© Fotos by Alessandra Paone, OnlineReports.ch
Ein Schnitt, ein Schuss: Das Gemälde "Tanz im Varieté" hat viel durchgemachtRestauratorinnen am Kunstmuseum Basel bereiten das knapp sieben Millionen Euro teure Werk des deutschen Malers Ernst Ludwig Kirchner auf. Eine Reportage. Von Alessandra Paone Magdalena Ritler richtet die Taschenlampe auf eine feine, kaum wahrnehmbare Linie. Ein Schnitt. Dann schwenkt sie das Licht auf einen kleinen, hellen Fleck. Ein Schuss. Es sind Spuren der bewegten Geschichte eines besonderen Kunstwerks.
Zu fragil für Reisen
Die Stiftung Im Obersteg stellt ihre Privatsammlung, zu der nun auch "Tanz im Varieté" gehört, dem Kunstmuseum Basel als Leihgabe zur Verfügung und präsentiert sie zu einem grossen Teil auch dort.
In einer Kiste versteckt
Nach mehreren Handwechseln gelangt das Werk 1944 in eine Privatsammlung in Baden-Württemberg. Dort bleibt es während 80 Jahren verborgen. Um es vor dem Naziregime zu schützen – Kirchners Kunst gilt zu dieser Zeit als "entartet" – versteckt es der Besitzer auf einem Bauernhof in einer Kiste. Als 1945 französische Truppen einmarschieren und das Bild finden, schiesst ein Soldat darauf und schlitzt es mit einem Bajonett auf.
Die Kartierung dient der Restauratorin zur Orientierung.
Ritler hat das Bild mit Schnüren in verschiedene Segmente unterteilt. Diese Unterteilung ist auch auf der sogenannten Kartierung ersichtlich. Das ist eine Zeichnung des Gemäldes, auf dem die Schäden und Arbeitsschritte dokumentiert sind. Das dient der Restauratorin zur Orientierung. "Damit ich mich nicht verliere und zweimal dieselbe Stelle bearbeite."
Das Projekt ist für Magdalena Ritler "eine Riesenchance".
Man weiss etwa, dass Kirchner seine fertigen Werke zum Teil überarbeitete – manchmal erst viele Jahre nach ihrer Entstehung. Es sei wichtig, Retuschen des Malers zu erkennen, sagt Ritler. Im Gegensatz zu fremden Nachbesserungen, die man beseitige, lasse man diese bestehen.
Leuchtende Farben und matte Malerei
Ritler arbeitet vor allem unter dem Mikroskop. Mit einer Art Mini-Staubsauger befreit sie das Gemälde von Schmutz und entfernt kleine, dunkle Flecken. So kämen die für Kirchners Kunst charakteristischen leuchtenden Farben und die matte Malerei besser zum Ausdruck. Dabei achtet die Restauratorin aber darauf, nicht zu viel abzutragen, denn wie das Einschussloch und der Schnitt gehöre auch die über die Jahre hinweg gebildete Patina zum Bild. Bis es wieder auftauchte, kannte man "Tanz im Varieté" nur als Abbildung auf Schwarz-Weiss-Fotografien.
Ein Schuss, ein Schnitt: Spuren einer turbulenten Vergangenheit.
Die Stiftung Im Obersteg hatte bislang kein Kirchner-Gemälde – obwohl Karl Im Obersteg und der deutsche Maler sich kannten und Briefkontakt pflegten. Die rund 20 Schriftwechsel befinden sich im Archiv der Stiftung. Mit "Tanz im Varieté" habe man nun diese Lücke schliessen können, sagt Géraldine Meyer.
Tiefer Schätzwert
Kunstkenner kritisieren, die Stiftung habe für das Gemälde "zu viel Geld" ausgegeben. Die Kuratorin wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Mit zwei bis drei Millionen Euro sei der Schätzwert viel zu tief angesetzt gewesen. Das habe auch das Auktionshaus Ketterer gewusst.
"Eines der aussergewöhnlich grossformatigen Bilder im Werk Kirchners".
Wie jetzt bekannt geworden ist, wurde das Gemälde dem Basler Kunstmuseum in den frühen 30er-Jahren zweimal zum Kauf angeboten; einmal von den Nachlassverwaltern des damaligen Besitzers, eines Emailwaren-Fabrikanten und Kunstsammlers, und einmal von der Mannheimer Galerie Buck, die das Werk in Kommission hatte. Der damalige Museumsdirektor Otto Fischer hätte es gerne erworben, doch sei die Kunstkommission dagegen gewesen, vor dem Krieg so viel Geld auszugeben, erzählt Meyer. Nun schliesst sich der Kreis wieder. 2. Januar 2025
"Schön und informativ" Sehr schöner, informativer Artikel! Vielen Dank. Lorenz Ros, Basel |
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