierspurige Strecke über die Autobahn und das Gelände des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest führen. Der von Grün und SVP inspirierte Prototyp wird die Bewährungsprobe noch bestehen müssen.
Am 16. Oktober letzten Jahres blieb Isaac Reber (Grüne) bei seinem ersten Medienauftritt als Bau- und Umweltdirektor noch im Bereich von Andeutungen, als er von E-Bike-Schnellrouten zwischen Augst und Birsfelden sowie im Birstal sprach, ohne konkret zu werden. Heute Mittwochmorgen nun präsentierte er am Sitz der Holzbau-Firma "Häring &Co AG" in Muttenz mit sichtlichem Stolz den Prototypen der "ersten Velobahn der Schweiz" aus Holz.
Träger des Projekts ist der Kanton Baselland, der bereits einen Betrag "in einstelliger Millionenhöhe" (Reber) ins Investitionsprogramm aufgenommen hat, in Kooperation mit dem Bundesamt für Strassen (Astra), das dem Vorhaben wohlgesinnt ist und auch einen Teil der Kosten übernehmen wird. Operativ geleitet wird das Projekt durch eine strategische Partnerschaft der neu gegründeten Firma "urb-x" mit dem weltweit operierenden, seit 140 Jahren tätigen Holzbau-Familienunternehmen "Häring".
Player aus dem Polit-Netzwerk
Bei Nähe betrachtet handelt es sich bei den Promotoren um ein politisch eingespieltes Netzwerk, das sich aus dem Liestaler Landratssaal kennt: "urb-x"-Verwaltungsräte sind der grüne Landrat und Fraktionspräsident Klaus Kirchmayr sowie sein Fraktionskollege und Kantonalpräsident Bálint Csontos. Als Präsident firmiert Beat Oberlin, früherer CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank, für die Kirchmayr beratend arbeitete.
Christoph Häring, Präsident des gleichnamigen Holzbau-Unternehmens, sass bis vor gut einem Jahr als SVP-Mitglied ebenfalls im Baselbieter Kantonsparlament. Treibende Kraft des Projekts in der Regierung ist Isaac Reber, unterstützt von seinem SVP-Ratskollegen und Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber, OK-Präsident des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes (ESAF), das 2022 in Pratteln stattfindet. Kirchmayr wiederum war die treibende strategische Kraft bei der Wahl Rebers in die Regierung. Reber, Kirchmayr und Oberlin sprinten jeweils gemeinsam am Baselbieter Team-Orientierungslauf.
Solarmodule und geheizte Fahrbahnen
Beim Pionier-Projekt geht es um eine auf metallenen Stützen im Abstand von zwanzig Metern geführte Hochbahn, die je zwei Velospuren in beide Richtungen bietet und die Radroute vom Standort des ESAF in Pratteln über die A22 und A2 bis ins Römerdorf in Augst führt. Die Konstruktion aus faserverstärktem Brettschichtholz ist mit einem fünfschichtigen Spezial-Belag versehen, der Rutschen bei Eis oder Nässe verhindert.
Dabei kommt viel intelligente Technologie zum Einsatz. Die transparenten Seitengeländer sind mit Solarmodulen versehen, die mit Sensoren ausgestattete Fahrbahn kann in Spitzenkältezeiten geheizt werden – Kirchmayr sprach von "höchstens hundert Stunden jährlich" –, ein Leitsystem, eine automatische Ereigniserkennung bei Unfällen und eine Beleuchtung sorgen für sicheren Verkehr, auch auf den Ein- und Ausfahrten.
Vorproduktion in der Fabrik
Für eine 2,5 Kilometer lange Strecke sind 125 modulare Trag- und tausend Fahrbahn-Elemente erforderlich, die alle in der Fabrik vorproduziert, mit Digitaltechnik veredelt und bei Bedarf rasch ersetzt werden können.
Laut Kirchmayr soll auf der Velobahn eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern gefahren werden können. Primär sei sie für E-Bikes bestimmt, "aber auch normale Fahrräder sollen darauf verkehren können". Die Kapazität soll 3'000 Velos pro Stunde und Richtung betragen.
Die genaue Streckenführung ist noch nicht definiert. Die Rede ist von zwei bis drei Kilometern und einem Bruttoaufwand von klar unter zehn Millionen Franken. Die Rede war heute von Kosten in Höhe von zwei Millionen Franken pro Kilometer. Dies sei "etwa gleich viel wie der Bau eines Velowegs, hat aber die zwei- oder dreifache Kapazität" (Kirchmayr). Die Kreditvorlage der Regierung an den Landrat soll im vierten Quartal vorliegen. Der Realisierungs-Fahrplan ist ungewohnt ehrgeizig. Aber "bei Prototypten muss es eben schnell gehen", war die einhellige Auffassung.
"Ambitioniert und gewagt"
Aufbruchstimmung herrschte bei der Präsentation. Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber pries die noch zu bauende Velobahn als "eine Art Ikone", Baudirektor Reber sprach von einem "ambitionierten und gewagten Projekt". Aber der Sissacher Regierungsrat setzt offensichtlich auf das E-Bike, weil es "das Velo massenverkehrstauglich macht" und ideal sei für Distanzen für fünf bis zehn Kilometern in der Agglomeration. Parallel zur Velobahn als Verbindung des Rheintals mit dem Ergolztal erinnerte Reber an das in der Pipeline liegende Pilotprojekt "Velovorzugs-Route Birsstadt".
Martin Urwyler, Leiter des Astra-Bereichs Langsamverkehr, bekundete das Interesse des Bundes an der Baselbieter Innovation ("Wir wollen mithelfen, dass das Projekt auf die Beine kommt") ebenso wie an "schweizerisch einheitlichen Lösungen". Er unterstrich, die Bedeutung von Velobahnen liege vor allem in der "unterbruchsfreien Fahrt", die dann in Siedlungen auf vortrittsberechtigten Velostrassen fortgesetzt werden soll. Wichtig sei eine genügende Breite von vier bis fünf Metern, damit gefahrenfrei überholt werden könne.
Wenn der Veloverkehr bis 2040 um 25 Prozent zunehme – so zitierte Urwyler Kapazitätsberechnungen –, dann führe dies zu einer Entlastung von zwei bis vier Prozent auf den Autobahnen, was entscheidend dazu beitragen könne, dass in Spitzenstunden Staus vermieden werden. Sein Bundesamt werde sich beim Baselbieter Projekt an den Kosten für die Überführungsbauwerke und Anschlussbauwerke zur Autobahn beteiligen.
Europäischer Markt im Auge
Christoph Häring bezeichnete den Prototypen mit seinem Bedarf von 3'000 Kubikmetern als "grössten und längsten Holzbau der Schweiz" und verwies darauf, dass der Rohstoff aus einheimischen Wäldern gewonnen werden kann.
Die Firma "urb-x" hat ihre smarte Velobahn-Konstruktion nicht nur europäisch patentieren lassen, sondern fasst auch eine europäische Vermarktung ihres Leichtbau-Produkts ins Auge.
Wird ausgeschrieben – und wie?
Auf die OnlineReports-Frage nach der Ausschreibung der Aufträge sagte Reber, diese würden bis Erscheinen der Landratsvorlage geklärt. Auf eine Nachfrage hin präzisierte er, es sei bereits ein Auftrag des Kantons an die Arbeitsgemeinschaft "urb-x"/"Häring" zur Konkretisierung der Idee und zur Erstellung eines Prototyps in der Höhe von 130'000 Franken ergangen.
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9. September 2020
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