Als Vegetarier in die nächste Grill-Saison
"Aber vegan wirst du nicht auch noch, oder?", heisst es ständig. Seit knapp zwei Jahren ernähre ich mich vegetarisch. Unter uns jungen Erwachsenen ist der Verzicht auf sämtliche tierische Produkte als persönliche Entscheidung etabliert, die kaum Aufmerksamkeit erregt.
Nicht so bei der Eltern-Generation: Der Verzicht auf Fleisch und Fisch wird zwar toleriert. Wenn dann aber Raclette, Fondue und das Frühstücks-Ei auf der Kippe stehen, ist Schluss. Vegan wird so das neue vegetarisch.
"Aber bitte, Kind, werde nicht vegan", heisst es auch bei mir zu Hause manchmal, eher spasseshalber aber. Als Vegi in einem Fleischhaushalt aufzuwachsen funktioniert eben doch – wenn es alle mit Humor nehmen. Auch die Vegetarier. So zum Beispiel als meine Freundin und ich – beide vegetarisch, nein, wir sind nicht deswegen zusammen – beim Kochen das, was in der Pfanne brutzelte, aus Gewohnheit als Fleisch bezeichneten. "Soja-Weizen-Geschnetzeltes" geht einfach nicht so leicht über die Zunge wie Fleisch, in den Magen aber schon.
"Sprüche muss man aushalten.
Aber lasst bitte meinen Halloumi in Ruhe."
Vegetarisch zu sein braucht Gewöhnung, vor allem von Seiten der Fleischesser im Verwandten- und Freundeskreis. Mal sehen, ob diese Grill-Saison die erste wird, in der man mich nicht mehr fragt, ob ich denn satt werde, so ganz ohne "öbbis Rächts".
Keine Sorge, nur weil ich kein Fleisch esse, heisst das nicht, dass ich anfange, jedes Grämmchen Ballaststoff zu zählen und Fotos von Kälbern in meine Insta-Story packe mit der Bildunterschrift: "So härzig, und so e kurzes Läbe! Froged euch, ob ihr das mit eurem Konsum unterstütze wennd!?!?"
Wer vegetarisch isst, erspart sich aber tatsächlich einiges, auch abgesehen von Cholesterin, Fett und CO2-Fussabdruck. Kennt ihr das, wenn ihr bei einem "Güggeli"-Stand vorbeikommt und es so verlockend gut riecht? Wenn ihr dann ein halbes "Mistkratzerli" kauft, kommt der Geschmack aber gar nicht an den Geruch heran. Nie.
Diese Enttäuschung erlebe ich als Vegetarier nicht. Auch der ganze Stress beim Grillieren, das Fleisch im richtigen Moment vom Feuer zu nehmen und perfekt rosig zu servieren, fällt weg. Halloumi, der zypriotische Grillkäse und beliebte "Fleischersatz", ist immer gummig. Selber schuld, ich weiss. Wenn der Grillkäse zwischen den Zähnen quietscht, muss man als Vegi halt ein paar Sprüche aushalten. Aber lasst bitte meinen Halloumi in Ruhe.
Eines aber noch, bevor ich eine frohe Grill-Saison wünsche, ob mit oder ohne Fleisch. Sommer heisst immer auch nervige Werbekampagnen der Detailhändler. Die werben inzwischen auch mit Grillgemüse – was mit der steigenden Anzahl Vegis Sinn macht – nur dass die Gemüsepfanne dann auf dem Plakat mit «für Tsch Tsch Tschennifer» angeboten wird, während für «Tsch Tsch Giuseppe» das Tomahawk-Steak vorgesehen ist, war ja klar. Vielleicht ist das auch Zufall.
Aber hoffentlich ist allen klar, dass sie, um ihre Männlichkeit zu erhalten, kein Fleisch essen müssen. Guten Appetit!
15. Juni 2020
"Grill-Werbung wird immer doofer"
Erfreut habe ich festgestellt, dass ich nicht der Einzige zu sein scheine, der sich an der Jahr für Jahr doofer und penetranter werdenden Grill-Werbung der Grossverteiler stört. Was da an Werbegeldern verbrannt wird, geht wirklich auf keine Kuhhaut! Ein Beitrag zur Volksverblödung, mehr nicht!
Tsch-Tsch–Tschüss, hatte ich der Urheberfirma mitgeteilt. Und folgende Antwort darauf erhalten: "Werbung sollte eigentlich Freude bereiten und Konsumentinnen und Konsumenten von einem Produkt überzeugen. In Ihrem Fall wurde dieses Ziel leider verfehlt. Wir wissen jedoch aus Erfahrung, dass auch Werbung, die von den meisten Kunden positiv aufgenommen wird, in Einzelfällen nicht befriedigt. Wir bedauern dies sehr und versichern Ihnen, alles daran zu setzen, dass auch unsere Werbung in jedem Fall und überall gut ankommt."
Man darf also gespannt sein ...
Pius Helfenberger, Münchenstein